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Eigentlich ist Virginia seit langer Zeit fest in republikanischer Hand. Dennoch liegt John McCain in dem einstigen Tabakstaat zurück.

Foto: REUTERS/Brian Snyder

Washington - Virginia, die Heimat George Washingtons und Thomas Jeffersons, ein Staat, der sich als Wiege der Nation begreift, ist eigentlich kein typischer Battleground-State. Nach der politischen Farbenlehre gehörte es lange Zeit relativ eindeutig zum roten, republikanischen Lager. In den vergangenen 60 Jahren konnte ein demokratischer Präsidentschaftskandidat nur ein einziges Mal in Virginia gewinnen. Es war Lyndon B. Johnson, der kantige Texaner, der 1964 Barry Goldwater besiegte.

Hochburg des Militärs

Umso bemerkenswerter, dass Barack Obama in dem einstigen Tabakstaat vorn liegt, nach aktuellen Umfragen um sechs Prozent vor John McCain. Es gibt freilich viele, die den Zahlen nicht trauen. Virginia gilt als Hochburg des Militärs. In seinem nordöstlichen Zipfel, vor den Toren Washingtons, liegt das Pentagon, an seiner Atlantikküste liegen wichtige Marinestützpunkte wie Norfolk, wo derzeit zwei riesige Flugzeugträger der neuesten Generation gebaut werden. Eigentlich McCain-Country, natürliches Hinterland des Vietnamveteranen, der seinen Wahlkampf speziell hier mit Begriffen wie Ehre und Treue bestreitet.

Allerdings, im Speckgürtel um Washington hat sich die Demografie in den letzten zehn, 15 Jahren markant verändert. Angelockt durch lukrative Regierungsaufträge (Rüstung, Terrorabwehr alias Heimatschutz, Software) siedelten sich viele neue Unternehmen an. Fairfax County, direkt am Rande der Bundeshauptstadt, gehört zu den am schnellsten wachsenden Verwaltungsbezirken der USA. Entstanden sind boomende Satellitenstädte mit jungen, meist liberal gesinnten Bewohnern - und sie bilden ein starkes Gegengewicht zu den konservativen Bastionen auf dem Lande.

Dass sich in der Folge die politische Balance Virginias verschiebt, haben die vergangenen Jahre prägnant illustriert. Seit 2005 residiert mit Tim Kaine ein populärer Demokrat im Gouverneursamt, einer der aufstrebenden Stars seiner Partei. Kaine galt als Mitfavorit für die Vize-Kandidatur, bevor sich Obama im August im Zuge der Kaukasuskrise für den erfahrenen Außenpolitiker Joe Biden entschied. Sein Parteifreund Jim Webb, 2006 zum Senator gewählt, hat seinerseits vorexerziert, wie die Demokraten auf fremdem Terrain punkten können.

Country-Musik und Waffen

Genau wie McCain absolvierte Webb die Flottenakademie von Annapolis, hoch dekoriert kehrte er aus dem Vietnamkrieg zurück, unter Ronald Reagan war er Marineminister. Ein Haudegen mit schottisch-irischen Wurzeln, der Countrymusik mag und Waffen trägt. Webb hilft, jene Wechselwähler zu überzeugen, die großen Wert auf eine robuste Sicherheitspolitik legen und die Obama anfangs als zu hohes Risiko ansahen. "Ich vertraue ihm" , sagt er. "Also könnt auch ihr ihm vertrauen." (fh/DER STANDARD, Printausgabe, 03.11.2008)