Foto: STANDARD/Montage
U nter dem Titel Das Revival der alten Tante berichtete "Format": Die altehrwürdige Tageszeitung "Die Presse" erlebt einen radikalen Linksruck. Nicht nur Linksruck, sondern auch noch radikal - das wird doch nicht eine Folge des Grazer Wahlkampfes sein, schließlich gehört die alte Tante der Grazer Styria. Was kommt da auf uns zu? Unterberger als Kaltenegger? "Die Presse" als "Volksstimme"? Schließlich werben die mit Karl Marx als einem ihrer genialen Mitarbeiter! Sollte etwa auch Lenin . . .? Zum Glück ließ eine Erklärung nicht lange auf sich warten. Eine doch überraschende Neupositionierung der 1848 als "Neue Freie Presse" gegründeten Zeitung - die sich freilich auf Äußerliches bezieht: Denn im Rahmen eines eineinhalb Jahre lang vorbereiteten Relaunches des Blattes wurde eben auch das "Presse"-Logo auf Seite eins verändert - und mitsamt Untertitel von der Mitte an den linken Seitenrand gerückt. Das allein wäre noch kein Grund für die angestammte Leserschaft des Blattes, sich zu entspannen. Die weiß ganz genau: So fängt es immer an. Was dann aber doch einigermaßen beruhigte: Chefredakteur Andreas Unterberger zieht freilich sehr strikte inhaltliche Grenzen: "An unserer Ausrichtung wird sich nichts ändern, die ,Presse' bleibt bürgerlich-liberal." Und auf dessen strikte inhaltliche Begrenztheit kann man sich verlassen, den kriegt kein Fleischhacker klein. Gern las man auch die Erklärung des Geschäftsführers für den Linksruck innerhalb der sehr strikten inhaltlichen Grenzen des bürgerlichen Liberalismus: "Wir wollen die unangefochtene Nummer eins im Qualitätszeitungssegment werden." Brav! Wenn "Die Presse" endlich werden will, was zu sein sie seit Jahrzehnten vorspiegelt, sind wir die Letzten, die das als einen Grubenhund abtun wollen. Allerdings sind der "Presse" Bemühungen, Grenzen zu sprengen, nicht abzusprechen, wie am Wochenende auch dem Kärntner FP-Landesobmann Martin Strutz aufgefallen ist. Er machte Samstag die Öffentlichkeit per Parteiaussendung auf einen ungeheuerlichen Vorfall im Zusammenhang mit der Bildung der neuen Bundesregierung aufmerksam. Unter Berufung auf die "Presse" meldete er Skandal: Der ZP-Chef Rottensteiner wird mit der Aussage zitiert: "Wenn Böhmdorfer wieder Konsumentenschutzminister wird, dann kann die ÖVP nichts mehr von uns haben, nicht einmal mehr einen Kalender." Tatsächlich hat "Die Presse", offenbar als Vorgeschmack auf den kommenden Linksruck, am Samstag enthüllt: So soll RZB-Chef Walter Rottensteiner in dieser Woche Kanzler Schüssel aufgesucht haben, um ihm das Veto der Banken zu Böhmdorfer deutlich zu machen. Die meisten Banken stehen der ÖVP nahe, Raiffeisen hat sogar Beträchtliches zum Wahlkampf-Etat der Volkspartei beigesteuert. Wer hätte das gedacht? Dann folgt der von Strutz zitierte Satz, leicht aufgeweicht durch die Quellenangabe: . . . hieß es aus der Chefetage einer Großbank. Überflüssig hinzuzufügen, dass der begeisterte Basisdemokrat Strutz darin krasse Einflussnahme mächtiger Bankfunktionäre auf die ÖVP erkannte, also etwas völlig Neues in der österreichischen Politik. Es könne nicht sein, meinte er, dass sich einige einflussreiche Herrschaften aus dem Bereich der Banken und Industrie eine Bundesregierung zusammensetzen. Seit Lenin wissen wir ja, dass Linksradikalismus die Kinderkrankheit des Kommunismus ist, aber dass auch "Die Presse" schon davon befallen sein sollte, kommt doch überraschend. ZP-Chef Rottensteiner, der sich außerhalb der linken und rechten Skandalpublizistik bieder als RZB-Chef Rothensteiner gibt, Dr. Walter übrigens, ließ gestern eine Aussendung verfassen, in der er im Gegensatz zu Strutz und seiner Quelle, der "Presse", erklärt, er habe in den vergangenen zwei Wochen kein Gespräch mit Bundeskanzler Dr. Schüssel geführt (was hoffentlich nicht auf Entfremdung schließen lässt), kann daher nicht, wie von Herrn Strutz behauptet, "in dieser Woche . . . Schüssel aufgesucht haben und ihm eine Ablehnung . . . nahe gelegt haben." Womit der Vorwurf "krasser Einflussnahme mächtiger Bankfunktionäre auf die ÖVP" somit von selbst ins Leere gehe beziehungsweise der an den Haaren herbeigezogene Vorwurf, es würde politische Einflussnahme erkauft, auf das Schärfste zurückgewiesen wird.

Ferner erwähnt Rothensteiner, dass mit der Tageszeitung "Die Presse" keinerlei gesellschaftsrechtliche oder personelle Verflechtungen bestehen, diese daher auch nicht als "der Raiffeisen-Gruppe nahe stehende Tageszeitung" bezeichnet werden kann. Wäre ja noch schöner, wenn Raiffeisen den radikalen Linksruck der "Presse" mitfinanziert! (DER STANDARD, Printausgabe vom 15.2.2003)