Baukastensystem zum Aufbau kritischer Assoziationsketten

Foto: MAK

Wien - 2002 hat er im Wiener Museum moderner Kunst Mid-Career Survey gehalten, jetzt ist er im Fokus des Museums für angewandte Kunst: Heimo Zobernig, der Universalbasisausstatter mit dem Mehrwert zum jeweils selbst Dazudenken. Alles, was Zobernig herstellt, erscheint auf ein Minimum dessen reduziert, was es braucht, eine Funktion zu erfüllen. Demnach zeigt sich eine Bühne als schlichter begehbarer Sockel, eine Bar als lehnhohes Gläser- und Flaschenbehältnis mit Arbeitsfläche, und ein Kasten ist ein geschlossener Quader mit Tür.

Und edel müssen die stets mit "ohne Titel" betitelten Werke auch nicht sein. Weder Material noch Machart dienen der Wertsteigerung. Zum Einsatz kommen Pressspanplatten, Karton, Holzlatten, Schaumstoff und Folie. Verarbeitet wird zweckdienlichst: Da wird geschraubt, getackert und verleimt. Fertig. Bisweilen wird auch nur getuned: "Billy" -Regale etwa regen durch eingearbeitete Spiegelfolie gleich ganz intensiv zum Nachdenken an. Bisweilen wird "Bedeutung" auch durch Wiederverwertung generiert. Wenn etwa eine Konsole Zobernigs zunächst Franz West im MAK dazu dient, seine Sitzmöbel erhaben zu präsentieren und dieselbe Konsole nun von Zobernig als Sitzmöbel fürs Publikum ausgewiesen wird, dann: aber hallo!

Das ist so hochgefinkelt, dass man alle weiteren Aspekte des Einsatzes dieser weiß lackierten Verbundplatte erst gar nicht mehr unmittelbar auf die Assoziationsreihe bekommt. Ja ist es denn nicht auch dringend so, dass dieses Teil den Raum seiner Anbringung definiert und weit über den speziellen Raum hinaus das ganze Haus?

Ja und ist es denn nicht so, dass dieses Haus als Museum eine ganz andere Schnittstelle markiert, zwischen Kunst und Betrachter, zwischen feiner und angewandter Kunst, zwischen Massenproduktion und streng limitierter Auflage? Zwischen - man mag gar nicht mehr aufhören. Ja bitte, wer ist denn dann das Objekt, wenn man als Besucher auf dieser Konsole Platz nimmt? Und wer der Designer, wenn der Beschauer zwangsläufig das Muster des verspiegelten Paravents bildet? Und bitte, muss nicht ebenso zwangsläufig an Donald Judd denken, wer halbwegs ästhetisch gebildet ein "Billy" -Regal sieht? Und sowieso klar ist, dass "Billys" verspiegelte Rückwand jeden Neugierigen zum Buch und also zum Inhaltsstifter macht; oder umgekehrt, selbst zum Bedeutungsträger: Ist es denn nicht faszinierend, sich vorzustellen, man selbst wäre mit Ablageborden bestückt, diente aus Stauraum für x-beliebige Inhalte? Ja was heißt das denn für einen - als Mensch?

Und dann spielt sich das Ganze ja noch im labilen Betriebssystem Kunst ab, ist nicht nur anspielungsreich, sondern auch als Ware von nicht unbeträchtlichem Wert. Man kann den Zobernig'schen Sockel eben nicht bewerten, ohne die Vergangenheit eines seiner Vorfahren als documenta-Bühne mitzurechnen. Und natürlich bedeuten diese Pressspanikonen auch die unmittelbare Präsenz aller Konzeptkunstgötter gleichzeitig. Und ganz wichtig: Das Ganze ist natürlich so oft ironisch gebrochen, dass automatisch selbst öd ist, wem das jetzt hohl und leer erscheint. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 22.10.2008)