Bild nicht mehr verfügbar.

Wettlauf mit der Zeit: Bei Organtransplantationen muss alles schnell gehen, ein Herz darf nur vier Stunden lang außerhalb des Körpers sein.

Foto: APA/EPA/Frank May

Das Koordinatorenbüro im 9. Stock des AKH Wien deutet auf einen anstrengenden Schreibtischjob hin: Einen solchen erledigen die Koordinatoren auch, aber meist untertags. In der Nacht sind sie unterwegs, müssen organisieren, improvisieren - immer gegen die Zeit.

Foto: M. Grömmer

Niemand hier hat Flugangst, aber alle haben sich auf Flügen schon extrem gefürchtet. Mahr ist bereits seit 2006 hier und hat auch nach zwei Jahren noch nicht genug von diesem Job.

Foto: M. Grömmer
Foto: M. Grömmer
Foto: M. Grömmer

Die Reaktionen auf eine an sich frohe Botschaft sind so vielschichtig wie die Krankengeschichten der TransplantPatienten und reichen von 'Gott sei Dank!' bis 'Oh mein Gott!'.

Foto: M. Grömmer

"Cool" ist nicht das erste Wort, das einem einfällt, wenn man Martina Grömmer begegnet. "In sich ruhend", "gelassen", vielleicht auch "bodenständig", diesen Eindruck vermittelt sie sofort. Ihr Blick ist klar und ruht beständig auf dem Gegenüber, auch wenn sie gerade sehr aufregende Geschichten zu erzählen hat. Wer sich mit ihr einmal in der belebten Cafeteria des AKH Wien getroffen hat, weiß, wie sehr sie mit diesen Erzählungen auch Leute von umliegenden Tischen in ihren Bann ziehen kann. Die würden dann auch gerne einen Blick auf ihr iPhone werfen, wenn sie die Bilder runterscrollt, die sie aufnahm, während sie ihren Job machte. Grömmer ist nicht cool, aber sie hat laut Eigendefinition einen coolen Job: "Wer jettet sonst mit einem Privatjet durch die Gegend?"

Martina Grömmer, Medizinerin, 25, groß, lange blonde Haare, ist seit acht Monaten Koordinatorin der Transplant-Abteilung am Wiener AKH. Das iPhone, das sie sich privat, aber trotzdem für den Job gekauft hat, ist nur eines von zwei Mobiltelefonen, die sie im Dienst bei sich tragen muss, wobei sie dafür zu sorgen hat, dass der Klingelton gut hörbar und der Akku aufgeladen bleibt. Am Vortag, erzählt sie, hatte sie nur Beidienst, also Bereitschaftsdienst, als um 21 Uhr ihr Handy klingelte. Da stand die Lasagne, die sie zu Hause für Freunde gekocht hatte, noch nicht einmal auf dem Tisch.

Für den Einsatz, den sie lebhaft nacherzählt, musste Grömmer erst kurz vor Mitternacht ins AKH fahren, allerdings nach einer Menge an Telefonaten, die sie zwischendurch im Vorzimmer geführt hat - unter anderem mit der Koordinationsstelle im AKH, dem Spenderkrankenhaus in Deutschland, dem AKH-Flugdienst und der Intensivbettenabteilung. "Zu Mitternacht musste ich nur noch die Sachen nehmen und fliegen!"

Wie viel Zeit hat das Team?

Was Grömmer lapidar mit "die Sachen nehmen und fliegen" beschreibt, ist bei näherer Betrachtung ein komplexer, bis ins letzte Detail durchorganisierter Prozess, der trotzdem eine Menge an Überraschungen (allein durch die Wetterlage) in sich bergen kann. Die Einsätze, um ein Organ aus dem Ausland zu holen, passieren fast immer nachts, weil dann die Krankenhäuser, abseits des Tagesbetriebs, freie Ressourcen haben.

Hochbetrieb im neunten Stock

An diesem Abend sitzt Grömmers diensthabende Kollegin Maja Keplinger schon seit vielen Stunden am Schreibtisch im neunten Stock des AKH und arbeitet unter Hochdruck: Irgendwo ist gerade bei einem Menschen der Gehirntod eingetreten, seine Organe sind noch funktionstüchtig und könnten transplantiert werden. An diesem Abend sind es gleich drei Organe, die dem AKH - und anderen Transplant-Zentren - angeboten werden. Für einen Koordinator bedeutet das Hochbetrieb und eine Menge an zu beantwortenden Fragen für die Koordinatoren und die diensthabenden Chefs, sprich Chirurgen. Konkret etwa: Soll das AKH ein Angebot ablehnen oder annehmen? Gibt es einen geeigneten Empfänger? Wenn es mehrere gibt, wer hat Vorrang auf der Liste? - Verteilt wird nach Dringlichkeit, Wartezeit, Blutgruppen- und Gewebeeigenschaften und Größe bzw. Gewicht des Organs. Wie viel Zeit hat das Team, das Organ zu holen? Womit wird geholt? Per Auto? Helikopter? Oder Privatflugzeug? Ist der Empfänger im Haus? Muss man ihn holen lassen? Gibt es ein Bett auf der Intensivstation, um den Empfänger nach der OP betreuen zu können?

