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Foto: APA/AP/Sunday Alamba

Tausende Nigerianerinnen werden jährlich nach Europa geschleust und finden sich - gegensätzlich zu den Abmachungen - in der Zwangsprostitution wieder.

Maria Obazuwa und ihre NGO Girls Power informieren junge Frauen über diese Praktiken - und stärken sie in ihren Fähigkeiten und ihrem Selbstvertrauen.

Foto: APA/AP/Sunday Alamba

Frauen und junge Mädchen aus Nigeria, denen eigentlich versprochen wurde, sie könnten zum Babysitten oder als Sekretärin nach Europa kommen, finden sich auf einmal als Zwangsprostituierte in Italien, Belgien oder Österreich wieder. Die vermeintlichen Helfer entpuppen sich als Zuhälter, die nun Zahlungen für Transport und Unterkunft in der Höhe von bis zu 80.000 Euro verlangen. Können die Mädchen die Schulden nicht abbezahlen, werden ihre Familien in Nigeria bedroht oder sogar ermordet. Macht ein Mädchen Probleme, wird es in ein anderes Land gebracht, wo der Schuldenberg von neuem zu wachsen beginnt. Die Behörden, sowohl in den Herkunfts- als auch in den Zielländern, hängen der Dynamik des Systems aus Menschenhändlern und Zuhältern hinterher.

Maria Obazuwa, Leiterin der nigerianischen NGO Girls Power, war im Zuge des internationalen Symposiums "arbeit, migration, rechte – Strategien gegen Frauenhandel" am 22. und 23. Oktober zu Gast in Wien. Mit Maria Fanta sprach sie für dieStandard.at über ihre Erfahrungen.

dieStandard.at: Wie sieht die Arbeit der NGO Girls Power genau aus?
Maria Obazuwa: Wir sind eine regierungsunabhängige Organisation, die sich vor allem um "Empowerment", also um die Bestärkung von Mädchen kümmert. Wir informieren Mädchen im Alter zwischen 10 und 18 Jahren. Denn das Mädchen von heute ist die Frau von morgen. Wir unterrichten und informieren sie und stärken ihre persönlichen Fähigkeiten. Sie lernen, wie sie für sich selbst sorgen und eigene Entscheidungen treffen können. Wir lehren die Mädchen, nicht aggressiv zu sein, aber auch nicht passiv. Weil ein Teil des Problems Frauenhandel ist Passivität. Frauen in Nigeria haben oft keine Stimme. Sie haben nicht gelernt, "Nein" zu sagen.

dieStandard.at: Mit welchen Problemen sind Frauen in Nigeria konfrontiert?
Maria Obazuwa: Wir haben in Nigeria eine patriarchalische Gesellschaft. Frauen fallen schnell auf Versprechungen herein. Sie wollen das Land verlassen, um nicht länger von Männern unterdrückt zu werden. Frauen sind von Menschenhandel mehr betroffen, weil sie beeinflussbarer sind. Die Frauen in Nigeria haben sehr viel Vertrauen in ihre Familie, sie berücksichtigen die anderen Familienmitglieder. Die Männer denken mehr an sich selbst.

dieStandard.at: Was ist Ihre Vorstellung einer Frau, Ihr Frauenbild?
Maria Obazuwa: Eine Frau, die weiß, das Richtige zu tun. Eine Frau, die schätzt, eine Mutter zu sein und die an ihre Familie denkt, aber die auch im richtigen Moment das tut, was sie sich wünscht. Nicht eine Frau, die selbstgefällig ist, aber die an sich selbst denkt, wenn es notwendig ist. Das ist meine Vorstellung einer Frau.

dieStandard.at: Das Netzwerk aus Frauenhändlern und Zuhältern zieht sich fast über alle Kontinente. Hat Girls Power eine Strategie, um gegen dieses Netz zu arbeiten?
Maria Obazuwa: Unsere Strategie liegt in der Zusammenarbeit mit anderen NGOs. Zum Beispiel haben wir in Nigeria eine nationale Vereinigung von NGOs, genannt NACADIP. Wenn mehrere Organisationen zusammenarbeiten, kann man mehr gegen den Handel von Frauen erreichen.

dieStandard.at: Glauben Sie, Europa tut genug, um den Frauenhandel zu bekämpfen?

Maria Obazuwa: Ich glaube nicht, dass irgendjemand genug tut. Weder die Herkunftsländer, noch die Transitländer oder die Zielländer haben bisher genug getan. Ich finde, es müsste einen besseren Dialog geben. Die Regierungen der verschiedenen Länder sollten gemeinsam diskutieren, vor allem über das Thema Visa. Meiner Meinung nach hast du grundsätzlich ein Recht zu emigrieren. Zum Beispiel würde ich, wenn ich das Recht dazu hätte, nicht fünf Jahre nach Österreich kommen. Ich würde vielleicht sechs Monate bleiben und dann zurück nach Nigeria gehen. Das wäre für Österreich kein Problem. Durch strikte Gesetze spielt man die Frauen den Menschenhändlern nur in die Hände. Die Händler haben leichtes Spiel, weil die Menschen keine andere Wahl haben. Strenge Vorschriften sind keine Lösung, sondern kurbeln den Menschenhandel nur an.

dieStandard.at: Wie sehen Sie die Zukunft?
Maria Obazuwa: Ich habe viel Hoffnung. Wissen Sie warum? Es brauchte ein Jahrhundert, um die Sklaverei abzuschaffen, also wenn es noch ein Jahrhundert dauern sollte, den Frauenhandel zu beenden, habe ich trotzdem Hoffnung. Ich habe einen starken Glauben in mir, dass das alles aufhören kann.

(Maria Fanta/dieStandard.at, 23. Oktober 2008)