Michael Hertl: "Goethe in seiner Lebendmaske", Verlag Königshausen & Neumann, 144 Seiten, 19,80 Euro

Foto: Verlag Königshausen & Neumann

Düsseldorf - Unter allen Goethe-Darstellungen kann nach Abschluss jüngster Forschungen nur ein Porträt als lebensecht gelten. Dies sei die sogenannte Weißer-Büste, die 1808 nach einer zuvor entstandenen "Lebendmaske" des Dichters entstanden ist, sagte der Mönchengladbacher Mediziner und Physiognomie-Experte Prof. Michael Hertl am Dienstag in Düsseldorf. Die in zwei Exemplaren in den Goethe-Museen von Weimar und Düsseldorf gezeigte Büste ist von dem Bildhauer Carl Gottlob Weißer (1780-1815) geschaffen worden und stellt den reifen, 58-jährigen Goethe genau "bis in die Pockennarben" dar, sagte Hertl.

Insgesamt gebe es bis zu 80 zeitgenössische Darstellungen Goethes als Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen oder Silhouetten. In alle diese Bildnisse sei jedoch die persönliche Sicht der jeweiligen Künstler eingeflossen, erklärte der Direktor des Düsseldorfer Goethe-Museums, Volkmar Hansen: "Wir zeigen das authentischste Porträt, das es von Goethe überhaupt gibt."

"Unter diesen Augen müssen Gedanken sitzen, die uns im Moment nicht zugänglich sind"

Hertl, der bereits mehrfach bedeutende Tot- und Lebendmasken untersucht hat, hatte für seine Forschungen im Computertomographen mehrere existierende Gesichts-Masken Goethes exakt vermessen. Eine immer wieder in der Literatur erwähnte und von dem bedeutenden Bildhauer Johann Gottfried Schadow 1816 bei seinem Besuch in Weimar angeblich abgenommene zweite Lebendmaske des Dichters existiere nicht, sagte der Mediziner. Der Berliner Künstler habe entgegen bisherigen Vermutungen im Hause Goethes lediglich eine weitere Kopie der Weißer-Maske angefertigt, betonte der Experte, der seine Forschung jetzt abschließend als Buch vorgelegt hat. Hertl: "Der Streit ist vorbei, es gibt nur eine Lebendmaske."

Allerdings werde die lebensechte Darstellung Goethes von dem Umstand beeinflusst, dass dem gefeierten Weimarer die langwierige Abformung seiner Maske äußerst lästig gewesen sein muss, meint der Physiognomie-Forscher. An den heruntergezogenen Mundwinkeln und den scharfen Falten zwischen den Augen sei zu bemerken, "dass da einer widerwillig ist". So spreche aus dem Gesicht "ein fast bedrängender Ernst".

Bemerkbar sei auch eine bei vielen Menschen auftretende leichte Gesichts-Asymmetrie, wobei bei Goethe - wie auch an seinem Schädel nachweisbar - die linke Gesichtshälfte und Augenhöhle etwas größer sei. Auffällig sei nicht nur die hohe Stirn, sondern auch die "großen, großen Augen" Goethes, sagte der Forscher: "Unter diesen Augen müssen Gedanken sitzen, die uns im Moment nicht zugänglich sind." (APA/dpa)