Die Nachricht per Telefon

Koordinatoren-Aufgabe ist es auch, jene Menschen, die oft seit Jahren auf der Warteliste stehen und auf ein passendes und lebensverlängerndes Spenderorgan hoffen, zu benachrichtigen. Die durchschnittliche Wartezeit liegt in Österreich bei ca. 20 Monaten. Die Reaktionen am Telefon auf die an sich frohe Botschaft sind so vielschichtig wie die einzelnen Krankheitsgeschichten der Patienten, sagt Grommer: "Sie reichen von 'Gott sei Dank!' bis 'Oh mein Gott!' oder auch sehr pragmatisch: 'Kann ich noch etwas essen?'"

Wahre Improvisationstalente

"Jeder Koordinator muss ein Improvisationstalent sein", sagt Andreas Zuckermann. Er muss es wissen. Der Mann hat selbst in den 90er-Jahren als einziger Herz-Koordinator am AKH bei dem seit kurzem pensionierten Ernst Wollner begonnen. Im Gegensatz zu früher gibt es heute sechs Koordinatoren am AKH, zwei für den Abdominalbereich (dazu zählen Nieren- und Lebertransplantationen), deren Leiter der Chef der AKH-Chirurgie Ferdinand Mühlbacher ist, und vier Koordinatoren für den Herz-Thorax-Bereich, sprich Herz und Lunge, denen Walter Klepetko und Andreas Zuckermann vorstehen.

Koordinatoren sind auch so etwas wie Ansprechpartner der lokalen Kliniken für die "Eurotransplant", so nennt sich die Stiftung mit Sitz in Leiden in den Niederlanden, die seit Jahren die Verteilung von Spenderorganen in Belgien, Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Slowenien, Kroatien und Österreich organisiert, immerhin ein Einzugsgebiet mit rund 124 Millionen Menschen. Sie betreibt ein 24-Stunden-Vermittlungsbüro, holt Angebote ein und schickt sie aus, erledigt die Wartelistenregistrierung, macht Gewebe- und Blutgruppentypisierungen und sammelt Transplantationsdaten.

An den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes

Das alles erklärt Andreas Zuckermann in Stakkato-Sätzen. Der 43-jährige Chirurg trägt den typischen weißen Kittel mit verwaschener AKH-Beschriftung auf der Brusttasche. Beim Telefonieren schaut er aus dem Fenster des kleinen Büros seiner Abteilung auf das gegenüberliegende AKH-Dach, auf dem er schon zigmal mit dem Helikopter gelandet ist, auch mit einem Organ im Gepäck. Heute ist es windstill, die Windhose hängt lasch am Mast herunter. "Ich bin eigentlich gar nicht im Dienst", sagt er. Aber, so Zuckermann, nicht nur die Chirurgen, auch die Koordinatoren stoßen hier öfters an die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes. Mit Bärtchen und zerzausten Haaren macht er den Eindruck eines unkonventionellen Chefs, den nicht viel aus dem Gleichgewicht bringen kann. Seine Kunst ist es auch, alle zwei Jahre neue nervenstarke Koordinatoren zu casten.

Leute, wie Martina Grömmer. Sie gehört zu den Frauen, die auch nach einer Nacht ohne Schlaf noch einen rosigen Teint haben, selbst unter den Neonröhren der AKH-Gänge. Wenn sich Koordinatoren auf die Reise machen, um Organspenden nach Wien zu holen, steht der Koffer samt OP-Besteck und die mit Eis gefüllten blauen Organboxen schon vorbereitet auf einem Metallwagen. Normalerweise ist es Koordinatorenarbeit, diesen Wagen bis zur Rettungswagenrampe auf Ebene 6 zu schieben. Für Grömmer schiebt ihn in dieser Nacht ein neuer Kollege, der gerade eingeschult wird, weil zwei Kollegen das Team bald verlassen werden.

