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Wien - Fahrer und Heizer haben’s gut. Sie brauchen keine Ausbildung, gelten aber als "qualifizierte Facharbeiter" und bekommen nach der hohen Lohngruppe 7 bezahlt. Näherinnen hingegen nützt ihre Ausbildung nichts, sie gelten nicht als Facharbeiterinnen, bekommen in Lohnstufe 4 schlechter bezahlt. - Viele solche Beispiele hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft entdeckt, als sie die Kollektivverträge der Textilindustrie durchforstete: Männerjobs werden höher bewertet als Frauenjobs.

Österreich ist EU-Schlusslicht bei Einkommensunterschieden, Frauen verdienen um 45 Prozent weniger. An der Babypause liegt das kaum: Frauen, die vor 20 Jahren zu arbeiten begannen, bekommen um 36 Prozent weniger bezahlt als Männer - auch Frauen, die nie vom Beruf aussetzten (wie Männer), haben Gehaltsnachteile von 31 Prozent. Aus dem Ergebnis einer Studie des Arbeitsministeriums zog die Gewerkschaft Metall/Textilindustrie den Schluss, dass die Ursache auch in der Lohnpolitik liegt - und ließ erstmals die unübersichtlichen Kollektivverträge untersuchen.

Die schlechte Nachricht daraus formuliert Erika Nussgraber-Schnabl, Frauenvorsitzende der Metaller, so: "Es gibt viele Unterschiede in den Kollektivverträgen zulasten der Frauen." Daraus ergibt sich die gute Nachricht: "Das eröffnet Handlungschancen."

Hat doch die Untersuchung gezeigt, dass Männer innerhalb einer Lohngruppe zwar besser verdienen - die signifikante Diskriminierung aber bei der Einstufung in die Lohngruppen passiert. Frauenberufe finden sich vor allem in unteren Lohngruppen. Im Männerbereich Metall ist etwa eine Lehre Voraussetzung für höhere Lohngruppen, im Frauenbereich Textil nutzt eine Lehre nichts. Den schlechtesten Stundenlohn bekommen Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie (5,07 Euro), den besten Arbeiter in Großbrauereien (9,47 Euro). Zudem diskriminiert der Kollektivvertrag, wenn er zwischen "Hilfsarbeiten schwer und leicht" unterscheidet, als "schwer" aber nur die Männerarbeit Heben schwerer Lasten definiert, nicht aber Frauenjobs mit scharfen Chemikalien. Oder: Nachtarbeit, bis 2002 gesetzliche Männerdomäne, wird mit 25 Prozent Zuschlag überdurchschnittlich entlohnt.

Aus vielen Einzelbeispielen zieht Gleichbehandlungsanwältin Ingrid Nikolay-Leitner den Schluss: "Die Kollektivvertragsstruktur verursacht erhebliche Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen." Schweden ist der Gewerkschaft Vorbild, das zu ändern: Dort zielten die Gewerkschafter in der Tarifpolitik zehn Jahre darauf ab, Frauenarbeit aufzuwerten. Das Ergebnis: Die Einkommensunterschiede wurden geringer. (Eva Linsinger, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 26.2.2003)