Zur Person

Friederike Müller arbeitete auf Einladung kolumbianischer NGOs an einer Untersuchung über die Auswirkungen von Menschenrechtsverletzungen, als Sie am 2.Oktober nach ihrer Festnahme abgeschoben wurde. Das Forschungsprojekt war ursprünglich auf sechs Monate angelegt.

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Demonstration außerhalb Calis am 21. Oktober. Die Protestierenden fordern, soziale Bewegungen nicht weiter als Teil des bewaffneten Konflikts zu behandeln.

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Ihre Anfang Oktober erfolgte Abschiebung aus Kolumbien dürfte Friederike Müller vor Schlimmerem bewahrt haben. Die Beamten der Sicherheitsbehörde DAS nahmen ihr zwar ihr Telefon ab und verweigerten anfangs jegliche Auskunft über ihren Aufenthalt, brachten sie aber nach einer Nacht im Gefängnis zum Flughafen.

Wenig später meinte Präsident Alvaro Uribe, Müller und zwei kurz darauf abgeschobene französische Aktivisten hätten nicht ausgewiesen werden, sondern besser in Kolumbien vor Gericht gestellt und ins Gefängnis gesteckt werden sollen. Im Gespräch mit Berthold Eder berichtet Müller über ihre Erlebnisse in Kolumbien.

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derStandard.at: In der Provinz Valle del Cauca befinden sich seit Mitte September 12.500 Zuckerrohrarbeiter im Ausstand. Was wollen die Streikenden erreichen?

Friederike Müller: Die Arbeiter der Zuckerrohrplantagen kämpfen für ihre Rechte, für eine Verbesserung ihrer prekären Arbeitssituation, die momentan an eine moderne Form der Sklaverei erinnert. Sie verfügen über keinerlei Arbeitsrechte, da sie keine direkt Angestellten der Plantagen sind, sondern über Subverträge in so genannten Kooperativen beschäftigt werden.

Die Kooperativen bestimmen die Arbeitsaufteilung und den Lohn, der nach dem Gewicht des geschnittenen Zuckerrohres bezahlt wird. Der durchschnittliche Verdienst liegt trotz schwerer körperlicher Arbeit noch unter dem staatlichen Mindestlohn.

Die Plantagenbesitzer umgehen durch die Subverträge Arbeitsverträge und Sozialabgaben. Die Zuckerrohrarbeiter sind weder kranken- noch rentenversichert, erhalten keine Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit und haben kein Recht auf Urlaub.

derStandard.at: Wie haben Sie die Situation der Streikenden empfunden? Sehen Sie eine Chance auf Erfüllung ihrer Forderungen?

Müller: Die Streikenden fordern direkte Verträge mit den Plantagen und einen Dialog mit dem Verband der Plantagenbesitzer ASOCAÑA. Die Arbeitgeber verweigern jedoch jeglichen Dialog und sprechen den Arbeitern das Recht ab, als bloße Kooperativenmitglieder Forderungen an sie zu stellen. Von Seiten der Regierung besteht keinerlei Bereitschaft zur Unterstützung der Streikenden, die ja nur ihre grundlegenden Arbeitsrechte einfordern.

derStandard.at: Präsident Uribe wirft Ihnen und den beiden ausgewiesenen Franzosen (derStandard.at berichtete) vor, sie hätten sich "mit Terroristen zusammengetan" und die Proteste  ausgenutzt, um die öffentliche Ordnung zu stören. Hatten Sie Kontakt zur Guerilla?

Müller: Nein, das ist eine haarsträubende Behauptung von Uribe. Vertreter der Regierung behaupteten schon vorher,  die Proteste der Zuckerarbeiter seien von der Guerrilla angestiftet. Dies entspricht nicht der Wahrheit, sondern dient nur der Kriminalisierung und Illegitimierung des gerechten Protestes dieser Arbeiter.

Ich hatte nie irgendeinen Kontakt zur Guerrilla, noch habe ich zu Gewalt angestiftet: Ich habe die Demonstration in Cali als Mitglied des Solidaritätsnetzwerks "Red de Hermandad" beobachtet.

derStandard.at: Uribe hat Menschenrechtsaktivisten als "maskierte Sprecher der Guerilla" bezeichnet. Wie bedeuten diese Vorwürfe für die NGOs, mit denen Sie Kontakt hatten?

Müller: Die Erklärung Uribes stellt eine nicht nur diffamierende Lüge dar, sondern bringt  Menschenrechtsaktivisten in Lebensgefahr. Kurz vor Uribes Äußerung erhielten alle kolumbianischen und europäischen Organisationen des Netzwerkes Morddrohungen der Paramilitärs "Aguilas Negras".

Uribe liefert mit solchen Unterstellungen auch diesen Gruppen eine Rechtfertigung für ihre verachtenswerten und illegalen Tätigkeiten.

derStandard.at: Sie haben sieben Jahre Einreiseverbot. Können Sie sich vorstellen, nach Ablauf dieser Frist nach Kolumbien zurückzukehren?

Müller: Abgesehen davon, dass ich mir kaum irgendetwas meiner Tätigkeiten in sieben Jahren vorstellen kann, würde ich sehr gerne nach Kolumbien zurückkehren, um die viel zu kurz geratene Zusammenarbeit mit dem "Red de Hermandad" im Land fortzusetzen.

Nach allem, was vorgefallen ist, bezweifle ich allerdings, dass ich je wieder ein Visum erhalten werde.  (derStandard.at/23.10.2008)