Kardinal Christoph Schönborn mit dem iranischen Expräsidenten und Festredner Mohammed Khatami in der Akademie der Wissenschaften.

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Bsteh: Hauptthema Gerechtigkeit.

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Wien - Als "Bekenntnis der Öffentlichkeit" zu seiner Arbeit konnte Andreas Bsteh die Anwesenheit von Bundespräsident Heinz Fischer und Wissenschaftsminister Johannes Hahn interpretieren: Ein offizieller Festakt in der Akademie der Wissenschaften würdigte am Samstag "35 Jahre Dialoginitiativen" des Religionstheologischen Instituts St. Gabriel in Mödling, für die der Name Bsteh ein Synonym ist. Dieses öffentliche Bekenntnis ist spektakulärer, als es klingt, ist eine von Bstehs Dialogschienen doch eine iranisch-österreichische: Sie brachte als Festredner den früheren iranischen Präsidenten Mohammed Khatami nach Wien - und eine kleine Gruppe von Demonstranten zum Veranstaltungsort.

Die österreichischen katholisch-schiitischen Gespräche laufen seit 1995, den 75-jährigen Pater Bsteh, heute Leiter von St. Gabriel, begleitete der Dialog sein Leben lang. Ab Mitte der 1970er-Jahre wurden die Gespräche mit anderen Religionen (auch Hinduismus, Buddhismus) in Studientagungen formalisiert; auf Initiative von Außenminister Alois Mock (der nicht zum Festakt kam, aber kurz mit Khatami zusammentraf) starteten dann ab 1993 große Internationale Christlich-Islamische Dialogkonferenzen in Wien.

Aus der Auswertung aller Konferenzgespräche - in die Christen und Muslime aus verschiedenen Fachbereichen, nicht nur der Theologie, und aus der ganzen Welt eingebunden sind - entstanden "Zehn Thesen" , die beim Festakt der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, zehn Punkte, "ohne die wir uns einen Frieden in der Welt nicht vorstellen können" , so Bsteh.

"Letztlich hat sich als Kernproblem die soziale Ungerechtigkeit herausgebildet" , sagt Bsteh, der im Gespräch mit dem Standard an die "Grundbotschaft aller Propheten" erinnert: "Ich will eure Opfer nicht. Ich will Gerechtigkeit." Die erste These lautet denn auch "Kein Friede ohne Gerechtigkeit - kein Gerechtigkeit ohne Friede" .

Das Dialogresümee Bstehs - der sich vor Jahren bewusst für Gespräche mit dem islamischen Mainstream entschieden hat, nicht am "Rand des Spektrums" - fällt in eine Zeit, in der es im Westen gerade wieder hoffähig wird, eine Religion, eben den Islam, als solche anzugreifen. Bsteh ortet eine "verständliche Verunsicherung" : Die heutige Welt stelle Aufgaben, die völlig neu seien, ein Zusammenleben in dieser Form habe es früher nicht gegeben. Für den sinnvollen Dialog selbst sieht er als den entscheidenden Punkt, wenn jeweils die "eigenen Schwächen und Verlegenheiten" beim Namen genannt werden. Alle müssten "aufhören mit der apologetischen Tonart" . Und es sei "unerträglich, dass nur wir als Christen Vernunft haben sollen" .

Bsteh selbst wird sich aus dem zukünftigen Konferenzgeschehen zurückziehen: Jede der großen Konferenzen brauche ein Jahr Vorbereitungs- und zwei Jahre Auswertungszeit, das müsse man sich in seinem Alter überlegen. Mithilfe der österreichischen Regierung wird es jedoch weitergehen: Heuer hat als Fortsetzung der breiten Dialogschiene die erste "Vienna International Christian-Islamic Summer University" in Stift Altenburg stattgefunden, die auch fürs nächste Jahr gesichert ist.

Der religiöse iranisch-österreichische Dialog - im Mai fand, von der Öffentlichkeit unbeachtet, eine Hermeneutik-Konferenz statt - soll in Zukunft an der Akademie der Wissenschaften angesiedelt werden, eventuell ausgeweitet auf kulturwissenschaftliche Themen. Am Samstagnachmittag stattete Khatami dem Institut für Iranistik einen ausgiebigen Besuch ab, um mit dessen Direktor Bert Fragner (die beiden kennen sich seit Jahren) erste Dinge zu besprechen.

Khatami im Iranistikinstitut

Khatami ließ sich von den Mitarbeitern auch ausführlich über die wissenschaftlichen Projekte des Instituts unterrichten und war dabei in seinem Element. Der Expräsident hält sich nach wie vor zur Frage bedeckt, ob er 2009 bei den Wahlen im Iran gegen Mahmud Ahmadi-Nejad antritt.

Obwohl er nicht mehr "drauflosplanen" will, hat auch Bsteh noch eigene Pläne: Zuerst muss einmal die vergangene Iran-Konferenz ausgewertet und publiziert werden (stets auch auf Persisch und Arabisch). Und er will gleichzeitig ein "Wörterbuch des Dialogs" starten: Die Begriffe müssen "nach ihren inneren Schichten" durchleuchtet werden, sonst könne der Dialog sogar gefährlich sein, weil er verdecke, dass "sogar unter dem Begriff Mensch jeder etwas anderes versteht" . Pro Jahr sollen fünf Begriffe bearbeitet werden, und die ersten vier stehen fest: Mensch, Gott, Religion, Gesellschaft. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 27.10.2008)