V.l.n.r: Helge Fahrnberger (helge.at), Thomas Holzhuber (Holzhuber Impaction), Christoph Chorherr (Grüne), Karin Hammer (IAB-Präsidentin), Martin Staudinger (Werbeplanung), Niko Alm (Super Fi), Gerhard Loub (ÖVP) und Manfred Lamplmair (Junge Rote).

Foto: IAB

User schickten Vorschläge für Sujets der Grünen.

Foto: Grüne

Heide Schmidt betätigte sich als Bloggerin.

Christoph Chorherr bloggt nicht nur in Wahlkampfzeiten.

Die Community-Plattform der SPÖ neuepolitik.at.

Molterer bzw. ein ÖVP-Mitarbeiter war auf Twitter aktiv.

"Der einzige Misserfolg des Internet-Wahlkampfes war, dass jene Parteien, die gar nichts im Web gemacht haben, als Sieger hervorgegangen sind", bilanziert Christoph Chorherr von den Grünen. FPÖ und BZÖ hätten mit ihren Netzwerken des "realen Stammtisches" gewonnen. Noch, denn langfristig werde den beiden Rechtsparteien ihre Web-Passivität auf den Kopf fallen, ist Chorherr überzeugt, dass der Weg zum Erfolg à la longue übers Internet führen wird. Schon am ersten Tag nach der Wahl seien aber beinahe alle Online-Aktivitäten der Parteien "versandet", kritisiert Blogger Helge Fahrnberger bei einer vom IAB (Internet Adverstising Bureau) veranstalteten Podiumsdiskussion zum Thema "Internet - die erste Wahl".

User-Plakate bei den Grünen

Bei Barack Obama sei das schließlich auch nicht von einem Tag auf den anderen gegangen. Der US-Präsidentschaftskandidat habe schon vor drei Jahren seine Mobilisierungsmaschinerie im Netz in Gang gesetzt und kann jetzt die Früchte ernten. Wirkliche Lichtblicke im Grau des vergangenen Wahlkampfes kann Fahrnberger nur bei den Liberalen und den Grünen orten. Ein gutes Beispiel für Social Media sieht er in der Kampagne für die Wahlplakate der Grünen, wo User Sujets kreiert haben. Insgesamt wurden 190 Vorschläge eingereicht. Die Abstimmung fand dann auf derStandard.at statt. Die vier ersten Plakate wurden affichiert. "Um die 50.000 Leute haben sich mit diesen Plakaten befasst", sagt Fahrnberger und lobt den partizipativen Charakter der Aktion.

LIF investierte 450.000 Euro

"Der nächste Wahlkampf beginnt jetzt", sagt Niko Alm von Super-Fi. Jener Agentur, die für die Werbekampagne und die Mediaplanung der Grünen verantwortlich zeichnete. Alm betont, dass die Grünen 20 Prozent des gesamten Wahlkampbudgets in Online-Werbung investiert haben. "Mehr als bei der Wahl im Jahr 2006." Nur das Liberale Forum hat noch mehr, nämlich ein Drittel der Werbespendings, in Internet-Reklame gesteckt. Basierend auf den Focus-Zahlen handelt es sich dabei um 450.000 Euro brutto, berichtet Martin Staudinger von werbeplanung.at. Bei den Grünen waren es 200.000 Euro.

Summen, mit denen man durchaus so etwas wie "Zusatzöffentlichkeiten" aufbauen kann, meint Helge Fahrnberger: "Wenn schon großen Medien wie der ORF Faymann, Molterer und Haider-Festspiele veranstaltet haben, dann muss man sich als kleinere Partei andere Kanäle suchen." Online-Aktivitäten seien da als Wahlkampf-Instrument prädestiniert. Vor allem, wenn es um Jungwähler gehe.

120.000 Unique User für Schmidts Blog

"Die Liberalen hatten das Problem, dass sie in den letzten vier Jahren einfach nicht mehr präsent waren", sagt Thomas Holzhuber, der mit seiner Agentur "Holzhuber Impaction" den Wahlkampf des LIF gemanagt hat. "Jede Partei sollte mindestens ein Drittel ihres Budgets in Online-Werbung investieren", rät Holzhuber und erzählt von den kleinen Erfolgen im Internet, die aber nicht zum Großen, dem Einzug ins Parlament, gereicht haben.

Zentrales Element des Wahlkampfes war ein Blog von Heide Schmidt. Die liberale Spitzenkandidatin habe 20 Beiträge geschrieben. Nach jedem Artikel wurden sofort Google-Kampagnen initiiert. Auf diese Weise habe man "120.000 Unique User in vier Wochen" erreicht und 1.600 User-Kommentare zu den Einträgen generiert, resümiert Holzhuber. Das habe sich ausgezahlt, auch wenn Heide Schmidt mit einem "Internet-Crashkurs" erst online-fit gemacht werden musste.

Word-Branding als neue Werbeform

Aufgrund der tollen Zugriffszahlen werde der Blog weitergeführt. "Gerade läuft dort die Diskussion, ob und in welcher Form das Liberale Forum weiterhin existieren soll", so Holzhuber. Eine weitere Innovation sei das Word-Branding auf derStandard.at gewesen. Im Rahmen der Werbung wurden in Artikeln Worte wie "Zukunft" oder "Fairness" gelb markiert und zur Homepage der Liberalen verlinkt. "20.000 Unique User, die im Schnitt zwei bis drei Seiten angeklickt haben", konnten so mit den Botschaften der Liberalen konfrontiert werden.

