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Blutbeutel werden in Bulgariens Spitälern schneller leer, als Nachschub kommt.

Foto: APA/Barbara Gindl

Sofia - Den Krankenhäusern in Bulgarien gehen langsam die Blutreserven aus. Schuld ist der Straßenverkehr. Die Zahl der Verkehrstoten in dem südosteuropäischen Land steigt kontinuierlich an. Im Vorjahr starben in Bulgarien mehr als 1000 Menschen bei Unfällen, rund 10.000 Personen wurden schwer verletzt. All diese Patienten lassen die Blutreserven der Spitäler schwinden. Die Folge: ein schwunghafter Schwarzhandel mit der lebensnotwendigen Körperflüssigkeit.

"Bei den dringlichsten Fällen wird der Bedarf an Blut durch die eigenen minimalen Depots gedeckt", erzählt Fani Martinova, Leiterin der Blutbank in der Notdienststation Pirogov in Sofia. Bei der Einlieferung vieler Opfer einer Havarie oder großer Verkehrsunfälle jedoch fühlten sich die Krankenhäuser überfordert. Das Gleiche gelte bei Tumor- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei denen große Blutmengen gebraucht werden.

Das Problem kündigte sich schon länger an. Engpässe mit der Blutversorgung machten sich in Bulgarien bereits in den 90er-Jahren bemerkbar. Denn Krankenhäuser überschreiten ständig ihre Quoten, müssen dann Blut von den Transfusionszentren abkaufen, wofür jedoch die niedrigen Budgets nicht reichen. Zu einer richtigen Krise kam es erst in den vergangenen Jahren.

Kein Kaffee mehr für Blut

Wegen der deutlich höheren Zahl der schweren Verkehrsunfälle ist der Bedarf gestiegen, während die Spenderzahlen sich kaum verändert haben. Mit 19 Spendern pro 1000 Einwohner ist Bulgarien im europäischen Vergleich ganz unten, alarmiert das Nationale Bluttranfusionszentrum in Sofia. Wohl mit ein Grund: Zu sozialistischer Zeit bekam man für eine Spende noch rare Konsumgüter wie Schokolade oder Kaffeebohnen. Heute erhalten die Spender keine "Aufmerksamkeit" mehr.

Auch wenn Blutspenden im bulgarischen Gesetz als freiwilliger Akt verankert ist, werden Verwandte von Patienten unverholen aufgefordert, Blutkonserven zu besorgen. Das Personal der Krankenhäuser erweist sich dabei als recht behilflich: Sanitäter, Techniker und Bodyguards bieten Familien ihre Dienste als Dealer oder Spender an.

200 Euro für 450 Milliliter

Der wahre Blutmarkt befindet sich jedoch in den Hinterhöfen und Nebenstraßen der Großstädte. Eines der Zentren des halb legalen Handels befindet sich rund um das Nationale Bluttranfusionszentrum in der Bratja-Miladinovi-Straße in Sofia. Kunden werden gefunden, indem die "Dealer" ihnen bis zu umgerechnet 200 Euro für 450 Milliliter Blut bieten. Das Geld erhalten die Spender, sobald sie eine Bestätigung des Tranfusionszentrum vorweisen.

Den Spitälern helfen diese Praktiken allerdings oft wenig. Denn viele dieser Spender sind mit Hepatitis infiziert und eignen sich daher nicht als Spender. Die Krankheit wird allerdings erst bei den gründlicheren Untersuchungen in den Zielkrankenhäusern entdeckt, große Mengen an Blut fließen dort direkt in den Abfluss der Labors. (Diljana Lambreva, DER STANDARD - Printausgabe, 7. November 2008)