Günter Brus löst das STANDARD-Rätsel.

Foto: STANDARD/Newald

Graz - Ja genau. Was wäre, wenn. Wenn zum Beispiel DER STANDARD nicht vor zwanzig, sondern, sagen wir, schon vor vierzig Jahren gegründet worden wäre; also damals, 1968, als die Wiener Aktionisten sozusagen mit vollem Körpereinsatz gegen muffige Spießigkeit aufbegehrten, den bürgerlichen Kunstbegriff zertrümmern wollten und dafür von den Medien zu Staatsfeinden stilisiert wurden. Hätte Günter Brus mit seiner Familie vielleicht nicht nach Berlin fliehen müssen, um sich einer Haftstrafe zu entziehen? Hätte die veröffentlichte Meinung anders ausgesehen?

"Ich glaube schon" , sagt Günter Brus, STANDARD-Abonnent der ersten Stunde. "Sicher, auch der STANDARD wäre vielleicht schockiert gewesen über die Uni-Aktion. Aber er hätte vermutlich wohl mit mehr Zurückhaltung und Noblesse berichtet und nicht diese unglaubliche Menschenhatz auf uns veranstaltet."

Günter Brus, 75, international berühmt für seine einzigartige Bildpoesie, ausgezeichnet mit dem Großen Österreichischen Staatspreis. Zeichenkünstler. Bilddichter. Tabubrecher. Die Zeitungslektüre im Künstlerhaushalt Brus in einem Vorort von Graz darf man sich so vorstellen: traditionell. Heißt so viel wie: "Beim Frühstück bin ich der gierige Ehemann, nehme die Zeitung sofort an mich und lese sie von vorn bis hinten genau durch" , Interessantes reicht Günter Brus dann an Ehefrau Anna weiter. Aber die hört eigentlich sowieso lieber Radio.

Als Brus vor zwanzig Jahren von der neuen Zeitung hörte, nahm er sofort ein Abo: "Für eine niveauvolle, liberale Zeitung war wirklich höchste Zeit." An eine Trennung nach so langer Zeit denkt er nicht, im Gegenteil, die Beziehung ist weitgehend bestens. Zum Beispiel, weil "DER STANDARD die einzige Zeitung war, die jetzt bei der Glorifizierung von Haider nicht mitgemacht hat." Außerdem lieben beide Bruse die STANDARD-Kolumnisten im Allgemeinen und die journalistischen Verdichtungen von dag und rau im Besonderen. Die Kunstberichterstattung wäre eventuell noch ausbaufähig, sagen sie. Aber sie sagen es milde.

Ärgern muss sich Günter Brus aber doch auch. Manchmal. Oder eigentlich nur, wenn er das Kreuzworträtsel nicht lösen kann: "Dann fetze ich mit dem Kugelschreiber drüber. Und, ja, dann hasse ich phoe-nixen." (Andrea Schurian/DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.10.2008)