New York/Berlin - Im Weltsicherheitsrat zeichnet sich eine entscheidende Kraftprobe über das weitere Vorgehen in der Irak-Krise ab. Die USA legten am Montag gemeinsam mit Großbritannien und Spanien den Entwurf einer neuen Irak-Resolution vor, mit der sie die Legalisierung eines Krieges durch die UN anstreben. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder lehnten den Resolutionsentwurf nach einem Treffen in Berlin strikt ab. Zugleich legte Frankreich gemeinsam mit Deutschland und Russland ein Memorandum im Sicherheitsrat vor, in dem die Intensivierung der Waffenkontrollen ohne zeitliche Begrenzung gefordert wird.

"Irak hat letzte Chance verpasst"

In dem Beschlussentwurf der USA, Großbritanniens und Spaniens wird dem Irak kein Ultimatum gestellt. Das Papier verweist aber auf die Feststellung der Resolution 1441, dass der Irak seine Abrüstungsverpflichtungen bereits "erheblich verletzt" habe. Darüber hinaus habe Bagdad es versäumt, uneingeschränkt bei der Umsetzung dieser Resolution zu kooperieren und habe damit seine "letzte Chance" nicht genutzt. Der Irak stelle eine Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit dar.

Memorandum

Das Memorandum aus Paris, Berlin und Moskau verlangt dagegen, dass der Sicherheitsrat seine Anstrengungen verstärkt, dem Frieden eine "wirkliche Chance" zu geben. Die drei Staaten sprechen sich insbesondere dafür aus, dass die Waffeninspektoren die in gültigen UN-Resolutionen enthaltenen Zeitpläne für ihre Arbeit auch einhalten dürfen. Durch die Kombination aus einem klaren Inspektionsprogramm, einem eindeutigen Zeitplan "und dem militärischen Aufmarsch" solle ein "maximaler Druck auf den Irak" ausgeübt werden.

Chirac sagte, in dem Memorandum sei keine Frist für die Beendigung der Waffeninspektionen vorgesehen. Dies müssten die UN-Verantwortlichen selbst entscheiden. Er forderte Bagdad auf, wie von der UN gefordert, unverzüglich damit zu beginnen, seine umstrittenen Al-Samoud-2-Raketen mit einer nicht zulässigen Reichweite von über 150 Kilometern zu zerstören. Wie der US-Sender CBS am Montag unter Berufung auf das Interview eines CBS-Journalisten mit Saddam Hussein berichtete, soll Saddam diesem Journalisten gegenüber bereits die Absicht bekundet haben, die Raketen nicht zu verschrotten

Frankreich und Russland, die zusammen mit Deutschland bereits vor zwei Wochen eine gemeinsame Irak-Initiative gestartet hatten, sind Vetomächte im höchsten UN-Gremium. Der französische Staatschef ließ offen, ob sein Land notfalls von diesem Recht Gebrauch machen wird. Es gebe aber derzeit keinen Grund, die "Logik des Friedens" zu verlassen und auf eine "Logik des Krieges" umzuschwenken, sagte er. Auch Schröder hob hervor, der Irak müsse alle Forderungen der Waffeninspektoren erfüllen. Berlin und Paris würden aber unverändert darauf hinwirken, dass der Konflikt friedlich beigelegt wird.

Putin: Russland lehnt Resolution mit Kriegsautorisierung ab

Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine UNO-Resolution abgelehnt, die einen Angriff auf den Irak rechtfertigen würde. "Wir halten die Verabschiedung einer Resolution, die den Gebrauch von Gewalt vorsieht, für inakzeptabel", sagte Putin nach einem Gespräch mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch in Moskau.

Russlands Haltung habe sich nicht geändert. Moskau wolle den Konflikt weiterhin friedlich lösen und sicherstellen, dass Irak sich an die UNO-Resolutionen halte. Das "Potenzial der Resolution 1441" sei "noch lange nicht ausgeschöpft". Die UNO-Inspektoren müssten Bagdad "genaue Forderungen" stellen und sicherstellen, dass der Irak diese auch einhalte.

Anstimmung erst Mitte März

China unterstützt das Memorandum Frankreichs, Deutschlands und Russlands für eine intensive Fortsetzung der Waffeninspektionen im Irak. Das erklärte der chinesische UN-Botschafter Wang Jingfan am Montag bei einer Beratung des UN-Sicherheitsrates. Damit haben sich drei der fünf Veto-Mächte des höchsten UN-Entscheidungsgremiums eindeutig gegen die neue Irak-Resolution gestellt, die am selben Tag von den USA, Großbritannien und Spanien eingebracht worden war.

Mit einer schnellen Abstimmung über den Entwurf wird vorerst nicht gerechnet. Das Weiße Haus geht von einem Votum im Sicherheitsrat bis Mitte März aus. In Kreisen des Weltsicherheitsrates galt es als fraglich, ob Washington und London die erforderlichen 9 von 15 Stimmen zusammenbekommen werden. Bisher sei außer den USA, Großbritannien und Spanien nur Bulgarien für eine Resolution, die als Mandat für eine Militäraktion gedeutet werden könnte.

Schwarzer Tag für Sicherheitsrat

US-Außenminister Colin Powell warnte den Sicherheitsrat vor Untätigkeit. Nach Gesprächen in Peking meinte Powell am Montag, wenn der Irak seine Abrüstungsverpflichtungen nicht erfülle und die UN sich trotzdem weigerten zu handeln, "wird es ein schwarzer Tag für die Vereinten Nationen". Die USA sähen sich bereits heute zu einem Militärschlag "ausreichend autorisiert", sagte Powell, fügte aber hinzu: "Eine zweite Resolution wäre sehr hilfreich." Peking zeigte jedoch keinerlei Entgegenkommen. Der neue Parteichef Hu Jintao wiederholte im Gespräch mit Powell, dass China eine politische Lösung wolle.

Die unterschiedlichen Haltungen der EU-Staaten zur Irak-Krise prallten auch beim regulären Außenminister-Treffen am Montag in Brüssel aufeinander. Während der deutsche Außenminister Joschka Fischer für eine Verstärkung der Inspektionen warb, sprach sein britischer Kollege Jack Straw vom nahenden Ende der letzten Gelegenheit, die der irakische Herrscher Saddam Hussein erhalten habe. An diesem Dienstag fliegt Fischer nach London, um die Differenzen mit Premierminister Tony Blair und Straw zu erörtern. (APA/dpa/Reuters)