Wien - Wohnten Gramatneusiedlerinnen und Gramatneusiedler wirklich jahrelang Tür an Tür mit einem Mafiapaten? Ernährte Jeremiasz Baranski (57) seine Familie mit Mord und anderen Verbrechen? Staatsanwalt Werner Geyer ist überzeugt davon, der Angeklagte behauptet das Gegenteil. Am dritten Tag des Mafiaprozesses im Wiener Landesgericht traten Dienstag die ersten Zeugen auf.

Im Vordergrund stand dabei nicht, ob Baranski, wie in der Anklage steht, 2001 seinen Cousin, den ehemaligen polnischen Sportminister Jacek Debski, ermorden ließ. Vielmehr wollte das Gericht mehr über die Person Baranski erfahren. Wie erlebten ihn Menschen, die mit ihm im alltägliche Leben - also nicht in seinem Leben als gut bezahlter Polizeispitzel - zu tun hatten?

Als "langjährigen Kunden", beschreibt ihn sein früherer Bankbetreuer aus Schwechat. Als Kunden, der "ab und an" Schillingbeträge in Millionenhöhe einzahlte oder abhob - in bar und ohne lästige Fragen der Bank. Und das, obwohl Baranski stets Konten, die nicht einmal auf seinen Namen lauteten, verwendete.

Da erwacht das Fragerecht auf der gut informierten Geschworenenbank: "Gab es seitens der Bank keinen Verdacht, gab es keine Meldung an die Geldwäschestelle im Innenministerium?" Kopfschütteln im Zeugenstand. Die zweite Reihe der Laienrichter lässt nicht locker: "Müssen Sie nicht ab einem bestimmten Betrag die Herkunft des Geldes überprüfen?" "Der Zeuge zuckt mit den Schultern", diktiert die Vorsitzende Michaela Röggla-Weiss fürs Protokoll und macht dem Banker klar, dass er knapp vor einem strafrechtlichen Fettnapf steht. Er darf von seinem Recht Gebrauch machen, weitere Aussagen zu verweigern.

Eine andere Zeugin pocht auf ihr Recht, nicht in Anwesenheit des Angeklagten auszusagen. Baranski muss raus. Die Zeugin, eine Mitarbeiterin der Vienna International School, berichtet von Baranskis Streben, seine Kinder in der renommierten Schule unterzubringen. Als dies wegen Auslastung der Klassen nicht möglich war, auch nicht nachdem sich Baranski als Gesandter der Botschaft von Liberia ausgegeben habe, soll er ihr ausrichten haben lassen, dass er ihr "die Hölle heiß machen wird". Wenige Tage später wurde die Frau vor ihrer Wohnung zusammengeschlagen. Beweise, dass Baranski mit dem Überfall zu tun hat, gibt es nicht.

Der Prozess wird Donnerstag fortgesetzt. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2003)