Martin Tamussino rekrutiert für die ISG Personalberatung die besten Köpfe.

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Ist der Headhunter am Telefon, winkt ein lukratives und interessantes Jobangebot

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Headhunting ist für Martin Tamussino keine Abwerbung, sondern der "direkte Weg zu den besten Mitarbeitern für den Kunden". Da es am Arbeitsmarkt keine arbeitslosen Führungskräfte gibt, sei es für Unternehmen logisch, in die "Direktansprache" zu gehen, meint Tamussino, der das Executive Search Team bei der ISG Personalmanagement (International Service Group) leitet. Wie man die besten Köpfe ins Visier nimmt und wie man eine "Win-Win-Situation" für alle kreiert, erzählt er im Interview mit derStandard.at/Karriere. Die Fragen stellte Oliver Mark.

derStandard.at: Warum beauftragt man einen Headhunter?

Tamussino: Es gibt eigentlich drei Gründe um Executive Search in Auftrag zu geben, also in die Direktansprache zu gehen. Erstens weil der Kunde eine bestimmte Person im Auge hat oder ein bestimmtes Unternehmen, wo gute Leute arbeiten, die in sein Profil passen. Zweitens weil der Kunde vielleicht im Vorfeld schon selbst gesucht und niemanden gefunden hat. Zum Dritten weil es vielleicht eine Spezialistenposition ist, für die es am Markt keine Leute gibt.

derStandard.at: Wie schaut das Prozedere aus?

Tamussino: Zuerst sagt uns der Kunde, was er sucht und welches Profil er im Kopf hat. Das Profil wird dann im Detail besprochen. Von meiner Seite kommen Vorschläge, wie wir die Suchstrategie anlegen. Wir erstellen für den Kunden eine Zielliste. Dafür ist auch unser eigenes Research Center zuständig. Dann warte ich auf die Freigabe durch den Kunden, wobei hier der Schutz von Kooperationspartnern in beide Richtungen gewährleistet ist. Ein Kunde von uns kommt nicht auf diese Liste und auf der anderen Seite auch keine Partnerfirma von unserem Kunden.

derStandard.at: Was passiert, wenn die in Frage kommenden Unternehmen feststehen?

Tamussino: Ich setze mich mit unserem Research-Team zusammen. Bevor wir Leute identifizieren, schauen wir uns grundsätzlich die Struktur der jeweiligen Unternehmen an. Im nächsten Schritt findet unser Research heraus, wo es die guten Leute in diesem Unternehmen gibt. Das geht über Telefonate und über Kontakte. Das dauert im Schnitt mindestens sechs bis acht Wochen. Dabei bin ich immer in Kommunikation mit dem Kunden und gebe ihm regelmäßig den Status quo. Wenn die Ergebnisse des Researchs so zufriedenstellend sind, dass ich glaube, das ist jetzt ein potenzieller Mann oder eine potenzielle Frau für diesen Posten, spreche ich sie nach einem gewissen Abstand für den Kunden an. In der Regel sind das zwei Wochen um auch die Diskretion zu wahren.

derStandard.at: Wie machen Sie den Leuten einen Jobwechsel schmackhaft - primär über die Geldschiene?

Tamussino: Nein. In diesem Status schon gar nicht. Ich versuche sie einfach in einem Telefonat neugierig zu machen und Vertrauen aufzubauen. Ich frage im ersten Moment, ob der Kandidat jetzt Zeit für ein Gespräch hat, ob er ungestört sprechen kann. Wenn es um eine Geschäftsführerposition geht, hat die Person sicher ein eigenes Büro. Ist es eine Spezialistenposition, sind wahrscheinlich auch noch zwei, drei andere im Büro und die Person kann gar nicht sprechen. Ich signalisiere dann, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt wieder anrufe.

derStandard.at: Das heißt die erste Kontaktaufnahme läuft übers Telefon und sie rufen immer im Büro an und nie privat?

Tamussino: Ich rufe nicht privat an, sondern im Büro oder idealerweise natürlich mobil. Das hängt wiederum von der Position ab. Jede Person, die heute im Außendienst tätig ist, bekommt von ihrer Firma ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt. Über unseren Research versuchen wir, die Mobilnummer zu bekommen.

derStandard.at: Wie läuft das Gespräch ab?

Tamussino: Das Ziel ist diesen Mann oder diese Frau persönlich kennenzulernen. Ich möchte einerseits herausfinden, ob der Kandidat überhaupt geeignet ist und andererseits, welche Faktoren ihm im Job wichtig sind und was er für eine mögliche Neuorientierung und einen Wechsel braucht.

derStandard.at: Wann erfährt der Kandidat, um welchen Arbeitgeber es sich handelt?

Tamussino: Beim ersten persönlichen Gespräch versuche ich das Profil des Kandidaten abzuklären. Wenn ich merke, dass er passt und auch Interesse hat, sage ich ihm das Unternehmen. Es kann natürlich auch vorkommen, dass er nicht geeignet ist. Bei uns liegt die Trefferquote aber bei 90 Prozent.

derStandard.at: Was passiert, wenn der Kandidat sagt, dass er doch kein Interesse hat?

