Stockholm - Mindestens zwei Menschen sind bereits in Schweden verstorben, weil ihnen die notwendige Krankenbehandlung untersagt wurde. Das behaupten Ärzte von mehreren angesehenen Krankenhäusern in Stockholm. Ohne Aufenthaltsgenehmigung hat niemand in Schweden das Recht auf Krankenpflege, außer der Patient befindet sich in unmittelbarer Lebensgefahr. Aber auch akut Kranke trauen sich aus vor Furcht davor, von der Polizei verhaftet und später aus Schweden ausgewiesen zu werden, nicht, Krankenhäuser aufzusuchen.

In Schweden ist jeder Staatsbürger und Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung automatisch bei der staatlichen Krankenkasse versichert. Dieses System gewährt jedem - gegen eine geringe administrative Gebühr - praktisch kostenlos Krankenpflege und stark ermäßigte Medizin. Illegalen Ausländern steht aber staatliche Krankenpflege nicht zur Verfügung. Außerdem riskieren sie bei einem Besuch im Krankenhaus, vom Personal angezeigt und den Behörden ausgeliefert zu werden. Nach Schätzungen der schwedischen Polizei halten sich zur Zeit 3.500 Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung in Schweden versteckt. Weitere 10.000 haben keine Arbeitsgenehmigung.

Ärzte verlangen Gesetzesänderung

Vor Kurzem haben einige Ärzte öffentlich über Todesfälle in diesem Zusammenhang gesprochen und verlangen nun eine Gesetzesänderung. Im April 2000 starb etwa ein Mann aus Südamerika, ein Jahr darauf eine Frau aus Mittelamerika, beide an Aids. Nach Darstellung der Ärzte wurde ihnen die medizinische HIV-Therapie wegen der fehlenden Krankenversicherung verweigert. Beide hätten mit größter Wahrscheinlichkeit überlebt, wenn sie damals die notwendige Medizin erhalten hätten, sagen die Ärzte. Kurz bevor sie starben, wurde ihnen die benötigte Aufenthaltsgenehmigung und damit das Recht auf Behandlung gewährt. Da war es jedoch bereits zu spät.

Knut Lidman, Oberarzt einer Stockholmer Universitätsklinik, ist davon überzeugt, dass diese beiden Menschen heute noch am Leben wären, wenn der Staat sie nicht im Stich gelassen hätte. Auch Anders Björkman vom Karolinska-Krankenhaus in Stockholm ist empört. Er ist einer der Gründer der Organisation, die sich "Ärzte in der Klinik der Welt" nennt. Die Mitglieder der Gruppe betreuen in ihrer Freizeit heimlich Flüchtlinge. Schon im Jahre 2001 hatte sich die Organisation an den Sozialminister gewandt, um eine Gesetzesänderung zu bewirken. Bisher ist ihr Begehren jedoch unbeantwortet geblieben.

In Österreich bestimmt das Prinzip der Unabweisbarkeit, ob ein Nicht-Versicherter Anspruch auf Betreuung hat: "Besteht für den Patienten eine unmittelbare Gefahr für seine Gesundheit, darf er nicht abgewiesen werden", sagt Gerhard Aigner, Jurist beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen. Er setzte hinzu, dass der Arzt jedoch der Schweigepflicht unterliege und deshalb den Fall den Behörden nicht melden dürfte. Gewisse ansteckende Krankheiten müssten aber den Behörden gemeldet werden. Laut Auskunft von der Hilfsorganisation Caritas erhalten nur etwa ein Drittel der Asylbewerber in Österreich eine Bundesbetreuung und damit eine Krankenversicherung. (APA)