Auf in den Jet

Das Team, das oft nur aus Koordinator und Chirurg besteht, ist heute zu viert: Grömmer, der Neue, ein Chirurg, und eine Praktikantin aus der Intensivstation. Vom AKH nach Schwechat geht es schnell um diese Zeit, weiß Grömmer, die vom Beifahrersitz aus die Tachonadel meist auf 180 km/h stehen sieht. Der Chirurg versucht hinten zu schlafen. "Chirurgen versuchen immer zu schlafen", sagt Grömmer bewundernd. Sie können das im Gegensatz zu ihr: zurücklehnen, Augen schließen, Kraft tanken. Wenn auch nur kurz. Nach exakt 17 Minuten steht der Wagen am Tor zum Flugfeld. Grömmer hat inzwischen per Handy ein gelbes "Follow me"-Auto bestellt. Nur am Tor müssen alle noch einmal kurz zum Security-Check aussteigen, bevor der Wagen bis zur Maschine vorfahren kann. Die Motoren laufen immer schon, wenn die Kisten und Koffer hinten verladen werden und das Transplant-Team den Sechssitzer-Jet besteigt. Anschnallen, Klappe zu und los. Zum Glück ist es nicht nebelig.

Spender unbekannt

Wohin genau die Maschine in dieser Nacht gestartet ist, das will Grömmer nicht sagen. Köln, München, Frankfurt? Im Grunde ist es unerheblich. Die Flüge innerhalb der Eurotransplant-Zone dauern rund eine Stunde, nicht länger. Wichtig ist lediglich, dass ein Organspendenempfänger nachher keinerlei Rückschlüsse auf Spender oder Spenderland ziehen kann. Und auch umgekehrt: die Angehörigen des verstorbenen Spenders nicht auf den Empfänger.

Auf den Transplant-Flügen gibt es immer Getränke, Brötchen, Obst und Süßigkeiten. Chirurgen essen meistens, bevor sie sich zurücklehnen, die Augen schließen und wieder einschlafen. Auch für Koordinatoren ist diese Stunde im Flieger eine Auszeit zum Runterkommen. Das Handy wird eine Stunde lang nicht mehr klingeln, bei Grömmer wird das iPhone zu einem iPod.

Auszeit zum Runterkommen

"Das sind keine 40-Stunden-Jobs", sagt Zuckermann und öffnet die Tür zum benachbarten Büro, das mit Aktenordnern und Papierstapeln vollgeräumt ist und sehr den Eindruck anstrengender Schreibtischjobs vermittelt. Der Eindruck täuscht. "Coolness under fire" müssten die haben, sagt Zuckermann und stellt sein Team vor. Keiner ist hier viel über 30. Je jünger die Mitarbeiter sind, desto besser können sie den Stress wegstecken. Grömmers persönlicher Rekord liegt bei 17 Stunden Schlaf zwischen Freitagfrüh und Mittwochnachmittag. Ähnliche Rekorde hat hier jeder - dunkle Ringe unter den Augen hingegen niemand.

Herausforderung fürs Privatleben

"Wir sind ein wirklich gutes Team!", sagt Axel Scheed, 29 Jahre und wie Maja Keplinger für die Lungenkoordination zuständig. Das macht einen harten Job zumindest ein bisschen weniger hart. Für das Privatleben ist der Job problematisch, das sagen hier alle. Zwei von vier Koordinatoren sind ständig im Dienst (von 7.30 Uhr bis 7.30 Uhr). Das heißt jeder hat jeden zweiten Tag Bereitschaft und zwei Wochenenddienste pro Monat, von Freitag 7.30 Uhr bis Montag 7.30 Uhr, manchmal ohne eine Stunde Schlaf. Verlängerte Wochenenden im Grünen? Fehlanzeige. Einfach so ins Kino gehen? Vorsicht, das Handy muss im Dienst immer empfangsbereit sein. Und ungestörte Abendessen mit Freunden sind möglich, aber eben nur solange das Handy nicht läutet. Und Alkohol? "Man muss schon sehr vernünftig leben", sagt Stephane Mahr: "Wer diesen Job macht, ist ein Adrenalinjunkie!"

Mahr, blond, coole Stahlbrillen und Metalluhr am Handgelenk. Mit seinem Charme zwischen Draufgänger und Paradeschwiegersohn kommt der 31-Jährige dem typischen Jungmedizinerklischee recht nahe. Niemand hier hat Flugangst, sagt er, aber alle haben sich auf Flügen schon extrem gefürchtet. Mahr ist bereits seit 2006 Koordinator und hat auch nach zwei Jahren noch nicht genug von diesem Job. Im Gegenteil: Er würde gerne bleiben, aber die Koordinatorenverträge werden von der Stadt Wien nicht verlängert. Ein Manko, findet auch sein Chef Andreas Zuckermann. Klar will Mahr einmal Chirurg werden.

