Wien - Die Betreuung von in Österreich eingelangten Flüchtlingen obliegt künftig der deutschen Privatfirma European Homecare. Dieses Ergebnis des Ausschreibungsverfahrens über die Ausgliederung der Bundesbetreuungs-Einrichtungen gab am Mittwoch der zuständige Sektionsschef Theo Thanner bei einer Pressekonferenz bekannt. Damit entschied sich das Innenministerium gegen das österreichische Offert eines Konsortiums von Rotem Kreuz, Caritas, Diakonie und Volkshilfe. European Homecare betreibt seit mehreren Jahren Flüchtlingsbetreuungsstätten in Deutschland. In Österreich war man bisher nur durch eine erfolglose Rückkehrberatung für Asylwerber aufgefallen.
Konkret ist European Homecare ab 1. Juli für den Betrieb der vier Bundesbetreuungseinrichtungen in Traiskirchen, Thalham, Bad Kreuzen und Reichenau zuständig. Das Gesamtvolumen des Auftrags liegt bei rund fünf Millionen Euro pro Jahr. Eine genauere Zahl kann laut Thanner nicht angegeben werden, da die Finanzen von der Zahl der Asylanträge bzw. der zu Betreuenden abhängen. Die Zahl der zu betreuenden Asylwerber wird mit mindestens 1.000 angegeben. Zu beachten ist, dass bei weitem nicht alle Asylsuchende in die Bundesbetreuung aufgenommen werden.
Bisher oblagen die Flüchtlingslager einzig der Verantwortung des Bunds. Innenminister Ernst Strasser (V) erhofft sich aber mehr Effizienz und Qualität durch die Auslagerung an Private und sieht die Aufgabe des Bunds künftig nur noch im Controlling. Dementsprechend wurde im August vergangenen Jahres eine Ausschreibung gestartet, aus der von ursprünglich 14 Interessierten drei Final-Kandidaten hervorgingen. In Frage kamen letztlich aber nur European Homecare und das Konsortium der österreichischen NGOs. Der dritte Bewerber, ein steirischer Wirt, galt von vornherein als chancenlos.
Die Entscheidung für die deutsche Privatfirma, die nach Hinzuziehung externer Berater gefällt wurde, begründete Thanner damit, dass European Homecare bei allen drei Kriterien - Qualität, Übernahme des Personals, Preis - das beste Angebot gelegt habe. Ein zweiter Bewerber (wohl das österreichische Konsortium) habe zwar bei der Qualität ebenfalls die maximale Punktezahl erreicht, jedoch wäre nicht das ganze Personal übernommen werden, zudem sei man beim Preis "wesentlich dahinter" gewesen.
Konkret hatte European Homecare offeriert, die Betreuung pro Tag und Asylwerber für 12,90 Euro zu übernehmen. Bisher lagen die Kosten dafür bei 17 Euro. Zudem ist man bereit, alle 89 Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, sofern diese das wollen - ob zu gleichen Konditionen, sei Sache der Verhandlungen mit dem Finanzminister, erklärte Thanner. Der Sektionschef geht in jedem Fall von einer Personalaufstockung auf über 100 Personen aus. Zudem erhofft er sich eine bessere Verköstigung sowie in Zusammenarbeit mit der Bundesimmobiliengesellschaft die Verbesserung der Wohngelegenheiten.
Ausdrücklich wies Thanner darauf hin, dass die Ausgliederung unabhängig von der Flüchtlingsberatung zu sehen sei, die sich ja noch in Ausschreibung befindet. In diesem Bereich hatte European Homecare in Österreich ja bescheidene Ergebnisse erzielt. In der bisher vier Monate dauernden Tätigkeit wurden gerade einmal 20 Personen zur freiwilligen Heimkehr bewegt. Zum Vergleich: Beim Parallel-Projekt der Caritas kehrten pro Woche durchschnittlich 15 Personen heim.
Grüne konstatieren "Schlag ins Gesicht"
Die Grünen haben am Mittwoch kritisiert, dass die Flüchtlingsbetreuung von der deutschen Privatfirma European Homecare übernommen wird. Von einem "Schlag ins Gesicht der Arbeit österreichischer NGOs" sprach Menschenrechtsexpertin Terezija Stoisits in einer Aussendung. Philipp Sonderegger äußerte namens SOS Mitmensch "massive Bedenken" und meinte, Asylverfahren könnten nicht in einigen Tagen abgewickelt werden.
