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Lewis Hamilton und sein an Kinderlähmung leidender Bruder Nicolas im siebten Himmel.

Foto: Mason/Getty

São Paulo - Wer sich vorübergehend nicht ausgekannt hat im dramatischen Finish der Formel-1-Saison, braucht sich darob nicht zu grämen. Schließlich war nicht einmal der Weltmeister im Bilde, als er über die Ziellinie fuhr. "Ich wusste nichts, ich schrie in den Funk: Hab ich es? Hab ich es? In der ersten Kurve bestätigte das Team, dass ich es geschafft habe. Es war ekstatisch, nur ekstatisch."

So schildert Lewis Hamilton, der sich am Sonntag mit 23 Jahren, 9 Monaten und 26 Tagen zum jüngsten Formel-1-Weltmeister der Geschichte krönte, den Zielsprint im Regen. Während der Brasilianer Felipe Massa zu einem überlegenen Heimsieg kurvte, wurde Hamilton von Sebastian Vettel überholt, ehe er 18 Sekunden vorm Heimkommen Timo Glock noch abfing und sich den rettenden fünften Platz sicherte. "Es war das härteste Rennen meines Lebens", sagte er nachher, "ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte ich in der letzten Runde noch verloren. Aber das ist jetzt egal."

Der brave Bub aus Stevenage

Lewis Carl Hamilton, der brave Bub aus Stevenage, Hertfordshire, der in der Schweiz lebt, bedankte sich bei allen, die seine Karriere ermöglichten - bei seinen Eltern, seinem Team und nicht zuletzt bei McLaren-Chef Ron Dennis. "Ron hatte die Weitsicht, mich ins Spiel zu bringen", lobte Hamilton und erinnerte an die Geschichte, in der er Herrn Dennis bei einer Motorshow nicht nur um ein Autogramm anschnorrte, sondern diesem auch erzählte, dass er irgendwann in seinem Team fahren wolle.

Nun ringt Hamilton, dessen Großvater aus Grenada eingewandert war, selbst Michael Schumacher Respekt ab. "Was für ein Finale. Ich bin heute noch überwältigt. So etwas habe ich noch nie erlebt, weder als Fahrer noch als Zuschauer - man kann eigentlich nur sagen, dass das wohl Schicksal war. Ich gratuliere Lewis Hamilton, und ich schicke einen ganz herzlichen Gruß an Felipe und all unsere Jungs in Brasilien", tat der siebenfache Champion gestern auf seiner Website kund.

Im Königreich waren sich sogar Regierung und Opposition einig. "Das ganze Land freut sich riesig über sein außergewöhnliches Talent. Wir alle sind stolz auf den inspirierenden Lewis Hamilton und das McLaren-Team", teilte Premierminister Gordon Brown, Vorsitzender der Labour Party, mit. "Lewis ist nun offiziell eine Sportlegende und ein Vorbild dafür, was man erreichen kann, wenn man seinem Traum folgt", merkte David Cameron an, der Chef der oppositionellen Conservative Party.

"Er hat die größte, schwerste Prüfung überstanden, die man sich denken kann", kommentierte Damon Hill, 1996 bisher letzter britischer Formel-1-Weltmeister.

Hamiltons Einkünfte im nächsten Jahr werden auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Damit wäre er die Nummer zwei der Sportwelt hinter Golfstar Tiger Woods. (bez; DER STANDARD Printausgabe 4. November 2008)