Die Salatschüssel als Proton: Mit einfachenMitteln will man Physik verständlich machen und für das Fach werben.

Foto: STANDARD/Newald

Im "Big-Bang-Raum" regnet es Zahlen wie im Film "Matrix": die Visualisierung des größten Experiments aller Zeiten mit Lichteffekten.

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Gegen Ende der Ausstellung über den Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) steht der Besucher unter einem großen Ballon, der Erde. Den möglicherweise aufkommenden Gedanken, die Gestalter der Schau hätten da Symbolhaftes im Sinn gehabt - der relativ leicht zerstörbare Ballon könnte für das Ende des Planeten stehen - darf man gleich wieder verwerfen. Die Gestalter der Ausstellung in der Aula der Wissenschaften in der Wiener Innenstadt sind echte Physiker und neigen daher nicht zu Katastrophenspekulationen, wie sie vor Inbetriebnahme des LHC am 10. September verbreitet wurden. (Die Erde würde demnach aufgrund von Teilchenkollisionen und schwarzen Löchern im LHC nicht mehr lange stehen.)

Ihr Job ist es, Fakten darzustellen. Zumal es jene Hochenergiephysiker der Akademie der Wissenschaften sind, die direkt an einem LHC-Teilexperiment arbeiten: Über den Detektor "Compact Muon Solenoid" (CMS) soll in den Überresten der Kollisionen endlich jenes Teilchen gefunden werden, dessen Existenz vom Briten Peter W. Higgs in den 1960er-Jahren prognostiziert wurde und das sich bis heute dem direkten Nachweis erfolgreich verwehrt hat.

Die Ausstellung mit dem allumfassenden Titel "LHC 2008 - Die größte Maschine der Welt auf der Suche nach den kleinsten Teilchen des Universums" will vor allem aufklären: über die langjährige Arbeit der Wiener Hochenergiephysiker und der Physiker am Genfer Kernforschungszentrum Cern, über Teilchentheorien und schwarze Löcher, die im Teilchenbeschleuniger entstehen könnten; über die Vielzahl an Daten, die durch das Experiment (15 Petabyte=1.000,000.000,000.000 Bytes) anfallen und über ein weltweites Datennetz verarbeitet werden; über den Sinn des gigantischen Aufwands und über den Nutzen des LHC. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang die Lust, Erkenntnisse zu gewinnen, erwähnt, denn durch den LHC will man zum Beispiel mehr über die Materie kurz nach dem Urknall in Erfahrung bringen.

Manfred Krammer und Wolfgang Lucha vom Institut für Hochenergiephysik der Akademie der Wissenschaften versprechen, bei der Gestaltung auf möglichst einfache Bilder und Worte gesetzt zu haben. Durch Installationen, die mit Druckknopf bedient werden, Schultafeln mit Magneten, die die Elementarteilchen symbolisieren, und eine darüberzustülpende, ebenfalls magnetische Salatschüssel als Proton wird klar, was sie mit dem Prinzip der Verständlichkeit meinen - und wie sie Schüler ansprechen wollen. Damit diese wieder einmal eine Antwort auf die oft gestellte Frage "Wozu muss ich Physik lernen?" bekommen.

Besser erklären

Eine Antwortmöglichkeit: Um die Welt und was sie zusammenhält ein wenig besser erklären zu können. Lucha freut sich über jeden Schüler, der wegen dieses mit dem Wissenschaftsministerium gestalteten Ausstellungsprojekts sein Interesse für Physik entdeckt. Er weiß aber auch, dass die Lehrplangestaltung in den Schulen genau das manchmal verhindert.

Eine Lichtinstallation der Künstlerin Margarete Neundlinger wird die Besucher zumindest neugierig machen. Hier wird das LHC-Experiment noch einmal visualisiert: Teilchen, die immer schneller aufeinander zurasen. Partikel, die nach einem Crash durch den Raum fliegen, und schließlich Zahlen, die an den Wänden hinunterregnen. Ein Bild- und Klangerlebnis, das diesen "Big-Bang-Raum" zur Attraktion machen soll. In seiner Mitte steht eine Funkenkammer, in der die Ausstellungsbesucher kosmische Myonen sehen können, von denen die Atmosphäre täglich durchdrungen wird. Myonenschauer, die auf die Erde niedergehen, setzten meist deutlich mehr Energie frei als die Teilchenkollisionen am LHC.

Die Physiker Krammer und Lucha glauben, dass die momentan abgeschaltete Maschine im April 2009 wieder aktiv wird. Es habe lange gedauert, den auf minus 271 Grad Celsius abgekühlt Beschleuniger wieder aufzuwärmen und den Schaden zu erheben, weil die für die Zwecke eingerichtete Heliumleitung beschädigt war. Das Experiment sei auf zehn Jahre ausgerichtet. Der für die Anfangsphase erwartbare Rückschlag "kann uns nicht aus der Bahn werfen". (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 15.10.2008)

Aula der Wissenschaften, 1010 Wien, Wollzeile 27a, 15. bis 31. Oktober, Mo-So von 10-19 Uhr, Do bis 21 Uhr. Eintritt frei.