Wenn eine Maschine am Zielflughafen landet, beginnt sich der Prozess im Rückwärtsgang abzuspulen: raus aus der Maschine, rein ins Rettungsauto, ab zum Krankenhaus. Meist begleitet ein Sanitäter das Transplant-Team direkt in den OP. Grömmer beschreibt trocken, was dann folgt: Reingehen, Hallo sagen, den Koffer mit dem OP-Besteck übergeben. Das Team macht sich steril, der Chirurg bekommt einen Mundschutz, OP-Mantel und Handschuhe und stellt sich an den Tisch. "Wir gehen jetzt an den Tisch!", Koordinatoren müssen per Handy immer im Kontakt mit der OP-Leitstelle in Wien bleiben.

Stunden zählen

"Last in, first out", beschreibt Stephane Mahr das Vorgehen der Herzchirurgen im Fachjargon. Heißt: Wenn die Herzleute kommen, waren die Bauchleute schon da, haben den Hauptschnitt gemacht, sich zu den Organen durchpräpariert. Mahr: "Dann gehen die Herzleute an den Tisch und hauen auch gleich als Erste wieder ab!" Nieren und Leber müssen warten. Das hat Gründe: Eine Niere kann 20 Stunden außerhalb des Körpers sein und noch transplantiert werden, bei einer Lunge sind es sieben Stunden. Beim Herzen nur vier.

Bei ihrer ersten Transplantation war Grömmers Blutdruck weit über der Norm, als Medizinerin konnte sie ihn sich selbst messen. Aber nicht, weil sie eine Operation am offenen Herzen schockiert hätte (als Studentin hatte sie Ähnliches schon gesehen), sondern weil sie Angst hatte, als Koordinatorin an etwas Wichtiges nicht gedacht zu haben. "Der Eingriff selbst ist nicht schön", gibt selbst der Chirurg Andreas Zuckermann zu und bringt die Sache, um die es hier geht, hart auf den Punkt: Um eine Operation an einer Leiche mit schlagendem Herzen. Im Gegensatz zu Nierentransplantationen gibt es für ein Herz selbstredend keine Lebendspender.

Heikles Thema

Der Transplant-Spezialist weiß, dass beim Thema Transplantation die Reaktionen weit auseinandergehen: Vom Jubel über medizinische Wunder bis hin zu extremer Ablehnung aus ethischen Gründen. "Wenn so ein Tod überhaupt etwas bringt, dann einem Empfänger!", ist er berufsbedingt überzeugt. Im Gegensatz zum immer noch vorherrschenden Klischee, dass es sich bei potenziellen Spendern um motorradfahrende Unfallopfer handelt, ist es hauptsächlich der medizinische Umstand des Gehirntods, der eine Transplantation möglich macht. Beim Gehirntod gibt es eine Schwebezeit von sechs Stunden, erklärt Zuckermann weiter. Erst nach diesem Zeitpunkt darf eine Transplantation durchgeführt werden.

In Österreich wurde eine gesetzliche Widerspruchslösung geschaffen (die auch in Spanien, Portugal, Ungarn, Tschechien, Slowenien und in der Slowakei gilt). Heißt: Wer nicht zu Lebzeiten seinen Widerspruch zu einer Organentnahme dokumentiert hat, dessen Organe dürfen entnommen werden. Angehörige haben dann, wie etwa jetzt noch in Deutschland und in der Schweiz keine Entscheidungsgewalt mehr. Im Gegensatz zu den Herz-Thorax-Koordinatoren haben die Bauchkoordinatoren manchmal mit Angehörigen der versterbenden Spender zu tun und müssen hier einfühlsam vorgehen.

Organfreigabe

"Es ist wunderschön gelaufen", erzählt Grömmer am Tag nach ihrem Einsatz. "Wunderschön" heißt in diesem Fall: Der Herzbeutel wurde geöffnet, damit der Chirurg die Durchgänge zum Spülen legen konnte. Dann wird die Aorta abgeklemmt. "Dann geben wir Gas!", sagt Grömmer. Das Organ wird herauspräpariert, beim Herzen dauert das nicht länger als fünf Minuten. Der Chirurg geht zum sogenannten Backtable und legt das Herz, das jetzt nichts anderes mehr ist als ein schlaffer Muskel, in eine Schüssel mit Flüssigkeit, um es noch einmal auf mögliche Pathologien zu untersuchen.