Tamussino: Es kommt natürlich vor, dass jemand einfach nur seinen Marktwert testen möchte. Das muss ich dann mit Fingerspitzengefühl herausfinden. Wenn ich merke, dass er nur spielen will, dann sage ich ihm den Kunden auch nicht. Das gelingt zwar nicht immer, aber der Kundenschutz ist das Wichtigste in dem Geschäft.

derStandard.at: Wie finden Sie heraus ob der Kandidat nur seinen Marktwert testen will oder ob er es ernst meint?

Tamussino: Im Executive Search sind nur Senior Consulter und das ist natürlich ein Erfahrungsprozess. Wir gehen da mit unterschiedlichen Methoden vor. Über ein strukturiertes Interview, das durchaus in einer Small-Talk Atmosphäre ablaufen kann, kommen wir hier zu gezielten Informationen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass sich auch der potenzielle Kandidat als Kunde fühlt.

derStandard.at: Abwerbungsversuche von Firmen, die nicht erfolgreich sind und publik gemacht werden, können ja der Reputation von Firmen schaden. Gibt es eine Art Schutzmechanismus?

Tamussino: Ja, insofern, dass wir Kooperationspartner von Unternehmen ja nicht ansprechen. Wenn es ein Mitbewerber unseres Kunden ist und er möchte jemanden genau mit dieser Markt- oder Produkterfahrung, müssen wir einfach in derselben Branche suchen. Es gibt keinen Missbrauch, da wir im Vorfeld mit dem Kunden abklären, welche Personen in welchen Unternehmen kontaktiert werden.

derStandard.at: Firmen haben also auch kein Imageproblem, wenn sie Abwerbungsversuche starten?

Tamussino: Executive Search ist keine Abwerbung, sondern ein qualitativ hochwertiger Recruitingprozess für die zielgenaue Suche von Führungskräften und Fachspezialisten in allen Branchen. Wir definieren das als direkten Weg zu den besten Mitarbeitern für den Kunden.

derStandard.at: Die meisten Führungskräfte sind aber nicht auf Jobsuche sondern schon bei Unternehmen beschäftigt.

Tamussino: Das stimmt. Gute Manager werden gerade jetzt, in der zu Ende gehenden Hochkonjunktur von den Firmen noch enger gebunden. Daher gibt es am Markt so gut wie keine arbeitslose Führungskraft. Das ist der Grund, warum die Nachfrage nach Executive Search gerade in letzter Zeit enorm gestiegen ist.

derStandard.at: Es gibt Bücher, die Firmen Schutz vor Headhunting versprechen. Können Unternehmen ihre Manager vor Lockangeboten schützen?

Tamussino: Eigentlich nein. Viele Firmen bedienen sich eines Headhunters, um beim ersten Schritt diskret im Hintergrund zu bleiben. Meine Aufgabe ist es herauszufinden, wie es zu dieser "Win-Win-Situation" kommt. Erst wenn ich merke, dass der Manager zu einem Wechsel bereit ist, tritt der Kunde aus der Anonymität in den Vordergrund.

derStandard.at: Sind Sie beim Treffen zwischen dem Unternehmen und dem Kandidaten noch dabei?

Tamussino: Wenn ich das Interesse des Managers geweckt habe, versuche ich den potenziellen Kandidaten und den Kunden zusammenzubringen. Gerne auch ganz diskret auf einem neutralen Boden. Dabei stehe ich als Coach und Moderator für beide Seiten während des gesamten Prozesses zur Verfügung. Diese Beratungstätigkeit geht dann oft auch bis zur Vertragsunterzeichnung.

derStandard.at: Wie viele Kandidaten bekommen die Auftraggeber präsentiert?

Tamussino: Das ist ganz unterschiedlich. Es muss einfach der Richtige dabei sein. Oft ist es nur einer und der ist es dann, aber im Idealfall gibt man dem Kunden schon einen Vergleich.

derStandard.at: Wo findet die Kandidatensuche statt? Im Internet zum Beispiel auch über Jobbörsen oder Business-Plattformen?

Tamussino: Wir verwenden unterschiedliche Methoden, sprich alle modernen Kommunikationskanäle. Dazu gehört das Internet genauso wie zum Beispiel eine Marketing-CD. Am wichtigsten im Headhunting sind aber die eigenen Netzwerke und Kontakte, wo man sich diskret umhört und fragt. Vertrauen ist das wichtigste Berufsethos.

derStandard.at: Wie schaut es mit sozialen Plattformen wie etwa Facebook aus, wo Leute sehr viele persönliche Sachen von sich preisgeben. Spielt das eine Rolle?

Tamussino: Solche Portale verwenden wir nicht wirklich. Auf der anderen Seite holen wir natürlich auch über unsere Kontakte Referenzen ein, ob ein Kandidat zum Beispiel sozial kompetent ist.

derStandard.at: Wie reagieren die meisten Leute auf ihren Anruf? Wie viele sagen gleich, dass sie kein Interesse haben?

