Ein Koran wurde bei dem Angriff auf den Gebetsraum eines türkischen Kulturvereins in Wien-Hernals angekokelt: Die Mitglieder sind bestürzt. Die Polizei ist in dem Fall ungewöhnlich schweigsam.

Foto: Christian Fischer

Wien - Eine große türkische Fahne hängt einträchtig neben der österreichischen an der Wand. An der Tür ist ein türkisches Poster befestigt, daneben steht ein Kaffeeautomat. Normales Ambiente für das Versammlungszimmer eines türkischen Kulturvereins. Hier, in der Geblergasse im Wiener Bezirk Hernals, ist sofort zu riechen, das etwas nicht stimmt: Es stinkt nach verschmortem Stoff und Kunststoff. Der nächste Raum verrät, warum: Schwarz vor Ruß sind hier die Wände, der mit orientalischen Ornamenten verzierte Teppich ist zur Hälfte verbrannt, ein Koran angekokelt.

Ein oder zwei Molotow-Cocktails haben das Feuer in der Nacht zum Montag verursacht, das diesen Schaden im Gebetsraum des Kulturvereins "Selçuklu Teºkilati" angerichtet hat. Durch zwei Fenster wurden die Brandsätze geschleudert, geht aus dem Einsatzbericht der Feuerwehr hervor.

Ein Zufall kann der Anschlag kaum gewesen sein: An Hauswand und Eingangstüren fehlt ein Hinweis auf den Verein. Wer hinter der Attacke stecken könnte, kann oder will das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz derzeit nicht verraten. Es werde "in alle Richtungen" ermittelt. Nur in einem Punkt sind sich die Staatsschützer sicher: "Es gibt derzeit keine Hinweise, dass eine Verbindung zu dem Brandanschlag im vergangenen November auf ein türkisches Vereinslokal in Favoriten besteht", sagt eine Polizei-Sprecherin.

Dass der Hintergrund des damaligen Attentates ebenso wie jener der beiden sonntäglichen Brandanschläge in Salzburg und Wien im Konflikt zwischen Türken und Kurden liegen könnte, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Umso mehr, als sich in der Schweiz die kurdische Untergrundorganisation PKK zu ähnlichen Anschlägen bekannt hat.

Verletzter im Café Istanbul

Vier Unbekannte hatten in der Nacht auf Samstag zwei Brandsätze in das Café Istanbul in Basel geschleudert, ein Gast erlitt dabei Verbrennungen zweiten Grades. In Bern versuchten mehrere Männer in einem Reisebüro Feuer zu legen, was aber misslang. "Gemäß der kurdischen Zeitung Özgür Politika, die von der PKK beherrscht wird, sollen sich PKK-Jugendorganisationen zu den Anschlägen des vergangenen Wochenendes bekannt haben. Wir haben derzeit keinen Grund, an der Authentizität dieser Botschaft zu zweifeln", sagt der Sprecher der Schweizer Bundespolizei, Guido Balmer, zum Standard.

In Österreich gibt man sich schweigsamer. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz will offiziell nicht näher über die Rolle der PKK in Österreich sprechen. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 22.10.2008)