"Wir müssen Investitionen fördern, etwa Geld in die Wohnbausanierung stecken, was viele Arbeitsplätze bringen kann."

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STANDARD: Sie haben Kanzler Alfred Gusenbauer und sein Regierungsabkommen oft kritisiert. Warum gehen Sie jetzt nicht selbst ins SPÖ-Verhandlungsteam, um zu zeigen, wie man es besser macht?

Katzian: Weil sich diese Frage gar nicht gestellt hat. Die sozialdemokratischen Gewerkschafter haben einen Platz im Team, und den wird unser Vorsitzender Wilhelm Haberzettl einnehmen.

STANDARD: Warum soll es diesmal besser laufen?

Katzian: Die Verhandlungen stehen unter einem ganz anderen Stern. Beide Parteien sind für ihre Performance abgestraft worden. Außerdem gibt es eine Finanzkrise, die alles bisherige in den Schatten stellt und auf die Realwirtschaft übergeschwappt ist. Um die Arbeitslosenrate stabil zu halten, bräuchten wir ein Wachstum von 2,5 bis drei Prozent - prognostiziert sind aber maximal 0,9 Prozent. Wenn SPÖ und ÖVP darauf gute Antworten finden, werden sie das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen.

STANDARD: Welche Antworten?

Katzian: Ich verlange von einer neuen Regierung eine Garantie, dass die etwaigen Kosten für die Rettung von Banken nicht in drei, vier Jahren als Sparpaket auf die breite Masse umgewälzt werden. Da müsste man eben in Kauf nehmen, dass das Defizit das Maastricht-Limit von drei Prozent überschreitet. Es geht nicht, dass jenen, die uns vor kurzem noch zu Traummännlein erklärt haben, weil wir an die ordnende Kraft des Staates geglaubt haben, der Hintern gerettet wird, für die Sozialsysteme aber kein Geld da ist. Da würden die Leute zu Recht aufbegehren.

STANDARD: Was soll noch passieren?

Katzian: Der Neoliberalismus, dieses kapitalistische Gierprinzip, ist am Ende. Wir dürfen nach der Krise so nicht weitermachen wie zuvor. Wir brauchen deshalb neue Spielregeln für die Finanzmärkte...

STANDARD: ... die sich nicht im Alleingang einführen lassen. Was kann eine Regierung im kleinen Österreich tun?

Katzian:
Ein Konjunkturpaket schnüren, das alle Facetten umfasst. Wir müssen Investitionen fördern, etwa Geld in die Wohnbausanierung stecken, was viele Arbeitsplätze bringen kann. Ich wünsche mir auch, dass die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 52 Prozent des Letztbezugs auf 60 oder 70 Prozent angehoben wird. Und es soll ein Teil der Steuerreform auf 2009 vorgezogen werden, und zwar die Tarifreform.

STANDARD: Droht da nicht wieder eine Husch-pfusch-Aktion?

Katzian: Eine ganze Steuerreform geht sich nicht aus. Man könnte aber die Entlastung der Arbeitnehmer vorziehen, was zusätzliche Kaufkraft generieren würde.

STANDARD: Hat die SPÖ dafür vor der Wahl nicht leichtfertig zu viel Geld verpulvert?

Katzian: Nein. Der Finanzminister soll einfach das, was er sich in den letzten Jahren über die kalte Progression geholt hat, an die Steuerzahler zurückgeben. Und wenn - was ich nicht glaube - das Geld schon ausgegeben sein sollte, muss man die Steuersenkung eben gegenfinanzieren. Zum Beispiel mit einer Vermögenszuwachssteuer, was die SPÖ bei den Verhandlungen sicher auch fordern wird.

STANDARD: Sollte man angesichts fallender Börsenkurse die Privatisierung der AUA überdenken?

Katzian: Es spricht einiges dafür, über eine Verschiebung des Verkaufes der AUA-Anteile nachzudenken. Der Punkt ist nur: Bis 28. Oktober soll die Entscheidung über den künftigen Partner fallen, doch uns als Gewerkschaft liegen keine detaillierten Infos über die Pläne der Bewerber vor. Deshalb fällt mir eine Bewertung schwer.

STANDARD: Freuen Sie sich eigentlich auf die rot-schwarze Koalition?

Katzian: Mit Freude hat das wenig zu tun. Als Gewerkschafter habe ich an eine Regierung konkrete Erwartungen, mir ist aber relativ wurscht, wie diese zusammengesetzt ist. Als Sozialdemokrat sage ich Ihnen: Angesichts der Alternativen muss man diese Koalition pragmatisch akzeptieren.

STANDARD: Warum so nüchtern? Sie haben ja gute Chancen, Sozialminister zu werden. Doch angeblich sollen Arbeitergewerkschafter Vorbehalte gegen Sie hegen.

Katzian: Ich schließe nicht aus, dass es so was gibt, fände es aber lächerlich. Es gibt mehrere Leute in der Gewerkschaft, die das Zeug zum Sozialminister hätten. Doch darum geht's im Moment nicht. Zu gegebener Zeit werde ich selbst entscheiden, wo ich am besten im Interesse unserer Mitglieder tätig sein kann - das ist die Messlatte.

STANDARD: Wie könnte ein Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP im EU-Streit aussehen?

Katzian: Werner Faymann und Josef Pröll müssen die richtigen Prioritäten erkennen: Abfederung von Finanz- und Wirtschaftskrise, Erhaltung der sozialen Systeme. Ich gehe nicht davon aus, dass eine große Änderung der EU-Verfassungsverträge ansteht. Beide verbauen sich nichts, wenn sie das Thema Volksabstimmung erst einmal auf die Seite schieben und außer Streit stellen. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2008)