Darf eine Übergangsregierung Verhandlungen über wichtige nationale Interessen führen und dabei womöglich entscheidende Zugeständnisse machen?

Die Frage ist in Israel höchst aktuell, weil Noch-Premier Ehud Olmert schon Ende September zurückgetreten ist, die Neuwahlen aber erst am 10. Februar stattfinden. Veranschlagt man dann noch einige Wochen für Koalitionsgespräche, so ergibt sich eine Periode von gut einem halben Jahr, in der Olmert weiterhin die Geschäfte führt, obwohl er das Vertrauen der Bevölkerung verloren hat. Jetzt signalisiert Olmert, dass er die Verhandlungen mit Syrien, bei denen es um die in Israel heiß umstrittene Rückgabe der Golanhöhen geht, wieder aufnehmen will.

Türkei vermittelte

Im April war bekannt geworden, dass die Türkei neue Kontakte zwischen Israel und Syrien vermittelt hatte. Inzwischen haben Delegationen beider Länder in der Türkei insgesamt vier Runden gut abgeschirmter indirekter Verhandlungen absolviert. Nach einer Auszeit wegen der innenpolitischen Turbulenzen in Israel sollen nun Olmert und Syriens Präsident Bashir al-Assad beabsichtigen, die nächste Runde anzusetzen. Das Nahziel wäre dabei, die Voraussetzungen für den Übergang zu direkten Gesprächen zu schaffen - das ist aber offenbar nur möglich, wenn Olmert schon im Vorhinein grundsätzlich dem Verzicht auf das ganze Golan-Gebiet zustimmt.

Außenministerin Zipi Livni, neue Chefin von Olmerts Kadima-Partei, ist nicht begeistert. Es dürfe jetzt vielleicht Treffen zur "routinemäßigen Pflege" der Kontakte geben, meint Livni, aber es wäre "unangebracht und inakzeptabel" , würde der scheidende Premier in dieser Sache noch irgendwelche Entscheidungen treffen. Anderer Ansicht ist Verteidigungsminister Ehud Barak, als Chef der Arbeiterpartei gegenwärtiger und vielleicht auch zukünftiger Koalitionspartner Livnis. Assad könne "ein Partner zu einem Frieden sein, bei dem es Chancen gibt, dass er dann auch zu einem Abkommen mit den Libanesen führt" , sagte Barak, "und als verantwortungsbewusste Führung dürfen wir diese Gelegenheit nicht verpassen." Assad selbst hat schon vor Monaten erklärt, dass es einen Durchbruch nur mit Einbindung der Amerikaner und erst nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten geben könne. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/ DER STANDARD, Printausgabe, 03.11.2008)