Im Norden Ankaras ersetzen Hochhäuser illegale Slums.

Standard/Milkovic

Gar nicht im Stil Holzmeisters, der das Parlament entwarf.

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Seit wenigen Tagen hat Ankara eine Straße, die nach einem Österreicher benannt ist: die "Clemens Holzmeister Cadessi", die Clemens-Holzmeister-Straße. Der Vater der modernen Türkei, Kemal Atatürk, hatte den Architekten 1927 nach Ankara eingeladen, um die neue türkische Hauptstadt zu gestalten.

Holzmeister zeichnet für die repräsentativen Gebäude der Vier-Millionen-Metropole, die sie heute ist, verantwortlich. Zu den Bauten zählen das türkische Parlament, das Kriegsministerium oder auch die österreichische Botschaft am Atatürk Bulvari in Ankara-Kücükesat. Nachdem Holzmeister 1938 aus Österreich vertrieben worden war, lebte er während des Zweiten Weltkriegs abwechselnd in Ankara und in Istanbul.

Neue Ära der Stadtplanung

Die Wohnbauten, die derzeit in Ankara entstehen, tragen einen weniger klingenden Namen: Toki. Toki ist die staatliche Wohnbaugesellschaft. Und an Aufträgen mangelt es ihr nicht. Denn rund um die Stadt entstehen auf sehr großen Flächen Stadtteile, die dem rasanten Wachstum der Stadt gerecht werden sollen. In den kommenden Jahren rechnet die Stadtverwaltung damit, dass die Bevölkerung auf fünf Millionen Einwohner anwachsen wird.

Jährlich ziehen 100.000 Menschen in die Hauptstadt

Als Atatürk die Staatsmacht aus strategischen Gründen 1923 von Istanbul nach Ankara verlegte, hatte die Stadt nicht einmal 80.000 Einwohner. Seit damals ziehen jährlich mehrere 100.000 Menschen in die Hauptstadt. Die Zuwanderer kommen hauptsächlich aus den ländlichen Gebieten der Türkei. Im Vergleich ziehen laut Wiener Planungsstadtrat Rudi Schicker, der mit einer Delegation in Ankara war, jährlich etwa 15.000 Menschen nach Wien.

Neue Wohnungen

Die Stadtverwaltung Ankaras versucht der Landflucht mit Wohnungen gerecht zu werden. Denn ursprünglich haben die Zuwanderer in Hütten gewohnt, die sie illegal bauten - auf Land, das sie sich einfach genommen hatten. Politiker tolerierten und legalisierten die Vorgehensweise aus einem einfachen Grund: Sie brauchten Wählerstimmen. Doch seit mehreren Jahren lässt man die "Gecekondu", die Slum-Bauten, abreißen - und Hochhäuser stattdessen entstehen. Jemand, der beispielsweise 200 Quadratmeter Land hatte, bekommt eine 80 Quadratmeter große Wohnung in einem der neuen Stadtteile.

Soziale Durchmischung

Ein neuer Stadtteil entsteht im Norden Ankaras. Auf vier Millionen Quadratmeter werden aus 6000 illegalen Bauten 18.000 Wohnungen, darunter auch Luxushäuser, um für die soziale Durchmischung zu sorgen. Mit eingeplant sind neben einer Schule, einem Kindergarten und Einkaufszentren auch Parks und ein See. Ob die Durchmischung gelingt, ist fraglich. Denn ein ähnlicher Stadtteil steht schon am Stadtrand Ankaras. Dort haben ehemalige Gecekondu-Bewohner ihre Wohnungen verkauft und sind in ärmere Stadtviertel gezogen. Ankara bekämpft sozial Probleme mit Projekten: An ein Viertel der Einwohner, die unter der Armutsgrenze leben, verteilt man Essens- und Kohlepakete. Die Arbeitslosenrate liegt bei zehn, inoffiziell bei zwanzig Prozent.

Armut und Soziales, das werden laut der österreichischen Botschafterin Heidemaria Gürer auch Wahlkampfthemen sein. In Ankara finden im Frühjahr 2009 Kommunalwahlen statt. "Es ist wahrscheinlich, dass die Regierungspartei AKP gewinnen wird." (Marijana Miljkovic aus Ankara, DER STANDARD Printausgabe, 29.10.2008)