Gute Fachkräfte sind rar, Employer Branding ist "in". Bilder, die bewegen, werden immer mehr zum Credo in Sachen Rekrutierung avancieren, glauben Experten. Unternehmen setzen sich via Imagefilm in Szene. Dabei wirken Mechanismen, die auch in der Werbung zum Tragen kommen: Um sich als Marke zu positionieren, spielen Emotionen eine wichtige Rolle; und die werden mittels Bewegtbilder am leichtesten transportiert. Solche "Recruiting-Videos" können mittlerweile auf den größeren Jobbörsen problemlos in Stellenanzeigen integriert werden. Laut einer Studie erhöhen Clips die Chancen bei der Personalsuche.

Yoga bei Google

Im Schnitt kommen Internetnutzer bis 35 Jahre auf rund 100 Videoabrufe pro Monat. Firmen wollen den Web 2.0.-Zug natürlich nicht verpassen. An vorderster Front bei Imageclips mischen große Konzerne mit. Das Video "Arbeiten für Google" verzeichnet auf YouTube bis jetzt über 620.000 Abrufe. Wenig überraschend sind darin Mitarbeiter zu sehen, die in höchsten Tönen von ihrem Arbeitgeber schwärmen. Vom perfekten Kantinenessen über den inspirierenden Gedankenaustausch bei einer Kaffeepause bis zum Firmen-Yoga; das Motto lautet: "Das kann nur Google". "Perfekte" Selbstdarstellungen von Firmen können mitunter aber auch kontraproduktiv sein. Inszenierte Selbstbeweihräucherung wird normalerweise bei Bewerbern nicht goutiert.

Bilder erzählen Geschichten

Von Lobeshymnen Abstand zu nehmen, rät auch Roland Hartmann, der mit seiner Firma "Red Rabbit Film" solche Imagefilme produziert. "Chefs präsentieren sich sehr gerne, zu viele Statements sind aber nicht so gut", meint Hartmann und plädiert dafür, nicht Leute sondern schöne Bilder in den Mittelpunkt zu rücken. "Daten und Fakten sollte man sehr reduziert bringen", sagt er. Die wichtigsten Kriterien eines Imagespots werden über die Corporate Identity determiniert: "Mit was glaubt eine Firma punkten zu können?" Ob es sich dabei zum Beispiel um das gute Betriebsklima, die Aufstiegschancen oder Weiterbildungsmaßnahmen handle, sei firmenspezifisch. Alle Qualitäten zusammen in ein kurzes Video gepackt, wäre aber zuviel des Guten. Das konterkariere die Glaubwürdigkeit.

Einen interessanten Arbeitgeber könne man immer noch am besten über eine witzige Geschichte darstellen. Ähnlich wie in der Werbung sollten Informationen über die Schiene Emotionen laufen, so Hartmann. Was die Filmlänge betrifft liege das Maximum bei drei bis fünf Minuten. Bei den Protagonisten sei es vom Konzept des Clips abhängig, ob auf Schauspieler oder auf Mitarbeiter der Firmen zurückgegriffen werden sollte. In speziellen Fällen könne auch kombiniert werden.

Keine Hochglanzvideos

Einen gänzlich anderen Ansatz vertritt Thorsten zur Jacobsmühlen. Er hält zum Beispiel Schauspieler in Firmenclips für ein "No go". Der Unternehmensberater und Betreiber des Blogs blogaboutjob.de beschäftigt sich seit vielen Jahren mit E-Recruiting. Er will Arbeitgeber zum Kurswechsel animieren: "User wollen was Authentisches und keine Hochglanzvideos mit auswendig gelernten Texten." Entscheidend beim Buhlen um die Gunst der Kandidaten seien die ersten paar Sekunden. "Wenn die Leute sehen, dass es ein Verkaufsvideo ist, dann schließen sie es gleich wieder", ist er überzeugt, dass Laienproduktionen die bessere Variante sind.

"Wackelvideos"

"Mitarbeiter sollen einfach mit einer Handkamera durchs Unternehmen laufen, ihre Arbeitsplätze filmen oder irgendwelche Leute interviewen", sagt zur Jacobsmühlen. Natürlich könne das auch unter der Regie von professionellen Filmfirmen ablaufen. Auf die anschließende Hochglanz-Politur sollte jedoch verzichtet werden. Die Angst von renommierten Firmen, dass ein "Wackelvideo" bei Bewerbern oder Kunden auf Ablehnung stoßt, sieht er als "völlig unbegründet". Chefs und Marketingabteilungen müssten über ihren Schatten springen, denn: "Wenn ich ein Gummibärchen an der Angel habe, dann werde ich nichts fangen." Mit einem Wurm, respektive einem authentischen Clip; werden Unternehmen die dicken Fische an Land ziehen, glaubt er.

