Die vier Schwanzfedern des Expidexipteryx hui dienten nur als Zierde.

Illustration: Qui Ji & Xing Lida
Illustration: Qui Ji & Xing Lida

London - Der Wald dürfte dicht und urwüchsig gewesen sein - im wahrsten Sinne des Wortes. Noch keine Spur von den heute dominanten Baumarten, stattdessen archaische Koniferen, Bärlappgewächse und Vertreter der in unserer Zeit als lebendiges Fossil geltenden Gattung Ginkgo, sowie dessen nahe Verwandten.

Zahlreiche Flüsse durchzogen den feuchten subtropischen Dschungel, mancherorts spiegelten sich die Bäume in tiefen Seen. Und überall wimmelte es von Tierleben. Seltsame Spezies waren darunter, die jetzt, mehr als 150 Millionen Jahre später, Forscherherzen höher schlagen lassen. Zu recht.

Der Kreis Nincheng in der Inneren Mongolei/Volksrepublik China beherbergt eine der faszinierendsten Fossilienlagerstätten Ostasiens. Nahe dem Dorf Daohugou haben Paläontologen in den vergangenen Jahren vielfältige Überreste unter anderem von Insekten, Salamandern und primitiven Säugern aus versteinertem Schlamm geborgen. Am wichtigsten dürften jedoch die Funde von sonderbaren Kleinsauriern aus der Gruppe Theropoda sein, wie die 2002 erstmalig beschriebene Art Epidendrosaurus ninchengensis.

Ihr etwa spatzengroßes Skelett weist Merkmale auf, welche auf eine Baum bewohnende Lebensweise schließen lassen (vgl. "Naturwissenschaften", Bd. 89, S. 394). Fachleute ordnen E. ninchengensis den Avialae zu - der Gruppe der Vögel und deren unmittelbaren Vorfahren. Das Leben in Baumkronen und das Umherspringen darin dürfte demnach zur Entwicklung der Flugfähigkeit geführt haben.

Flugunfähig trotz Federn

Ein neues Fossil aus der Daohugou-Formation ermöglicht nun weitere Einblicke in die Evolution der Vögel. In der aktuellen Ausgabe der britischen Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 455, S. 1105) stellen Experten der Chinesischen Akademie der Wissenschaften Epidexipteryx hui vor, einen gefiederten Kleinsaurier, der eindeutig nicht fliegen konnte.

Das Tier hatte die Körpergröße einer Taube und war, den Gliedmaßen nach zu urteilen, eher Bodenbewohner. Eine genaue Analyse der anatomischen Merkmale ergab, dass Epidexipteryx als Schwestergattung von Epidendrosaurus zu betrachten ist. Bei Letzterer wurden keine Federn nachgewiesen, was aber wohl eine Folge der schlechteren Konservierung von deren Überresten ist. Bei E. hui dagegen sind vier lange Schwanzfedern das auffälligste Merkmal.

Der Körper scheint zumindest zum größten Teil von einfachen, daunenähnlichen Federn bedeckt gewesen zu sein. Gekielte Flügelfedern, wie man sie zum Beispiel vom Urvogel Archaeopteryx kennt, fehlen. Die Federpracht am Schwanz diente höchstwahrscheinlich der Balz oder anderen Formen der innerartlichen Kommunikation.

Die Entdeckung von E. hui stützt somit die derzeit gängige Hypothese zur Evolution der Federn als ursprünglich Wärme regulierende Körperbedeckung von Sauriern, die anschließend auch optische Wirkung übernahm, und erst in dritter Linie eine aerodynamische Funktion zugewiesen bekam (vgl. "Annual Review of Earth and Planetary Sciences", Bd. 33, S. 277).

"Epidexipteryx ist der älteste und stammesgeschichtlich ursprünglichste bekannte Theropode mit Schmuckfedern", schreiben Fucheng Zhang und Kollegen in ihrer "Nature"-Publikation. Die zeige, dass die Avialae bereits im Jura-Zeitalter mit optisch wirksamem Gefieder "experimentierten".

Das Alter der Daohugou-Formation wird zurzeit auf 152 bis 168 Millionen Jahre festgelegt. Darüber freilich hat es auch schon heftige wissenschaftliche Kontroversen gegeben. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 10. 2008)