Saalfelden - Jahrzehntelang lieferten die Pharmakonzerne einander Wettkämpfe um die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung des Bluthochdrucks. Doch in jüngster Zeit kam es zu einer Renaissance der ältesten derartigen Mittel: der Diuretika (Entwässerungsmittel) und der Beta-Blocker. Ausschlaggebend dabei sind Zusatznutzen der einzelnen Substanzen für manche Patienten. Dies erklärte am Dienstag bei der 36. Wissenschaftlichen Fortbildungswoche der Österreichischen Apothekerkammer in Saalfelden Univ.-Prof. Dr. Markus Müller von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie in Graz.

Insgesamt werden die Medikamente zur Hypertonie-Therapie - oft sind Kombinationen aus verschiedenen Substanzklassen notwendig - für den einzelnen Patienten immer mehr nach ihren zusätzlichen Qualitäten über die Blutdrucksenkung hinaus ausgewählt. "Wir behandeln nicht den Blutdruck, wir behandeln das gesamte Herz-Kreislauf-Risiko", lautet die Devise.

ACE-Hemmer und Diuretika

Das gilt beispielsweise für die so genannten ACE-Hemmer, wenn sie bei Patienten mit chronischer Herzschwäche oder nach einem Infarkt verwendet werden. Damit lässt sich eine 40-prozentige Reduktion der Todesfälle bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz erreichen. Je kranker der Patient, desto deutlicher ist der Effekt.

Gerade deshalb feiern alte Substanzen derzeit "fröhliche Urständ'": Das gilt laut Müller zum Beispiel für die Diuretika, also entwässernde Mittel: "Diuretika haben einen fixen Platz in der Therapie der Herzinsuffizienz."

Vergleichsstudie

Wesentliche neue Erkenntnisse wurden in der so genannten ALLHAT-Studie gewonnen, die erst im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde. Der Grazer Experte: "Die Studie war sehr ehrgeizig. Es nahmen 33.357 Patienten teil. Es waren Personen mit Bluthochdruck und einem anderen Herz-Kreislauf-Risiko-Faktor im Alter über 55 Jahren." Verglichen wurde die Behandlung mit einem ACE-Hemmer oder einem Diuretikum.

Innerhalb von sechs Jahren gab es zwar keinen Unterschied in der Sterblichkeit der Patienten aus den beiden Gruppen, aber es kam bei den Personen, die mit dem Diuretikum behandelt wurden, zu weniger nicht-tödlichen Herz-Kreislauf-Zwischenfällen, weniger Schlaganfällen und weniger Fällen sich ausbildender chronischer Herzschwäche. Müller: "ALLHAT hat sehr viel an der Einstellung zur Diuretika geändert. Es scheint so, dass sie bei Risikopatienten mit neu diagnostizierter Hypertonie die Mittel der ersten Wahl sind."

Nebenwirkungen

Keine Unterschiede in der Wirkung - wohl aber in der Häufigkeit des Auftretens mancher Nebenwirkungen - bestehen laut den Experten offenbar zwischen den ACE-Hemmern und den neueren Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten als Mittel zur Behandlung des Bluthochdrucks. Dafür erleben laut Univ.-Doz. Dr. Kurt Stoschitzky von der Abteilung für Kardiologe an der Grazer Universitätsklinik auch die älteren Beta-Blocker eine Renaissance.

Der Hintergrund: Noradrenalin und Adrenalin ("Katecholamine") als stärkste "antreibend" wirkende körpereigene Substanzen wirken auch auf Herz- und die Blutgefäße. Die Herzarbeit wird erhöht, gleichzeitig werden die Arterien verengt und der Blutdruck steigt. Der Kardiologe: "Das aktiviert den Sympathikus-Nerv und dient zur kurzfristigen Leistungssteigerung - Angriff, Flucht, Verteidigung. Doch langfristig erhöht das auch die Sterblichkeit." Das ist der Effekt einer dauernden Stress-Situation. Sie tritt auch im Herzen und im Gefäßsystem von Menschen mit chronischer Schwäche dieses Organs (Herzinsuffizienz) auf.

Beta-Blocker

Die seit Jahrzehnten in der Hypertonie-Behandlung verwendeten Beta-Blocker imitieren chemisch die Katecholmine (Adrenalin, Noradrenalin) und besetzen die Rezeptoren dafür. Dadurch wird der "Angriff" der körpereigenen Substanzen gehemmt. Der Kardiologe: "Mit Beta-Blockern lassen sich sowohl arterielle Hypertonie, Herzinfarkte, Herzrhythmusstörungen und die Herzinsuffizienz behandeln." - Waren bei chronischer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) diese Medikamente ehemals verpönt, gelten sie seit wenigen Jahren als besonders wertvoll.

Substanzen "erster Wahl" laut dem Grazer Herzspezialisten: "Wenn keine anderen Indikationen vorliegen, sollten Patienten unter 50 primär einen Beta-Blocker oder einen ACE-Hemmer bekommen. Etwas ältere Patienten über 60 sollte ein Diuretikum oder einen Kalzium-Antagonisten erhalten."(APA)