Tamussino: Es ist immer die Frage, wie man sie anspricht. Als Headhunter muss man das Kandidatenprofil und den Kunden gut kennen. Wichtig ist dabei auch der Überraschungseffekt. Man sollte sich immer vor Augen halten, dass es sich um keinen Bewerber handelt: Ich möchte etwas von ihm und er möchte nichts von mir. Im ersten Schritt muss man Vertrauen aufbauen, dann bekommt man die Leute auch zu einem persönlichen Gespräch.

derStandard.at: Sagen Sie beim Anruf gleich, dass die Person ein Kandidat für einen Job ist?

Tamussino: Ich sage nicht im Detail, worum es geht, sondern ich umschreibe es in wenigen Sätzen und versuche ihn so neugierig zu machen, dass ich ihn für den nächsten Schritt, das Kennenlernen, motivieren kann.

derStandard.at: Versprechen Sie gleich mehr Gehalt als derjenige beim jetzigen Unternehmen lukriert?

Tamussino: Geld ist auch immer eine Frage, aber das alleine ist zu wenig. Es muss sowohl für den Kandidaten als auch für den Kunden stimmig sein. Für mich ist das die größte Motivation und das beste Gefühl, wenn beide zufrieden sind. Eine wichtige Rolle spielt auch die Position. Wie ist das neue Unternehmen von der Struktur her, wie sind die Entscheidungswege, wie ist die Eigenverantwortung. Das sind neben dem Finanziellen sehr wichtige Faktoren.

derStandard.at: Gibt es einen Ehrenkodex oder ein Tabu beim Headhunting?

Tamussino: Am wichtigsten ist der Kundenschutz auf beiden Seiten.

derStandard.at: Wie schaut Ihre Erfolgsquote aus?

Tamussino: Die Quote, Leute zu einem Termin zu bekommen, liegt bei 90 Prozent. Jene für einen Abschluss liegt dann etwas drunter, so bei 80 bis 90 Prozent. Es kommt natürlich auch vor, dass der Kandidat wechseln möchte und wenn er das Angebot hat, der jetzige Arbeitgeber mit seinem finanziellen Package nachzieht, weil er den Mitarbeiter nicht verlieren möchte. Das heißt, dass man dann wieder von vorne anfangen muss.

derStandard.at: Kommt es oft vor, dass Leute mit einem Angebot in der Hand zu ihrer jetzigen Firma rennen, sie dann unter Druck setzen und gegeneinander ausspielen?

Tamussino: Naja, wenn er das Angebot auf dem Tisch hat, dann wird er natürlich seinen jetzigen Arbeitgeber informieren. Manche wollen ihre Mitarbeiter halten und bessern dann nach. Dabei kann es durchaus hin und her gehen.

derStandard.at: Wie lange dauert es im Schnitt vom Auftrag bis zur Entscheidung?

Tamussino: Sechs bis acht Wochen. Wenn der Markt ganz klein und eng ist, gibt es auch Prozesse, die sechs Monate oder länger dauern.

derStandard.at: Welche Unternehmen beauftragen Sie mit der Suche?

Tamussino: Tendenziell sind es größere Firmen oder Konzerne. Das geht aber quer durch alle Branchen. Durch die Öffnung der CEE-Räume wird der Executive Search internationaler.

derStandard.at: Dem Headhunting haftet ja doch ein negatives Image an. Stört Sie das?

Tamussino: Ich persönlich habe kein Problem damit, weil ich dem negativen Image vehement widersprechen möchte. Für uns ist die Betreuung der Kunden wichtig und wir haben zwei Kunden, nämlich den Auftraggeber und den potenziellen Bewerber. Es müssen beide wollen und ich möchte in keinster Weise einen Bewerber überreden. Wenn es ihm in seiner Firma gut geht, dann freu ich mich und lasse ihm die Türe offen. Wann auch immer er an eine Neuorientierung denkt, kann er sich jederzeit bei mir melden. Ich würde nie jemanden überreden, den Job zu wechseln.

derStandard.at: Wie viele Leute sagen, dass sie in Ruhe gelassen werden wollen?

Tamussino: Eigentlich kommt das nicht vor, weil wir da wirklich sehr professionell vorgehen. Manchmal höre ich: Sie sind jetzt der dritte Headhunter innerhalb von drei Monaten, jetzt bitte nicht. Ok, dann ist das aber eine klare Message. Normalerweise ist das aber nicht der Fall.

derStandard.at: Wie viele potenzielle Kandidaten haben Sie insgesamt in Ihrem Kandidaten-Pool?

Tamussino: Das ist komplett unterschiedlich. Es gibt Kunden, wo ich 30 im Pool habe und es gibt welche, wo ich jedes Mal aufs Neue im Research zu suchen beginnen muss, weil es solche Spezialisten sind oder der Markt so klein ist.

derStandard.at: Hat Sie schon einmal ein Headhunter kontaktiert?

Tamussino: Ja, ich war früher Vertriebs- und Marketingleiter eines großen Konzerns und hier bin ich von einem Headhunter aus London angerufen worden.

derStandard.at: Und in Ihrer Funktion als Headhunter?

Tamussino: Nein. (derStandard.at, 26.10.2008)