Der Moment, der dann folgt, ist am wichtigsten, vor allem für den Empfänger, der am Wiener AKH auf sein neues Organ wartet. Entweder der Chirurg gibt das Organ frei oder nicht. Immer wieder kann es vorkommen, dass ein Team mit leerer Organkiste nach Hause fliegen muss. In diesem Fall aber geht Grömmer kurz raus und wählt noch einmal die Nummer des Wiener AKH und darf den wichtigen Satz sagen: "Wir geben das Herz okay!" Dann wird es umständlich verpackt, in einem Beutel mit Flüssigkeit. Fünf Liter wiegt es, wenn alles in eine der Styroporkisten gelegt wird. Koordinatoren müssen auch Aortenklammern und OP-Besteck wieder einsammeln - alles, was nicht entsorgt wird. OP-Equipment ist teuer. Wenn nachher etwas fehlt, gibt es Schelte für den Koordinator.

Zurück mit dem Organ

Auf dem Rückflug nach Wien wird geschlafen. Im Sommer sieht man in der kleinen Maschine oft die Sonne aufgehen. Aber im Herbst ist es um 6.30 Uhr, als die Truppe wieder in Wien-Schwechat landet, noch dunkel. "Wir sind da!", gibt Martina wieder kurz per Handy durch. Zurück im AKH, geht es sofort in den OP, der Empfänger ist bereits vorbereitet. Als Koordinator kommt man noch kurz mit und muss dem Wiener Operateur den Blutgruppenschein des Spenders und den Blutgruppenschein des zukünftigen Empfängers - immer gleichzeitig - zeigen. Zu den Koordinatorenaufgaben gehört es auch, noch am Spender einen sogenannten "Bedside"-Test gemacht zu haben, damit man bei den Blutgruppen sichergehen kann.

Eine Frage der Zeit

Herztransplantationen können viele Stunden dauern. Ob es einem frisch transplantierten Patienten langfristig gut geht, kann erst die Zeit sagen. Es gibt Umfragen, nach denen 98 Prozent der Transplantierten angeben, sich wieder operieren zu lassen.

In einem Jahr werden am Wiener AKH mittlerweile rund 35 Herzen, 70 Lungen, 60 Lebern und 150 Nieren transplantiert. Davon sind in den vergangenen fünf Jahren die Transplantationen (die nicht die Nieren betroffen haben, dort sind die Ergebnisse noch besser), zu 85 bis 90 Prozent gut ausgegangen, gab Transplant-Chef Mühlbacher, anlässlich einer Pressekonferenz im Oktober, zu Protokoll. Auf Eurotransplant-Ebene sind die Zahlen noch imposanter: Zwischen 1967 und 2007 wurden rund 14.000 Herzen, 4000 Lungen, 79.000 Nieren und 21.000 Lebern transplantiert.

Nachbesprechung am Morgen

Nach ihrem nächtlichen Ausflug sitzt Martina wieder am Schreibtisch im Büro und wartet auf die Morgenbesprechung um 7.30 Uhr. Dort wird auch die gestrige Nacht besprochen: Kollegin Maja musste die erste Transplantation aus organischen Gründen absagen, die zweite Koordination einer Lunge hat sie um sechs Uhr früh an den Kollegen Mahr abgegeben. In der Währinger Straße sind zwei Johanniter-Wagen aneinander vorbeigerast, erzählt Grömmer mit breitem Lächeln - einer, ihrer, in Richtung AKH mit einem Herzen in der Box, der andere, der von Mahr, in Richtung Schwechat, um eine Lunge zu holen.

Job mit Coolness-Faktor

"Manchmal verlieren wir auch Patienten auf der Warteliste", sagt die Transplant-Koordinatorin unvermittelt am Ende des Gesprächs in der Cafeteria. Laut Statistiken sind das etwa 20 Prozent, in Österreich sind das alleine 150 Menschen im Jahr. Untertags telefonieren die Koordinatoren viel mit Patienten, machen Vorbereitung und Nachbetreuung. Für Patienten sind die Koordinatoren wichtige Kontaktpersonen, vor und nach dem Eingriff. Zu Grömmer hat einmal einer gesagt: "Sie haben mir das Leben gerettet!" Obwohl das so nicht stimmt, sind das die Momente, die einen alle Anstrengungen vergessen lassen, aber auch die Tatsache, dass dieser Job ausschließlich einer mit Coolness-Faktor ist. (Mia Eidlhuber, DER STANDARD, Printausgabe, Album, 31.10./1.2.11.2008)