Oliver Voss, Kreativ­geschäftsführer von Jung von Matt/Alster: "Man spürt eine regelrechte Gier nach Online - bei Kreativen, Kunden, überall."

Foto: Jung von Matt

Über vier Millionen mal sang Matthias Reim auf Bild.de "Verdammt, ich hab nix, ich miet' bei Sixt, verdammt ich brauch nichts, es gibt ja Sixt". Der deutsche Autovermieter fuhr mit diesem Online-Spot die erfolgreichste Sommer-Cabriokampagne nach Hause, erzählt Wolf Heumann von Jung von Matt, Erfinder des Spots. Oliver Voss, der Kreativgeschäftsführer und Vorstand von Jung von Matt in Hamburg, befragte die Macher von erfolgreichen Virals zu Idee und Hintergrund ihrer Kampagnen, "Die Stars hinter den Online-Stars" nannte er sein Video, zu sehen ist es auf olivervoss.com.

Neben Heumann kommen dort auch Till Eckel, Kreativdirektor bei Heimat Berlin und Macher von Ron Hammer (Hornbach), Nike-Marketingleiter Stefan Olander zum Ronaldinho-Spot "Touch of Gold" und Stefan Schulte gemeinsam mit Ludwig Berdl von DDB Berlin zur Horst Schlaemmer-Kampagne für VW zu Wort. Alle Spots finden Sie links zum Ansehen.

"Werbebranche umkrempeln"

Und wo sieht Voss die Chancen und Vorteile durch Online-Werbung? "Man kann im Netz - zum ersten Mal in der Geschichte der Werbung - das Mediabudget ignorieren. Wenn man die Werbung oder Kommunikation so interessant gestaltet, dass die Leute sie sehen wollen, kommen sie auf unsere Websites oder klicken unsere Filme an, ohne dass wir dafür Mediageld in die Hand nehmen müssen. Das wird meines Erachtens nach die Werbebranche umkrempeln", meint Oliver Voss gegenüber etat.at, "wir werden viel redaktioneller arbeiten, über Inhalte nachdenken und darüber, wie man Konsumenten begeistern kann statt ihnen - wie die letzten hundert Jahre - im gekauften Werbeplatz Botschaften die Kehle runterzuwürgen".

"Jeder Kreative, der hier nicht das Potenzial erkennt, schläft"

Der Stellenwert für Online-Werbung sei bei den Kreativen jetzt schon hoch, "die Budgets steigen und steigen. Täglich werden 100 Millionen Beiträge auf YouTube abgerufen. Jeder Kreative, der hier nicht das Potenzial erkennt, schläft." Voss: "Man spürt eine regelrechte Gier nach Online - bei Kreativen, Kunden, überall."

Oliver Voss ist neben seinem Job bei Jung von Matt/Hamburg auch Leiter und Gründer der Miami Ad School Hamburg, auch dort spielt Online-Werbung eine immer größer werdende Rolle. "Als wir vor fünf Jahren starteten, war Online als Thema nur Teil einiger Kurse. Inzwischen belegen die Schüler mehrere Onlinekurse als Pflichtfach."

Dünn gesät

Sensationelle Beispiele für Kreative Werbung im Netz seien dünn gesät, wie aber auch in Print oder TV, wie er betont. "Es ist einfach so, dass die herausragenden Werbebeispiele in allen Medien eher selten sind. Umso erfreulicher ist es für die Konsumenten auf sie zu stoßen."

Als Bespiel für tolle Online-Werbung nennt Voss Arbeiten von Wieden & Kennedy Shanghai, "hier werden für Nike Show-Formate produziert, die man einfach sehen muss. Ob es die landesweite Bewerbung für eine Trainerstunde mit Kobe ist (einem der besten Basketballer der NBA) oder eine Dokumentation über einen chinesischen Gold-Olympioniken aus den 70ern. Das sind Inhalte, die so spannend sind wie TV-Shows - und deshalb millionenfach gesehen werden."

"Alles, was spannend ist, wird herausragen. Alles andere floppt"

Freilich ist auch seine Agentur mit Vorurteilen gegenüber Online-Werbung seitens der Kunden konfrontiert "zum Beispiel, dass Online-Werbung nichts kostet. Dass die Mediakosten nahezu entfallen, bedeutet ja nicht, dass auch die Produktion von Inhalten nichts kostet. Im Gegenteil, sie muss umso spannender und damit teurer sein, je mehr man die Leute dazu bringen will von selbst unsere Inhalte anzuklicken". Es sei wie im Fernsehen, "ein mega-aufwändiger Hollywoodstreifen oder eine teure Unterhaltungshow hat bessere Quoten als eine billig gemachte Produktion, die ohne kreative Talente gemacht ist und auf gute sprich teure Schauspieler verzichtet."

Voss: "Howard Gossage, der Werbepapst der 60er, hat mal gesagt: "People don't watch advertising. They only watch what they are interested in. And sometimes it's an ad.' Dieser Spruch gilt auch für die Online-Werbung. Alles, was spannend ist, wird herausragen. Alles andere floppt." (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 2.11.2008)