Mit 85 Prozent der Stimmen wurde Franz Müntefering wiedergewählt.

Berlin - Ein überzeugendes Ergebnis sieht anders aus: Obwohl Franz Müntefering in den vergangenen sechs Wochen zum Heilsbringer der deutschen Sozialdemokraten hochgejubelt worden war, erhielt er bei seiner Wahl zum Parteichef am Samstag in Berlin nur 85 Prozent der Stimmen - und damit eines der schlechtesten Ergebnisse für einen SPD-Vorsitzenden in der Nachkriegszeit. Der 68-Jährige, der bereits von 2003 bis 2005 Parteichef war, soll die Sozialdemokraten gemeinsam mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in die Bundestagswahl 2009 führen.

Erst Anfang September hatte Müntefering erstmals seit dem Tod seiner Frau wieder die politische Bühne betreten. Er wirkte schmal und blass, als er die Wahlkampfveranstaltung im Münchner Hofbräukeller betrat, doch der Charme seiner kurzen, markigen Sätze, die er zu seinem Markenzeichen erkoren hat, hatte die Basis gleich wieder für ihn eingenommen.

"Macht Politik!"

Sein Amt als Vizekanzler und Arbeitsminister im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel hatte Müntefering im November vergangenen Jahres aufgegeben, um seine krebskranke Frau Ankepetra zu pflegen. Sie starb im Juli. Die Rückkehr von "Münte" hatte der damalige, zunehmend glücklos agierende SPD-Chef Kurt Beck schmallippig aufgenommen.

Als Beck im Zusammenhang mit der Kür Steinmeiers zum Kanzlerkandidaten überraschend das Handtuch warf, ließ sich der Parteisoldat Müntefering wieder in die Pflicht nehmen. Seine Rolle im Tandem mit Steinmeier sieht er als Dienender, der dem künftigem Kanzler den Rücken stärkt, wie er bei der Vorstellung seines Buches "Macht Politik!" zu verstehen gab. Auch das Wahlergebnis auf dem Sonderparteitag in Berlin spiegelt das wider: Steinmeier erzielte mit 95,13 Prozent der Stimmen das weitaus bessere Ergebnis. In ihm sieht die Partei nun den Hoffnungsträger; Müntefering mit seinen 68 Jahren ist doch eher der Mann von gestern.

Arbeiterfamilie

Als Sprössling einer katholisch geprägten Arbeiterfamilie kam Franz Müntefering am 16. Jänner 1940 im Sauerland (deutsches Bundesland Nordrhein-Westfalen) zur Welt. Nach einer Lehre als Industriekaufmann arbeitete er in einem metallverarbeitenden Betrieb und engagierte sich nebenbei in der Lokalpolitik. 1966 trat er in die SPD und 1967 in die Metallergewerkschaft IG Metall ein.

Damit begann ein politischer Aufstieg, der ihn in den Bundestag und die Fraktionsführung führte. 1992 wurde er Arbeitsminister von Johannes Rau in Nordrhein-Westfalen, 1995 Bundesgeschäftsführer der SPD. Dem Sauerländer werden wesentliche Verdienste im Bundestagswahlkampf 1998 zugeschrieben, der mit einem klaren Sieg für Rot-Grün endete.

Dem damaligen SPD-Chef von Nordrhein-Westfalen wurde im ersten Kabinett von Gerhard Schröder das Verkehrsressort übertragen, was viele Beobachter als "Parkplatz" sahen. Gut ein Jahr später übernahm Müntefering als erster das damals neu geschaffene Amt des SPD-Generalsekretärs. Fortan galt er als die Person, die das Machtgefüge der SPD ordnete.

Machtausübung

Seine Art der Machtausübung war nicht immer unumstritten: Massiv kritisiert wurde Müntefering im September 2001, als er nach der Bundestagsabstimmung über die deutsche Beteiligung am Militäreinsatz in Mazedonien Druck auf die 19 Abweichler der SPD-Fraktion ausübte und den Neinsagern schlechte Listenplätze für die Bundestagswahl 2002 androhte.

Nach dem knappen Sieg für Rot-Grün bei dieser Wahl wurde Müntefering auf Vorschlag von Kanzler Schröder Fraktionschef und schaffte es auch hier zunächst, die Genossen auf Linie zu halten. Diese Linie bröckelte, als die Führungsspitze die Agenda 2010 Stück für Stück drückte. Die SPD-Linke bekämpfte das Reformpaket heftig.

"Das schönste Amt neben dem Papst"

Im März 2004 schließlich legte Schröder den Parteivorsitz nieder, um mehr Freiheit für sein Regierungshandeln zu haben, und Müntefering wurde als Nachfolger gewählt - in das Amt, das der Katholik in einem inzwischen geflügelten Wort als "das schönste Amt neben dem Papst" bezeichnete.

Nach der verlorenen Bundestagswahl wünschte sich Müntefering das Amt des Vizekanzlers und Arbeitsministers, das er schließlich auch bekam. Den Parteivorsitz schmiss er im Oktober 2005 jedoch hin, als der SPD-Vorstand die Parteilinke Andrea Nahles gegen seinen Wunschkandidaten Kajo Wasserhövel zur Generalsekretärin wählte. (AP/Claudia Kemmer)