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apa/techt

Graz/Wien - "Möglicherweise lässt sich nie mehr eruieren, was sich in der Grube von Lassing abgespielt hat, aber wir wissen zumindest, wie es mit Sicherheit nicht war." Was die Geologen Walter Prochaska, Hans Kolb und Werner Steck anzweifeln, ist nichts Geringeres als das Gerichtsgutachten zur Bergwerkstragödie von Lassing, auf dessen Basis bereits zwei Schuldsprüche gefällt wurden. Am 18. März steht die Berufungsverhandlung am Oberlandesgericht Wien an.

Rückblick: Am 17. Juli 1998 kommt es im Untertagebau des zu den Naintscher Mineralwerken gehörenden Talkumbergwerks in Lassing zu dem folgenschweren Einbruch. Der Bergmann Georg Hainzl wird in sechzig Meter Tiefe eingeschlossen, das Rettungsteam wird durch einen zweiten Einbruch verschüttet. Hainzl kann nach zehn Tagen lebend geborgen werden, für seine zehn Kameraden gibt es keine Rettung.

Bedingte Haft

Schuld an der Katastrophe sollen der frühere Betriebsleiter des Bergwerks, Hermann Schmidt, sowie der ehemalige Leobener Berghauptmann Wolfgang Wedrac sein. Sie wurden wegen fahrlässiger Gemeingefährdung zu bedingten Haftstrafen von zwanzig beziehungsweise zehn Monaten sowie zu einer Geldstrafe verurteilt. Für drei weitere angeklagte Mitarbeiter der Berghauptmannschaft gab es Freisprüche.

Schon bei der Erstverhandlung waren die Theorien der deutschen Gutachter Friedrich Hollmann und Horst Meißner bei heimischen Fachleuten äußerst umstritten. Im Kernpunkt der Kritik steht die Schlussfolgerung, das Grubenunglück sei durch eine zu dichte Annäherung des Abbaus an die Talsohle verursacht worden. Zu hoch hinauf getriebener Talkabbau also - und damit nicht nur vorhersehbar, sondern auch noch fahrlässig.

Wo ist Einbruchsstelle?

In einem Privatgutachten versuchen Kolb, Prochaska und Steck strittige Punkte zu widerlegen. Kolb: "Wenn der Einbruch wirklich von oben erfolgte, warum fand man dann bei 200 Bohrungen niemals die Einbruchsstelle?" Wäre der zweite, katastrophale Einbruch tatsächlich dort erfolgt, wo von Hollmann und Meißner angenommen, hätte außerdem die Jausenkammer, in der Georg Hainzl überlebte, aufgrund ihrer tieferen Lage zerstört werden müssen.

Woher kam Schlamm?

Und weiter: Warum blieb die Aussage Hainzls unbeachtet, wonach alles mit schwarzem Schlamm begonnen habe? "Nirgends in einem Talkbergbau wird man schwarzes Material finden, denn schon ein Kilogramm Schwarzmaterial zerstört zehn Tonnen weißes", erklärt Steck. "Es kann nur von der seitlich neben dem Bergbau gelegenen geologischen Störzone stammen."

Was die These der Privatgutachter erhärten würde, die einen seitlichen Einbruch vermuten. Und zwar einen Einbruch ausgelöst durch eine dort vorkommende Laugung von salz- und gipshältigem Gestein - ein beachtlicher Unterschied, denn dies wäre nicht vorhersehbar gewesen.

Ignoriert

Kolb, Prochaska und Steck stehen mit ihren Zweifeln nicht alleine da. Auch Baugeologe Ernst Weiss sowie Tunnelbauexperte Johann Golser zählten schon im ersten Prozess zu den vehementen Kritikern des deutschen, eigentlich auf Kohlebergbau spezialisierten Gutachterduos.

Die Berufungsverhandlung wird in Wien stattfinden, weil der Oberste Gerichtshof die Richter am Grazer Oberlandesgericht pauschal als "befangen" ablehnte. Sollten die Urteile der ersten Instanz im März bestätigt werden, wäre dies das Ende der Akte Lassing.

Prochaska hofft noch: "Es kann nicht angehen, dass wissenschaftliche Fakten und eindeutige Befunde einfach ignoriert und Schuldsprüche allein aufgrund von Hypothesen gefällt werden - obwohl die Ergebnisse von zwei Jahren intensiver Untersuchungstätigkeit vorliegen." (Claudia Sebunk/DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2003)