Wien - Im Zuge des 50-Jahr-Jubiläums der Aufklärung der Doppelhelix-Struktur der Erbsubstanz (DNA) ist Vieles - und nicht nur Schmeichelhaftes - über die Entdecker James Watson und Francis Crick geschrieben worden. "Dabei sollte aber keinesfalls an der Genialität der beiden gezweifelt werden", sagte der Wiener Biochemiker Hans Tuppy gegenüber der APA. Tuppy hat als junger Wissenschafter das Umfeld von Watson und Crick in Cambridge (Großbritannien) und auch die späteren Nobelpreisträger selbst kennen gelernt.

Physiker und Biologe

"Als ich 1949/50 nach Cambridge kam, war Crick dort ein bereits bekannter Physiker", so Tuppy. Er galt als begabter, intellektueller Kopf und verstand sich in erster Linie als Theoretiker. Mit dem Biologen Watson traf Tuppy nur einmal kurz in Kopenhagen zusammen. Generell sieht der Biochemiker die zur damaligen Zeit durchaus nicht übliche interdisziplinäre Zusammenarbeit eines Biologen und eines Physikers als einen wichtigen Teil des Erfolgs der Forscher. Watson habe als Biologe sein Wissen über genetisches Material eingebracht, Crick seine Kenntnisse über Röntgenanalyse.

Speziell in Cambridge habe man schon damals solche Kooperationen gefördert, dies sei sicher eines der Erfolgsgeheimnisse dieser renommierten britischen Universität, berichtete Tuppy. Die Unbekümmertheit, die Watson und Crick nachgesagt wird - sie wurden dafür schon als "Clowns im Labor" bezeichnet -, sieht der Chemiker als für die damalige Zeit als "durchaus normal" an. Große Leistungen würden oft mit unorthodoxen Mitteln erreicht.

Überraschung

Die Leistung der späteren Nobelpreisträger 1953, also die Aufklärung der genauen Struktur der DNA, kam für die Wissenschaftswelt damals doch etwas überraschend, berichtete Tuppy, der sich damals schon mit den unmittelbaren Produkten der DNA also den Proteinen beschäftigte. "Wir wussten von den Proteinen, wie mühsam die Erforschung des Aufbaus ist, wir rechneten daher nicht so bald mit der DNA-Struktur", so der Chemiker. Es gab damals mehrere Gruppen, die wie Watson und Crick an der Klärung der DNA arbeiteten, an so etwas wie einen Wettlauf - wie Jahrzehnte später bei der Aufschlüsselung des menschlichen Genoms - kann sich Tuppy allerdings nicht erinnern.

Tragweite

Die Tragweite der Leistung sei Biologen und Chemikern schon damals bewusst geworden, wenngleich niemand die bis heute möglichen praktischen Anwendungen der Gentechnik vorher sagen konnte. Für Tuppy war das Bahnbrechende an Watson und Cricks Arbeit, dass damit die Vermehrungsfähigkeit der Erbsubstanz erklärbar wurde. Bis dato hatten viele Forscher die Ansicht vertreten, dass die Vermehrung der Eigenschaften viel mehr auf der Seite der Proteine stattfindet; eine Ansicht, die spätestens seit der Entdeckung der Prionen fröhliche Urständ feiert. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft können sich diese Eiweißkörper tatsächlich selbst vermehren. (APA)