Online-Werbung habe gegenüber statischen Werbeformen den großen Vorteil, dass sie schnell adaptierbar sei. "Wir haben Banner in einem Rhythmus von einer halben Stunde gewechselt", sagt Holzhuber. "Die Botschaften der Anzeigen wurden an die jeweils gerade aktuelle Diskussion angepasst." Via CMS-System konnten die Inhalte sofort modifiziert werden. Trotz und nicht wegen der Werbekampagne habe es für Liberalen nicht gereicht. "Leider", bedauert er.

SPÖ machte 80.000 Euro locker

Das Internet als "Partizipationsmedium" sieht auch Manfred Lamplmair, der den Web-Wahlkampf der SPÖ organisiert hat. Rund zwei Prozent der roten Werbeausgaben (80.000 Euro) sind in Onlineaktivitäten geflossen. Teil des Wahlkampfs der Sozialdemokraten waren zum Beispiel Fotos auf Flickr oder Videobotschaften auf YouTube. Die Plattform neuepolitik.at wurde ins Netz gestellt. Dort konnten User Fotos und Videos raufladen, Politiker präsentierten sich via Blogs. Weiters wurde Jungpolitikerin Laura Rudas über die Portale Facebook und StudiVZ in Szene gesetzt.

Mehr Budget für Online-Kampagnen

Lamplmair räumt ein, dass die SPÖ bei ihren Online-Kampagnen noch viel Luft nach oben habe. Man werde die Initiativen aber sukzessive forcieren, betont er. Um eine ordentliche Community aufzubauen, sollen die Portale weiterbetreut werden. "Beim nächsten Mal möchte ich auch mehr Budget für online bekommen", fordert er eine Umschichtung der Werbespendings.

Dass die Bemühungen der Großparteien in Sachen Internet noch in den Kinderschuhen stecken, konstatiert auch Helge Fahrnberger: "Im Prinzip wurden nur Handynummern abgegrast, damit die Laura Rudas jedem am Wahltag ein SMS schicken kann." Detto bei der ÖVP, die in etwa gleich viel wie die SPÖ in ihren Online-Wahlkampf investiert hat.

Molterer auf ungewohntem Terrain

Spitzenkandidat Molterer hat sich ähnlich wie SPÖ-Pendant Faymann über seine Homepage, via YouTube und Flickr präsentiert. Weiters versuchte der ÖVP-Chef, über den Mikro-Blogging-Dienst Twitter mit potenziellen Wählern zu interagieren. Molterers Kurzbotschaften lauteten etwa: "Unterwegs von radtstadt nach bad ischl, danach ins Bett. Morgen geht's sehr früh weiter!" Rund 100 "Follower" - wie Freunde in der Sprache der Twitter heißen - konnte er mit Mitteilungen wie "Jetzt triffst du mich beim Rupertikirtag in Salzburg" verbuchen.

ÖVP-Chef bekam Gehilfen

"Jemand hat für Molterer eingetippt", gibt Gerhard Lob, Leiter der Webredaktion der ÖVP, zu. "Wir hatten einen eigenen Mitarbeiter, der fast durchgehend bei ihm war." Dabei habe es auch den einen oder anderen Fauxpas gegeben. Zum Beispiel ist genau in dem Moment ein Twitter-Beitrag erschienen als Molterer eigentlich eine Rede im Parlament gehalten hat. "Es war ein Experiment, wo wir uns mehr getraut haben als sonst", sagt Loub. Foren sieht er prinzipiell als Bereicherung: "Es hat aber auch Kritik gegeben, dass wir uns auf unseren eigenen Seiten kritisieren lassen." In Zukunft sollen Online-Aktivitäten in der Volkspartei eine noch viel größere Rolle spielen. Anleihen könne man sich da etwa bei den Grünen holen.

Besser als Diskussion in Gremien

"Man sollte nicht im Wahlkampf mit etwas beginnen, mit dem man nichts anfangen kann", kommentiert Christoph Chorherr Molterers Gehversuche im Reich der Twitter. Der Grüne hat aber auch an seiner eigenen Partei einiges zu kritisieren: "Wir sind strukturell alt geworden." Der Parteiapparat verstehe mehrheitlich das Potenzial von Social Media nicht und sehe es zum Teil sogar als "Bedrohung". Über den Blog, wo Chorherr auch mit Videobotschaften gearbeitet hat, habe er von Usern "hochqualifizierte Kommentare" zur Wahl erhalten. Dieses Feedback sei viel sinnvoller als die Diskussionen in den Parteigremien.

Langfristige Strategie

"Das Wesentliche am Internet ist der Dialog", schwärmt der Blogger. Alle relevanten Leute in der Parteispitze müssten begreifen, welche Möglichkeiten der Partizipation das Web biete. Die Grünen befänden sich hier erst am Anfang eines langen Weges. "Wir müssen einfach langfristig ins Internet investieren", sagt Chorherr und wünscht sich, dass bei Online-Werbung nicht einfach Plakate 1:1 ins Internet gestellt werden: "Das ist wie TV-Werbung aus den 50er Jahren." Die Möglichkeiten zur Interaktion müssten ausgeschöpft werden. "Das war erst der erste Wahlkampf, wo das Internet eine Rolle gespielt hat", so Chorherr. Viele werden noch folgen.

Kein Geld für Postings

Die Frage, ob zum Kampagnisieren auch "Kampfposter" bezahlt werden, die in diversen Foren ihr Unwesen treiben, verneinten die Parteienvertreter unisono. "Es gibt viele Leute, die bei uns ehrenamtlich beschäftigt sind und auf Postings reagieren", sagt Lamplmair von der SPÖ und Chorherr glaubt: "Ich weiß es zwar nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass wir dafür was zahlen." (Oliver Mark, derStandard.at, 26.10.2008)