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Demonstrative Nähe zur Arbeiterschaft: Barack Obama (li.) und John McCain.

Fotos: AP/Brandon, Reuters/Snyder

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Barrack Obama zieht die Massen an: Am Sonntag versammelte er rund zwanzigtausend Anhänger im Nippert Stadion am Campus der Universität von Cincinnat.

Fotos: AP/Stephan Savoia

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John McCain, hier bei einer Wahlkampfveranstaltung am frühen Montagmorgen in Miami, Florida, bleibt wider aller Umfrage unerschütterlich siegesgewiss.

Fotos: AP/Stephan Savoia

Der eine kämpft gegen vorzeitige Resignation, der andere gegen voreilige Siegesgewissheit: John McCain und Barack Obama rennen von konträren Positionen aus gegen den Eindruck an, das Rennen sei schon gelaufen.

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Es wirkt, als sei er aufgezogen. Aus den Lautsprechern dröhnen anfeuernde Klänge, Filmmusik, Rocky, der Boxer, wie er das verloren geglaubte Duell gegen den sowjetischen Riesen noch dreht. John McCain steigt aus seinem Bus, dem "Straight Talk Express", und rennt aufs Podest. Er reckt die Arme, die er seit Vietnam nicht mehr über den Kopf heben kann, in die Waagerechte. Er hebt beide Daumen, schneidet fröhliche Grimassen, dann stößt er die Fäuste nach vorn. Alles ist einem Leitmotiv untergeordnet, dem großen Comeback des harten Kämpfers.

John Warner, ein Republikaner alter Schule, hat noch einmal von McCains Tagen im "Hanoi Hilton" erzählt, dem Kriegsgefangenenlager, in dem der Bomberpilot fünfeinhalb Jahre saß. Warner ist ein Kritiker George W. Bushs. Er war Marineminister, als McCain 1973 aus Vietnam zurückkehrte, an Krücken humpelnd. Er spricht von Ehre und Größe und stimmt einen Sprechchor an: "Country first! Politics last!" So sei er, der Kandidat, sagt Warner. Das Land setze er an erste, die Politik an letzte Stelle.

Um Inhalte geht es nicht mehr. Es geht um ein Sichaufbäumen, um die Konterattacke des Zurückliegenden, um den Versuch, die sprichwörtlichen Sympathien der Amerikaner für einen Underdog auszuschlachten. "Steht auf, steht auf, steht auf und kämpft", heizt McCain der Menge ein. "Nichts ist hier unvermeidlich. Wir geben nie auf. Wir verstecken uns nie vor der Geschichte. So, und jetzt gewinnen wir diese Wahl."

Es ist so etwas wie ein Trotzreflex, auf den der 72-Jährige in der Schlussrunde hofft. Eine jähe Gefühlswende, die sich gegen den Favoriten Barack Obama richtet. In Springfield, Virginia, hat sein Team bewusst eine schlichte Kulisse gewählt. McCain redet vor der Laderampe eines Lagerhauses, bemüht, ein proletarisches Grundgefühl à la Rocky zu vermitteln. "Mac is back", steht auf den Postern. "Mac ist zurück" - es ist dieselbe Parole, die der Senator aus Arizona schon zum Vorwahlauftakt im Jänner plakatieren ließ. Man hatte ihn abgeschrieben, er feierte ein glänzendes Comeback. Irgendwie will er dieses Winterwunder im Herbst wiederholen.

In sieben Bundesstaaten könnte das Rennen mit hauchdünnem Ergebnis enden: Florida, Indiana, Missouri, Nevada, North Carolina, Ohio, Virginia. Es sind die Staaten, auf die sich beide Kontrahenten im Endspurt konzentrieren.

Obama zieht in Cleveland, Ohio, noch einmal alle Register. Vorgestellt wird er von Bruce Springsteen. "Ich will meinen Traum zurück! Ich will mein Amerika zurück!", ruft der Rockbarde. Also gelte es, noch einmal die Ärmel hochzukrempeln für Barack Obama. Springsteen umarmt den gertenschlanken Senator. Es ist ein starkes, gut inszeniertes Symbol: hier der singende Held der Arbeiterklasse, dort der grazil gebaute Harvard-Jurist, von dem McCains Truppe behauptet, er verstehe Amerikas Arbeiterschaft nicht.

Obama seinerseits fürchtet, dass sich seine Anhänger zu früh im sicheren Gefühl des Sieges wiegen könnten. "Glaubt nicht eine Sekunde lang, dass diese Wahl vorbei ist", ruft Obama. "Denkt nicht für eine Minute, dass sich die Macht mit ihrer Niederlage abfindet. Wir müssen arbeiten, als hänge unsere Zukunft allein davon ab, was wir tun in diesen allerletzten Tagen." (Frank Herrmann aus Springfield/DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2008)