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Mediziner Manfred Neuberger: „Die Feinstaubbelastung von drei verglimmenden Zigaretten in einer geschlossenen Garage ist zehn mal so hoch wie die eines Dieselmotors, der eine halbe Stunde lang läuft."

montage: derStandard.at (foto: reuters)

„Die Feinstaubbelastung von drei verglimmenden Zigaretten in einer geschlossenen Garage ist zehn mal so hoch wie die eines Dieselmotors, der eine halbe Stunde lang läuft", erwähnt Manfred Neuberger, Leiter der Abteilung für Allgemeine Präventivmedizin am Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität in Wien, das Ergebnis eines viel zitierten italienischen Experiments von Invermizzi et al (2004). Mit seinem eigenen Team hat Neuberger die Feinstaubkonzentration in verschiedenen Wiener Lokalen gemessen und noch zwei weitere Erkenntnisse dazu gewonnen: Feinstaub korreliert eng mit der Nikotinkonzentration in einem Raum und in manchen Gaststätten war die Feinstaubbelastung drinnen 10 mal höher wie draußen, umgeben vom Straßenverkehr.

Zur Erinnerung: Feinstaub - in Fachkreisen wird der Begriff PM (particulate matter) verwendet - ist ein Gemisch aus unterschiedlich großen Partikeln und die schädlichste Komponente der globalen Luftverschmutzung. Die Größe der Teilchen ist primär entscheidend, denn je kleiner sie sind, umso gefährlicher für den menschlichen Organismus. Vorbei an Kehlkopf und Lunge dringen die winzigen Partikel über das Gefäßsystem vor in das Herz und können dort Kranzgefäße verkalken und bis zum plötzlichen Herzinfarkt führen. 

Obergrenzen

Ein Versuch die drastischen gesundheitlichen Folgen zu minimieren war die EU-weite Einführung der Feinstaub-Obergrenze von 50µg/m³ für das Tagesmittel von PM10 im Jahr 2001. Diese grobe Feinstaubfraktion (max. 10 Mikrometer oder 0,01 mm) gilt bis heute als verbindlicher Indikator. Die gesundheitlichen Probleme der Bevölkerung wurden damit jedoch nicht gelöst. „PM2,5 Grenzwerte gibt es bereits, allerdings sind sie erst in zwei Jahren rechtswirksam", berichtet Neuberger mit Betonung darauf, dass PM2,5 wie auch PM1 vor allem in Innenräumen eine wichtige Rolle spielen. Letztere sind ultrafeine Partikel (<0,1 Mikrometer). Sie entstehen vor allem bei Verbrennungsvorgängen, wie dem Rauchen von Zigaretten.

„Für einen Koronarpatienten kann schon ein kurzer Aufenthalt in einem verrauchten Lokal lebensbedrohlich sein", sagt Neuberger und erklärt die komplexen Zusammenhänge zwischen Feinstaub und akutem Herzinfarkt. Ein Mittagessen in verqualmter Umgebung ist für gesunde Menschen ohne Belang, denn in der Regel dauert es Jahre bis Gefäße verkalken. Die aggressiven Verbrennungsaerosole einer einzigen Zigarette, schaffen jedoch beim chronisch Herz-Kreislaufkranken die besten Vorraussetzungen für einen Infarkt. Bereits vorgeschädigt, kann das menschliche Herz innerhalb kurzer Zeit aus dem Rhythmus geraten, die Gerinnungskaskade sich dahingehend verändern, dass das Blut zäher wird und die Innenwand der Gefäße Schaden erleiden.

Tödliche Folgen

Die Folgen sind mitunter tödlich. Unfair daran ist nur, dass der passive Raucher in der Regel noch gefährdeter ist, wie der aktive. Während ersterer die Ultrafeinstaubfraktion, die an der Zigarettenspitze entsteht, inhaliert, atmet der Raucher selbst die gröberen Partikel über das Mundstück ein.

Die Hoffnung moderne Lüftungsanlagen und Luftreinigungsgeräte könnten Abhilfe schaffen, hat sich nicht erfüllt. „Es wäre Sturmstärke erforderlich, um die Luftschadstoffe auf akzeptable Werte zu senken", sagt der Wiener Umweltexperte. Seine Lösung ist umstritten, aber einfach, billig und medizinisch betrachtet garantiert ungeschlagen: Das generelle Rauchverbot in Lokalen und anderen öffentlichen Einrichtungen.

In Italien gilt es seit 2005 und die Auswirkungen auf die Gesundheit der Italiener sind schon heute eine Sensation. Allein in Rom ist die Zahl der akuten Herzinfarkte bei Menschen unter 65 Jahren um 11% gesunken. Ebenso wie die Feinstaubkonzentration in sämtlichen italienischen Bars und Restaurants. Vergleichsmessungen zum selben Zeitpunkt in Wien zeigten sich dagegen erschreckend hoch. Fröhlich weitergeraucht wird in Österreich aber trotzdem. (phr/derStandard.at, 6.11.2008)