Wien - "Primaries mobilisieren viele Bürger, sie sagen aber nichts über die tatsächliche Wahlbeteiligung aus. College Kids zum Beispiel nehmen gern an Primaries teil, zu den Wahlen aber geht die solide Mittelklasse" , erklärt Jens Alber. Der Soziologieprofessor forscht an der FU Berlin zum Thema Ungleichheit und soziale Integration. Dieser Tage hielt er beim Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien einen Vortrag über die Unterschiede in der Wahlbeteiligung zwischen den USA und Europa.

Die Hauptdifferenz liegt laut Alber in der Wahlbeteiligung: "Oberschichten gehen überall in gleicher Stärke zur Wahl, die Unterschichten werden vom europäischen Modell viel eher eingebunden." Es gebe eine "Wahnsinnslücke" in der Repräsentation sozial Schwächerer in den Vereinigten Staaten (Grafik), die natürlich Implikationen für das politische System habe.

Das habe nicht nur mit Merkmalen des Wahlsystems zu tun (Wahl am Werktag), sondern auch damit, dass der europäische Sozialstaat viel inklusiver ist. Alber: "Europäische Staatsbürger haben viel eher das Gefühl, dass für sie bei der Wahl etwas auf dem Spiel steht." Selbst in den Ländern, die den USA strukturell am ähnlichsten sind wie etwa Großbritannien, seien soziale Einbindung und Wahlbeteiligung deutlich höher.

Auf den aktuellen Wahlkampf umgelegt heiße das: "Je stärker es Barack Obama gelingt, die Unterschichten zur Wahl zu bringen, und je mehr es um ,bread and butter issues‘ gehe, desto besser seien seine Chancen" , so Alber. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2008)