Columbia - In Umfragen liegt er in Führung, Hunderttausende drängen sich bei seinen Auftritten, und trotzdem macht Barack Obama Wahlkampf, als müsste er sich erst an die Spitze vorarbeiten. "Wir können es uns nicht leisten, nachzulassen", rief er seinen Anhängern zu. "Nicht für einen Tag, nicht für eine Minute, nicht für eine Sekunde". Denn: bis zur Wahl am Dienstag ist noch nichts entschieden, auch Umfragen können falsch liegen. Und so wird Obama bis zum entscheidenden Datum schuften und um Wähler werben.

Massentaugliche Aktionen

"Wir müssen hart arbeiten", bläute der demokratische Präsidentschaftskandidat seinen Anhängern in Florida ein. Neben massentauglichen Aktionen - seinen Fernsehwerbespot in der Primetime sahen 33,6 Millionen - bemüht sich der Senator intensiv um individuellen Kontakt. In den vergangenen Tagen rief er in Denver und Pittsburgh Wahlberechtigte an und musste sich nicht nur zu seiner Umweltpolitik äußern, sondern einer Anhängerin auch schon Eintrittskarten für seine Amtseinführung versprechen.

Der Grund für sein unermüdliches Engagement: Wähler hassen es, wenn man sich ihrer Stimme sicher ist. Und Obama gibt sich alle Mühe, nicht so zu wirken, als fühle er sich auf der sicheren Seite. "Selbstgefälligkeit bringt Kampagnen um", sagt der demokratische Wahlkampfstratege Mark Mellman, der bei der Präsidentenwahl 2004 als Meinungsforscher für John Kerry gearbeitet hat. "Gewinner laufen immer, als lägen sie zurück."

"Glaubt keine Sekunde an diese Umfragen"

Und daher ließ sich Obama in dieser Woche auch von miesem Wetter nicht von einem Wahlkampfauftritt unter freiem Himmel in Pennsylvania abbringen. Tausende seiner Anhänger harrten in strömendem Regen aus, trotzten der Kälte und standen im Matsch. Obamas republikanischer Rivale John McCain sagte einen ähnlichen Termin wenige Kilometer entfernt ab.

In fast allen landesweiten Umfragen liegt Obama inzwischen vor McCain in Führung. Bei den Einzelstaaten sind ihm die traditionell demokratischen Staaten sicher, außerdem führt er in einigen der Staaten, die der amtierende Präsident George W. Bush bei der letzten Wahl 2004 gewonnen hat, darunter in Ohio, Colorado, Nevada und Virginia. Trotzdem lehnt sich der demokratische Senator nicht entspannt zurück. "Glaubt keine Sekunde an diese Umfragen", sagte er vor 35.000 Anhängern in Orlando, Florida.

Ein möglicher Grund für Obamas unermüdliches Engagement: Er will nicht nur gewinnen, sondern mit einer komfortablen Mehrheit gewinnen. Die zweite - möglicherweise realistischere - Motivation: Er hat seine Lektion aus den Vorwahlen gelernt: Denn dort fuhr er in Iowa einen überraschenden Sieg vor seiner innerparteilichen Rivalin Hillary Clinton ein, ging dann bei der Abstimmung in New Hampshire aber unter. Nach 21 Monaten Wahlkampf sei eines sicher, sagt Obamas Berater David Axelrod: "Man sollte nichts als selbstverständlich betrachten." (Von Ben Feller/AP)