Böse Jungs: Robert Pecl,...

Foto: Bildagentur Votava

...Leopold Rotter...

Foto: Bildagentur Votava

...und Erwin Fuchsbichler. (Fotos: Bildagentur Votava)

Foto: Bildagentur Votava

Inhalte des ballesterer Nr. 37 (November 2008)

Titelthema »FOUL!«

»Foul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift«
Ein Essay über Käfer, britische Dorfkeilereien und die Überbelastung

Ein Mann sah Rot
Ex-Rapid-Eisenfuß Robert Pecl im Interview

Der Schlächter von Bilbao
Andoni Goikoetxea lehrte nicht nur Maradona das Fürchten

Schmutziges Weiß
Wie Bremner und Co. Leeds United zur Legende klopften

Foultypen
Vom G'streckten bis zum Ellbogencheck

außerdem im neuen ballesterer:

Showdown in der Wanne
Feyenoord gegen Ajax – das Duell der Gegensätze

100 Jahre Wacker Wien
»Turl« Wagner über vergangene Höhepunkte und sympathische Neuanfänge

Pepi Bican, Superstar
Prager Tribut für den großen Stürmer von Slavia und Rapid

Serbische Verhältnisse
Ein Roter-Stern-Fan, der einen Polizisten attackierte, soll für zehn Jahre ins Gefängnis

»Verkaufe und verschwinde«
Machtwechsel nach Fanprotesten bei Panathinaikos Athen

Stuart Clarkes Fanansichten
Leeds United Hillbillies

Groundhopping
Kein geloel in Rotterdam, kein Bus in Lüttich

Dr. Pennwieser
Die Schienbeinschützer

Barometer
Hoffenheimer Rhythmus-Attacke und Haiders Absolution

Der Spielmacher
Dominik Sinnreich sieht Spaniens Dopingszene durchatmen

Foto: Bildagentur Votava

Im Jahr 1897 wurde in Wien erstmals ein Fußballspiel abgebrochen. Auslöser war übertriebener Körpereinsatz: Der berüchtigte »Remplerkönig« der Cricketer, William Flavin, hatte den Vienna-Spieler Lambacher derart hart in die Mangel genommen, dass sich dieser das Schlüsselbein brach. Die Vienna trat erbost ab. Das Nachspiel beschäftigte die Gerichte, weil Lambachers Versicherung ihrer Leistungspflicht nicht nachkommen wollte. Indem die Richter den irischen 95-Kilo-Bullen Flavin vom Vorwurf des Raufhandels freisprachen, schufen sie einen ersten Präzedenzfall für den strafrechtlichen Umgang mit Fouls und Verletzungen im Fußball.

In den 1920er Jahren machte zunächst das Sportclub-Duo Beer/Teufel durch Härteeinlagen von sich reden. Trotz Scheiberlspiel stand der generelle Trend zum »brutalen Kraftfußball«, der beim Wiener Publikum durchaus Anklang fand, im Mittelpunkt der medialen Kritik. »Da wird so ein Tank besungen, gelobt, gefilmt, daß es schon nicht mehr schön ist«, hieß es in einem Zeitungsartikel von 1925, »und zum Schluß stellt sich heraus, der Mann ist nichts anderes als ein gefährlicher Mensch. Und daß solche Menschen Lieblinge der Wiener werden können, ist eine Schande.« Gemeint war der Kult um den legendären Rapid-Stürmer Josef Uridil, der aufgrund seines robusten Spielstils mit einem Panzer verglichen wurde.

Ring frei für Sesta

Auch das technisch versierte Spiel des Wunderteams benötigte seine Abräumer. Der populärste war Karl Sesta, in den 1920ern bis 40ern als Verteidiger für Simmering, den WAC und die Austria aktiv. »Der Blade« mit dem trockenen Schmäh war auf dem Platz berüchtigt für seine Beinscheren und andere kompromisslose Attacken, abseits davon als Sänger und Ringer aktiv. Roman Horak und Wolfgang Maderthaner schreiben in ihrem Buch »Mehr als ein Spiel«, auf einer Schweden-Tournee mit Simmering habe der junge Sesta sogar in den Halbzeitpausen gerungen. Die Spiele absolvierte er selbstverständlich trotzdem zur Gänze. Noch als etablierter Profi trat Sesta als Zirkussänger in Löwenkäfigen auf.