Konkret ist European Homecare ab 1. Juli für den Betrieb der vier Bundesbetreuungseinrichtungen in Traiskirchen, Thalham, Bad Kreuzen und Reichenau zuständig. Die Zahl der zu betreuenden Asylwerber wird mit mindestens 1.000 angegeben.
Innenminister Ernst Strasser (V) habe sich bei dieser Entscheidung offenbar dem Druck der FPÖ gebeugt, mutmaßt Stoisits. Ihrer Meinung nach wäre der NGO-Bietergemeinschaft Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie und Volkshilfe deshalb der Vorzug zu geben gewesen, weil sie durch Jahre lange Arbeit in diesem Bereich die höchste Kompetenz mitbrächten. "Flüchtlingsbetreuung ist eine sensible Aufgabe und nicht auf die Frage der reinen Kosten reduzierbar", argumentiert Stoisits.
SOS Mitmensch will mehr Personal
SOS Mitmensch fordert in einer Aussendung Qualifizierung und Aufstockung des Asylpersonals. Ordentliche Asylverfahren seien nicht in wenigen Tagen durchführbar, weil am Beginn des Verfahrens "körperliche und psychische Erholung von der Flucht sowie eingehende Rechtsberatung" stehen müssten.
Kritik der SPÖ, Rauch-Kallat darüber verwundert
Mit großer Skepsis reagierten SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl und Sicherheitssprecher Rudolf Parnigoni auf die Entscheidung von Innenminister Ernst Strasser, die Bundesbetreuung von Asylwerbern an European Homecare zu übertragen. Nachdem Strasser mit der Rückkehrberatung dieser Firma einen "Flop" gelandet habe, begehe er den gleichen Fehler noch einmal, so Kuntzl in einer Aussendung. Darauf und auf die Kritik der Grünen reagierte ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat: Sie sei verwundert, dass Maßnahmen, die eine Verbesserung der Betreuung von Asylwerbern gewährleisten sollen, kritisiert werden.
"Die Entscheidungen des Innenministeriums werden nicht nach Gutdünken oder gar aus Jux und Tollerei getroffen, sondern streng nach gesetzlichen Vorschriften und den in der Ausschreibung verlangten Kriterien", sagte Rauch-Kallat. Es sei selbstverständlich im Innenministerium, das Ergebnis der gesetzlichen Ausschreibung anzunehmen und sich bei der Entscheidung für die Vergabe von Projekten danach zu richten.
Die SPÖ hingegen sieht eine "Scheinlösung", da Strasser die "wesentlichen Probleme im Asylbereich, die unter seiner verfehlten Politik drastisch verschärft wurden, unangetastet" lasse. Auch Parnigoni vermisst umfassende Lösungsansätze und wirft dem Innenminister vor, die Betreuung von Asylwerbern offensichtlich als reinen Kostenfaktor zu sehen. Die ÖVP habe die politische Mitte längst verlassen, mutmaßt er. Kuntzl konstatiert "einmal mehr" den "kaltherzigen Zugang Strassers zur Asylpolitik."
Das Rote Kreuz, das sich ebenfalls um die Asylwerber-Betreuung bemüht hat, vertritt die Meinung, dass der Preis entschieden habe. Werner Kerschbaum, stellvertretender Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), im Namen der Bietergemeinschaft aus Rotem Kreuz, Caritas der Erzdiözese Wien, Diakonie und Volkshilfe: Die Bietergemeinschaft akzeptiere die Entscheidung, sie findet es aber "befremdlich", als Angebotsleger per Pressekonferenz über diese Entscheidung informiert worden zu sein.
Man habe "sehr großes Gewicht auf die Betreuungsqualität" gelegt und sei bestrebt gewesen, die derzeit teils riesigen Betreuungsstellen in kleinere, überschaubare Einheiten aufzugliedern, daher sei der Preis höher ausgefallen, meinte Kerschbaum (APA)