James Blunt in der Wiener Stadthalle.

Foto: Fischer

Wien - Freude oder Trauer, Glück oder Unglück, Liebe oder Schmerz. Was oft vergessen wird: Musik ist ein ideales Transportmittel, um ohne den Umweg der lästigen Reflexion in unsere Herzen vorzudringen. Sie dient den Starken als Stärkung - und den Schwachen als Trost.

Letzterer, und dafür steht James Blunt heute in der Wiener Stadthalle auf der Bühne, scheint notwendiger denn je. Es geht nach unten, Darling. Und es geht dabei nicht nur um die Wirtschaft, du Dummchen.

Der britische Songwriter mit einer Vergangenheit als Berufssoldat im Kosovo will allerdings mit seiner an die freundliche Beschwichtigungskunst eines Cat Stevens erinnernden, durch und durch humanen Sichtung von Musik als Dichtungsschutz vor einem Meer der Tränen das Publikum nicht bloß hinunterziehen. Dorthin, wo das irdische Jammertal dann so breit wie tief ist, dass man daraus wieder locker und geschnäuzt auf einer befestigten Bergstraße hervorkommt.

Vor gut 9000 geneigten Besuchern packte der in einem viel zu weiten Anzug steckende 32-jährige Schwiegermuttertyp mit einem zielgruppenverbundenen, leutseligen Wischmopp als Frisur zwischendurch auch auf einer Hebebühne in der Saalmitte nicht nur Unerwartetes wie eine Coverversion des alten proletarischen Glamrock-Haderns Coz I Love You von Slade aus.

Beim mit massiver Publikumsunterstützung angestimmten You're Beautiful, jenem mit einem entsprechend geschmackvollen Suizidvideo behübschten Hit globaler Flächendeckung, sorgte er dann auch für jene traumselige Innerlichkeit, wegen der er international mit seinen Alben aus dem Vollen schöpfen kann.

Unterstützt von diversen auf Podesten beigestellten Musikern, hängt James Blunt sich selbst dabei 90 Minuten nicht unbedingt an die große Glocke. Er ist nur ein freundlicher junger Mann mit ein paar durchwegs als angenehm zu empfindenden, grundsätzlich in Moll-Akkorden flauschig-pathetisch angerührten Balladen. Wo Melodien und Herzenswärme - und zwischendurch auch klug wie sanft psychedelisch aufgeladene Kleinode - zu finden sind, die die Musik über die gängige Durchschnittskost erheben, macht sich zwar die Euphorie nur selten breit. Mit Ausnahme von You're Beautiful bleibt es deshalb relativ still im Saal. Dankbarkeit spielt allerdings in diesem Zusammenhang eine entscheidendere Rolle.

Andere sanfte Gassenhauer wie High oder Goodbye My Lover klingen auch nicht schlechter als jene der ungemein höher geachteten Coldplay. Kitsch auf krisensicherem Niveau. Wie formulierte es Paul Gerhardt 1653 in einem berühmten Kirchenlied: "Du bist, wie du bist: Schön sind deine Namen. Halleluja. Amen." (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.10.2008)