Ebenso hart ließ es Rapid-Centerhalf Josef Smistik angehen. In einem Derby gegen die Austria 1937 wurde das Wunderteam-Mitglied nach einem schweren Foul ausgeschlossen, Rapid beendete das Match mit nur sieben Spielern. Ähnlich wie Sesta bewies aber auch Smistik immer wieder Humor. Nach dem kampfbetonten Spiel gegen die Ungarn bei der WM 1934 – es kam zu Watschenduellen unter den Spielern – kündigte er an, seinem Gegenpart Imre Markos eine »zischen« zu wollen. Als dieser wenig später zur Tür hereinkam, sprang Smistik auf – und umarmte den Ungarn.

Röckl haut die Schotten

Josef Huber, Ex-Sportchef des Kurier, hat in seiner Karriere viele Raubeine kommen und gehen sehen. Eines davon war Max Merkel, bei Rapid in den 1950ern Rivale von Ernst Happel. Huber zum ballesterer: »Die Kolumnen, die Merkel später geschrieben hat, waren ja scharfzüngig. Auf dem Feld war er in der Wahl seiner Mittel aber eher einfallslos.« In Erinnerung ist dem Sportjournalisten auch Vienna-Verteidiger Rudi Röckl geblieben, der mit Umgeher und Nickerl die gefürchtete Abwehrreihe im damaligen WM-System der Döblinger bildete. Gleich in seinem ersten Länderspiel, 1955 gegen Schottland im Prater, setzte sich Röckl ein Denkmal. Huber: »Es war ein Wahnsinn. Der hat auf alles hingehaut. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht gesehen.« Die Schotten wussten dem stämmigen Wiener freilich Paroli zu bieten und siegten mit 4:1. Als gnadenlose Vertreter ihrer Zunft hat Huber auch Ferdl Kolarik von der Admira, heute Vizepräsident des Niederösterreichischen Fußballverbands, und den Simmeringer Paul Gießer in Erinnerung. »Bei Simmering ist es immer hart zugegangen. Der Gießer hat seinen Teil dazu beigetragen.«

Fuchsbichler spielt Schumacher

In den 70er Jahren machte sich Manfred Steiner von Sturm Graz als Feind der feinen Klinge einen Namen. Unter Leopold Stastny schaffte Steiner es sogar ins Nationalteam. Bei seinem Debüt, 1975 gegen Ungarn, stellte er sich frei nach seinem Motto »Anziehen und durchziehen« gleich mit einer Gelben Karte vor. Stastnys Nachfolger Branko Elsner berief Steiner gegen Wales ein zweites Mal ein, warnte ihn jedoch vor. Sollte er gegen die Briten eine Rote Karte bekommen, würde es sein letzter Einsatz gewesen sein. Der Ausschluss blieb aus, ebenso aber weitere Teamauftritte des Grazers, obwohl Elsner nach dem Spiel sagte: »Die österreichische Nationalmannschaft braucht elf Steiners!«

Auch der langjährige Austria-Verteidiger Josef Sara hatte nicht gerade den Ruf eines Lamperls. Ein ehemaliger Gegenspieler zum ballesterer: »Ich bin einmal mit ihm zusammengekracht und hab geglaubt, ich renn gegen eine Eisenbahn.« Und auch ein Torhüter verbreitete in den 80er Jahren Angst und Schrecken unter den Stürmern. Erwin Fuchsbichler, Keeper des SK VÖEST Linz, nahm sich am 13. April 1985 das berüchtigte Foul von Toni Schumacher am Franzosen Patrick Battiston zum Vorbild. Opfer war Johann Abfalterer. Der Sportclub-Stürmer zog in der 21. Minute allein auf das Tor von Fuchsbichler zu, überhob ihn und wurde vom Bröckerl im SKV-Kasten dann richtiggehend abgeräumt. Wie Battiston verlor auch Abfalterer einige Zähne, dazu kamen Rissquetschwunden und eine Gehirnerschütterung. Der kaum verletzte Fuchsbichler blieb ebenfalls liegen, bekam aber noch auf der Bahre liegend die Rote Karte und eine Bierdusche des aufgebrachten Sportclub-Anhangs hinterher. Gerüchten zufolge kommentierte er seine »Show« in der Kabine mit dem Satz: »Scheiße, hat nix ghoifn.«

Duo Infernal in St. Pölten

In der Reihe der heimischen »Hardmen« darf Leopold Rotter nicht fehlen. Der Verteidigerhüne mit dem Schnauzer und der wallenden Mähne wechselte 1987 von der Vienna zum VSE St. Pölten und spielte dort elf Jahre lang den Sensenmann. Rotter war nicht nur wegen seines Aussehens gefürchtet. Der begnadete Kopfballspieler wusste seinen Körper einzusetzen und bearbeitete die Stürmer mit allen Mitteln, was selbst zähen Knochen wie Andi Ogris Respekt abverlangte. Der ehemalige Austria-Stürmer und heutige FAC-Sportdirektor zum ballesterer:»Rotter war hart, aber das gehört dazu. Fußball ist kein Damenkränzchen.«

