Für hunderte Tauschbörsen-Nutzer hatte die "menschliche Schwäche" Porno bereits ein Nachspiel.

Nachdem die Musik- und Filmindustrie vor Jahren begonnen hatte, ihre Rechtsansprüche bei Verstößen gegen das Urheberrecht bei illegaler Verbreitung von Inhalten wahrzunehmen, greift seit kurzer Zeit nun auch die Film-Produzenten der Porno-Industrie durch.

"Hunderte" Kunden österreichischer Internet-Provider, unter anderem auch die Telekom Austria, haben in den vergangenen Wochen ein Abmahnschreiben der Vorarlberger Rechtsanwaltskanzlei LF-LAW (Längle, Fussenegger, Singer Rechtsanwälte Partnerschaft) erhalten,wonach illegaler Weise pornografische Inhalte über P2P-Netzwerke, wie eDonkey, bezogen und getauscht wurden. Die Betroffenen haben einen einmaligen Betrag von rund 800 Euro zu zahlen, "um urheberrechtliche Ansprüche der Mandantschaft und die Kosten für das Einschreiten der Kanzlei" abzugelten, heißt es im aufgesetzten Mahnbrief, welcher der Redaktion anonym vorgelegt wurde. Auf der Klägerseite stehen Pornofilmhersteller wie "Hustler Europe", "Cazzo Film" oder "Muschi Movie".

Druckmittel

Der Druck auf die Beschuldigten ist hoch. "Hier wird eine menschliche Schwäche ausgenutzt", moniert ein involvierter Anwalt, der aus Rücksichtnahme vor seiner Klientin nicht namentlich genannt werden möchte. Pornographie ist immer noch ein Tabuthema, das man nicht gerne an die große Glocke hängt.

Die ausgewiesenen Konsequenzen bei einer Zahlungsverweigerung erhöhen den Handlungsdruck. Die Formulierung des Schreibens schramme "an der Grenze zur Drohung", so eine kritische Stimme aus der Anwaltschaft. LF-LAW schreibt etwa im Mahnbrief, ihre Mandantschaft hätte gemäß dem Urheberrechtsgesetzes Schadensersatzanspruch auf "zumindest das Doppelte der Lizenzgebühr". Die Lizenzgebühr wiederum mache ein Vielfaches des Ladenpreises für den heruntergeladenen Film aus. Die vorsätzliche Urheberechtsverletzung kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bestraft werden.

"Lediglich der guten Ordnung halber" wird dann noch erwähnt, dass beim zur Verfügung stellen des "gegenständlichen Filmwerks" XXX im Internet, die Inhalte auch einem größeren Personenkreis unter 16 Jahren zugänglich gemacht werden. Dies stelle nach dem Pornographiegesetz einen weiteren Tatbestand dar, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen zur Strafe gestellt wird.

Die Entschädigungszahlung des Einmalbetrags und die Unterlassungserklärung werden dann umso leichter zu Kenntnis genommen. "Wenn sie dem Angebot entsprechen, werden von Seiten unserer Mandantschaft im Zusammenhang mit der hier gegenständlichen Handlung weder zivil- noch strafrechtliche Schritte gegen Sie eingeleitet werden", schließt der Brief.

Massenweise

In Deutschland ist ein solches Vorgehen bereits seit über einem Jahr bekannt. Steffen Heintsch hat für Betroffene beider Länder im Internet unter Abmahnwahn-Dreipage.de eine Anlaufstelle eingerichtet. "Wir rechnen damit, dass allein im Zeitraum vom 1.9.2008 bis zum 20.9.2008 bereits 340 Personen in Österreich abgemahnt wurden. Und jeden Tag kommen etwa 40 neue Fälle dazu", betont Heintsch und stützt seine Angaben auf die Aussagen eines ehemaligen Provider-Mitarbeiters, der selbst zum Handkuss kam.

Das Know-How der Anwälte dazu komme aus dem Nachbarland, in dem die Abmahnwelle bereits über alle Ufer getreten zu sein scheint. Allein im Jahr 2007 sollen in Deutschland geschätzte 150.000 Tauschbörsennutzer von Vertretern der Branche abgemahnt und zur Kasse gebeten worden sein.Die genauen Zahlen seien für Außenstehende nur schwer zu erfassen, dadie Daten bei den Kanzleien liegen und nicht herausgegeben werden.

Medien-Anwalt Dieter Fussenegger von LF-LAW sieht in den Angaben Heintschs Kollegen blanke Übertreibung. "Die im Internet kursierenden Zahlen sind aber viel zu hoch und daher falsch", meint er gegenüber derStandard.at.

Heintsch kontert: "Wir wissen aber von einer Kanzlei in Regensburg, dass sie allein vergangenes Jahr 42.000 Personen abgemahnt hatte." Wobei in Deutschland gleich mehrere Kanzleien von der Porno-Industrie beauftragt wurden.