Beide Seiten, nämlich Bewerber und Arbeitgeber, machen momentan bei Bewegtbildern genau das Falsche, ist der Experte überzeugt. Wenn sich Jobsuchende mittels selbst gedrehten Videos in Szene setzen, dann handelt es sich dabei meist um schlecht gemachte Filme. "Firmen wollen ihre Kandidaten aber in Hochglanzclips sehen", sagt zur Jacobsmühlen. Vice versa wollen Kandidaten ihre potenziellen Firmen nicht über Verkaufsvideos präsentiert bekommen. Das seien konträre Erwartungshaltungen.

Work-Life-Balance darstellen

zur Jacobsmühlen ortete ganz generell einen "Wandel bei den Stellenanzeigen". Firmenclips als Rekrutierungsinstrumente sieht er stark im Kommen. Die heutige Bewerbergeneration sei eine andere als jene vor zehn Jahren. Firmen nehmen bei ihrem Employer Branding noch viel zu wenig darauf Rücksicht: "Nicht immer ist Geld das Interessanteste." Work-Life-Balance ist für ihn mehr als nur ein Modewort: "Was kann ich für meine Mitarbeiter tun? Was biete ich Eltern? Habe ich einen Kindergarten? Wie schaut es mit Heimarbeit aus?" Diese Fragen werden bei Bewerbern immer mehr an Bedeutung gewinnen, ist er sicher.

Für wichtig erachtet er auch das Thema "Pflege": "Was passiert, wenn meine Eltern gepflegt werden müssen?" Wenn Firmen gewährleisten können, dass Mitarbeiter zumindest temporär von zu Hause aus arbeiten dürfen, dann sei das ein Asset im Vergleich zur Konkurrenz. "Die Arbeit an die Lebensumstände anpassen", nennt das zur Jacobsmühlen. "Unternehmen, die diese Entwicklung verschlafen, werden keinen Erfolg haben." Dieser Wertewandel müsse sich auch in den Botschaften der Imagefilme widerspiegeln.

Längere Spots auf den Websites

In Bezug auf die Länge seien ein bis eineinhalb Minuten ausreichend. In Stellenanzeigen eingebettete Clips sollten die Kandidaten auf die Unternehmenswebseite lotsen. Dort könne es dann ruhig auch längere Clips zum Download geben. Den Google-Imagefilm hält zur Jacobsmühlen prinzipiell für gut, da er vom Flair her wie ein Privatvideo wirke. Er sei aber zu lange und: "Die Arbeitsplätze und Menschen werden nur kurz eingeblendet. Dafür gibt es lange Statements vor neutralem Hintergrund. Es müsste genau andersherum sein."

Video in Inserat

Zu den wenigen Unternehmen in Österreich, die Erfahrungen mit Imagefilmen in Stellenanzeigen gemacht haben, gehört Deloitte. Die Resultate waren sehr zufrieden stellend, erzählt Margareta Holz, die bei Deloitte im Recruiting arbeitet. Mittlerweile sei es technisch sehr einfach, Clips in Online-Inserate zu integrieren. Der eingebettete Film habe sich als Instrument bei der Mitarbeiterrekrutierung bestens bewährt. "Die meisten Leute wollen sich vor dem Bewerbungsprozess ein Bild vom Unternehmen machen und im Zuge der Recherche stoßen sie dann auf den Film", meint sie. "Best place to work" wurde auf der Plattform YouTube über 15.000 Mal angeschaut.

Der nächste in Planung

Produziert hat den Deloitte-Clip die Firma Red Monster. "Ohne Schauspieler und nur mit Mitarbeiter", betont Holz. Die Kosten für so einen Film? Ab ca. 10.000 Euro sei man dabei. Eine Summe, die viele Chefs abschrecke. Holz kann das nicht nachvollziehen: "Firmen investieren sehr viel in Inserate. Geld für einen Imagefilm ist dann nicht mehr da." In Zeiten des Konjunkturabschwungs kann man Unternehmen so eine Investition nur schwer schmackhaft machen. Die eigene habe sich auf jeden Fall gelohnt. "Wir werden sicher wieder einen produzieren", sagt Holz.

User wollen Kontrolle über Clips

Firmenvideos in Stellenanzeigen erhöhen die Bewerbungsbereitschaft. Das ist die Quintessenz einer Studie in Deutschland. Für 50 Prozent der Teilnehmer war das Vorhandensein eines Clips ausschlaggebend für die Bewerbung. Laut der Untersuchung sollten Bewegtbilder in Stellenanzeigen aber nicht automatisch starten, da dies als störend empfunden wird. Über 40 Prozent der Probanden stoppten das Video gleich wieder nach dem Autostart. Damit die Bilder positive Assoziationen hervorrufen, müssen die Clips mit grundlegenden Playerelementen wie Start-Stopp-Taste, Lautstärkenregler etc. ausgestattet sein, heißt es. (om, derStandard.at, 12.11.2008)