Ein weiterer St. Pöltener hatte einen noch schlimmeren Ruf: Hans-Peter Frühwirth. Austria-Kärnten-Trainer Frenkie Schinkels über seinen Ex-Teamkollegen: »Es gibt Leute, die wurden zum Fußballspielen geboren. Frühwirth wurde geboren, um zu zerstören.« Wenn das Duo Rotter/Frühwirth in die Zweikämpfe ging, scharrten die Zivildiener mit der Bahre schon in den Startlöchern. Günther Neukirchner kann ein Lied davon singen. Der Sturm-Spieler wurde in der Saison 1993/94 von Frühwirth einfach über den Haufen gerannt, nachdem er St.-Pölten-Goalie Kirasitsch zu heftig attackiert hatte.

Die 90er Jahre scheinen überhaupt eine Blütephase der österreichischen Wadlbeißer gewesen zu sein. Neben Robert »Eisenfuß« Pecl, der im aktuellen ballesterer exklusiv über die Hetzjagd der Schiedsrichter gegen seine Person spricht, wird oft Kurt Garger als zweite Rasenmäher-Instanz genannt. Während viele Zeitgenossen Garger im Vergleich mit dem »Roten Robert« die etwas feinere Klinge nachsagen, ist Ex-Filigrankicker Peter Stöger nicht ganz dieser Meinung: »Beim Kurtl hat man immer aufpassen müssen. An ihn erinnere ich mich besonders gut, weil mein Teamkollege und Freund Andi Ogris häufig von seinen Aktionen betroffen war. Die Art wie solche Eisenfüße in den Zweikampf gegangen sind, war für uns technisch Versierte sehr unangenehm und gefährlich.« Spieler wie Toni »Rambo« Pfeffer und der langjährige Wacker-Innsbruck-Kampfstern Alfred Hörtnagl seien im Vergleich dazu fast Waisenknaben gewesen.

Ehmann zum Psychologen

Das Erbe der Generation um Pecl, Rotter und Garger traten Ernst Dospel und Toni Ehmann an. »Dospelinho« kassierte in jedem fünften Pflichtspiel für die Wiener Austria eine Verwarnung, insgesamt brachte er es im Dress der Veilchen auf mehr als 60 Gelbe. Ähnlich wie bei GAK-Verteidiger Ehmann war oft Uneinsichtigkeit die Ursache. Wenn sie in ihrer unnachahmlichen Manier wieder einmal Ball und Gegner gespielt hatten und auf Foul entschieden wurde, verstanden sie die Welt nicht mehr. Schiedsrichter Thomas Steiner erläutert die Regelauslegung: »Wenn jemand auf Kosten der Gesundheit des Gegenspielers in den Zweikampf geht, ist auf Foul zu entscheiden.« Dospel und Ehmann waren von ihrer Unschuld oft dermaßen überzeugt, dass sie nach dem Pfiff des Referees förmlich ausrasteten. Gegenspieler sollen Toni Ehmann deshalb immer wieder angeraten haben, einen Psychologen aufzusuchen.

Und was ist mit der heutigen Generation? Am ehesten wäre da wohl Emanuel Pogatetz zu nennen, der erst kürzlich mit seinem Foul an Rodrigo Possebon von Manchester United knapp an der schweren Körperverletzung vorbeischrammte. Für Andi Ogris trägt Pogatetz seinen Spitznamen »Mad Dog« dennoch zu Unrecht. Denn zu einem echten »Hardman« gehört neben kompromisslosem Einsteigen und einer Prise Wahnsinn eben auch Effizienz in der Ausschaltung des Gegners. Und genau die ließ Pogatetz nach Ansicht von Ogris im WM-Qualifikationsspiel Österreichs gegen Serbien vermissen: »Warum Pogatetz so genannt wird, verstehe ich nicht. Wir haben gegen die Serben sogar einen englischen Schiri, der eine härtere Gangart zulässt. Trotzdem gibt es nur eine Gelbe wegen Foulspiels und die kriegt ausgerechnet der Ivanschitz.« Und auch Peter Stöger lässt einen Vergleich von »Pogerl« mit den harten Hunden von einst nicht zu: »Der Pecl war viel furchterregender.« (Text: Reinhard Krennhuber & Clemens Zavarsky, Fotos: Bildagentur Votava)