Beweise

Um die Urheberrechtsverletzung beweisen zu können, engagieren die Kläger dritte Unternehmen, die Datentransaktionen in Tauschbörsen mitverfolgen und die IP-Adressen der Anwender festhalten. Auf Anfrage bei den entsprechenden Internet-Providern erhalten dann die privaten Ermittler die passenden Stammdaten zu den protokollierten IP-Adressen. So werden die Tauschbörsennutzer identifiziert.

Die Telekom Austria bestätigt die "Häufung der Anfragen in den letzten Wochen". Die Rechtslage ist strittig. In einem von Telekom Austria dazu angestrengten Urheberrechtsstreit entschied der OGH 2005, für die Auskunftspflicht.Nach dem Urheberrechtsgesetz § 87b bedeutet das, dass "Vermittler" verpflichtet sind, im Falle von Urheberrechtsverletzung Stammdaten von Kunden, deren IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt bekannt ist, herauszugeben.

Allerdings geschieht in diesem Fall die Auskunft auf freiwilliger Basis. Für Provider gibt es keine zivilrechtliche Auskunftspflicht, weshalb auch der Verband der Internet Service Provider Austria (ISPA) seinen Mitgliedern empfiehlt, nur bei "richterlicher Anordnung" Auskunft zu erteilen.

Lukrativ

Obgleich LF-LAW davor warnt die "Täter nicht mit den Opfern zu verwechseln", erweckt die schiere Masse an Abmahnungen und das standardisierte Verfahren für die Betroffenen den Anschein der Geldmacherei.

Ein strittiger Punkt betrifft auch heimische Internetprovider, die die Vertreter der Porno-Industrie um Auskunft bitten. In den vorliegenden Fällen etwa verrechnete die Telekom Austria für die Zuordnung der Stammdaten des Internetnutzers 102,84 Euro - die im Falle des Falles auch von den Klägern vor Gericht eingefordert werden (siehe Mahnbrief)." Die Überwachungskostenverordnung legt eine Aufwandsabgeltung von 102,84 Euro für die Recherche der Daten fest. Die Höhe dieser Aufwandsentschädigung wird auch Gerichten bei Auskunftsansuchen verrechnet", begründet ein Sprecher der TA.

LF-LAW bestätigte mittlerweile, dass auch andere Internetprovider der ISPA Auskunft erteilt hatten. Die ISPA umfasst neben der TA etwa UPC Telekabel undTele2. Eine Bestätigung von Seiten dieser Unternehmen fehlt allerdings noch.

Unscharf

Im Gespräch erklärt Heintsch die rechtliche Grauzone. Denn abgemahnt wird immer nur der Anschlussinhaber, der nicht in jedem auch der Verletzer ist. Das Beispiel der Pensionistin wird aufgefahren, deren Enkel sich über ihren Internetanschluss eine Datei über eine Tauschbörse heruntergeladen hat. Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshof aus dem Jahr 2007 haftet aber ein Elternteil nicht für seine Kinder, sollte er seine Sorgfaltspflicht nicht vernachlässigt haben.

Und genau das dürfte bei vielen der jetzigen Fälle zutreffen. Vergangene Woche vermutete ein involvierter Anwalt im Interview mit derStandard.at, die Vertreter der Porno-Industrie dürften schon bald einen Fall vor Gericht bringen, um einen neuerlichen Präzedenzfall zu manifestieren. LF-LAW bestätigte die Klagebereitschaft prompt auf Anfrage. Man habe vor,einen Fall vor Gericht zu führen.

Durchatmen

"Wir sind davon überzeugt, dass durch unser Einschreiten die Zahl von Urheberrechtsverletzungen in Internet-Tauschbörsen erheblich verringert werden kann und das geistige Eigentum besser respektiert wird", bekräftigt Fussenegger von LF-LAW die Handlungsbereitschaft seiner Mandantschaft.

Anwälte von Betroffenen sowie die Betreiber von Abmahnwahn-Dreipage.de empfehlen dennoch abgemahnten Österreichernvorerst mit Hilfe eines Rechtsbeistandes nur eine modifizierte Unterlassungserklärung zu unterschreiben und nicht übereilt zu zahlen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Anfangs die meisten gezahlt haben, aber mit zunehmender Aufklärung die Leute sich an Anwälte gewandt und nur noch eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben haben", so Heintsch. Die von den Rechteinhabern beauftragte Firma zur Protokollierung des Datentransfers in Tauschbörsen und der Identifikation der Nutzer sei "bei ihren Beweisen auch nicht so sattelfest". "Ob sie wirklich klagen werden, wird man sehen. Denn das Risiko einer Klage liegt auch bei den Rechteinhabern." (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 16.10.2008)