Heinz Fischer über sein Amt: "Der Bundespräsident hat Kompetenzen, die so ähnlich zu verstehen sind wie die Notbremse eines Zuges."

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Wien – "Junge Leute wissen nicht, was sie bewirken, wenn sie Populisten ihre Stimme geben", zeigte sich Josef Kirchner alarmiert. Der Tiroler war einer der jungen Gäste auf dem prominent besetzten Podium der Auftaktveranstaltung der neuen Diskussionsreihe "Politische Kultur – Zukunft am Wort", vom Standard und dem ORF Wien.

Am 7. Oktober, einen Tag vor der Regierungsbildungsbeauftragung, stand im Dschungel Wien der Bundespräsident im Mittelpunkt. Moderiert von Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, stellten sich Heinz Fischer, Politologe Peter Filzmaier, der Tiroler Student Josef Kirchner sowie die AHS-Schülerinnen Victoria Staus und Sara Mansour Fallah aus Wien der Debatte. Die Zuschauertribünen waren voll von Jugendlichen.

Der Zustrom junger Wähler zu den rechten Parteien FPÖ und BZÖ bei der Nationalratswahl 2008 war eines der ersten Themen, das die jungen Gäste besorgt ansprachen. "Es fängt damit an, dass wir kein Unterrichtsfach 'Politische Bildung' haben", schob Staus die Schuld an rechts wählenden Jugendlichen auf Mängel im Bildungswesen.

Die Jugend dürfe nicht über einen Kamm geschoren werden, schränkte Politologe Filzmaier ein. Er forderte alle AHS-Schüler im Publikum dazu auf, sich zu melden – die klare Mehrheit gab ein Handzeichen, Filzmaier sah sich bestätigt. Denn "gerade im Wahlverhalten gibt es einen großen Unterschied zwischen Schülern aus allgemein- und berufsbildenden Schulen", betonte er.

In den BHS hätten deutlich mehr Jugendliche FPÖ und BZÖ gewählt, die Grünen waren an Gymnasien stärker. Seine Forderung nach politischer Bildung umfasst mehr: Sie müsse nicht nur in das Schulwesen, sondern auch in "das Alltagsleben" einziehen, um alle jungen Wähler zu erreichen. "Sehr am Herzen" liege ihm die politische Bildung, betonte der Bundespräsident. Er selbst habe Vorlesungen dazu gehalten, denn es sei das Fundament einer jeden Demokratie. Anders als bei parteipolitischer Bildung gehe es dabei "um das Wesen der Demokratie".

"Demokratie ist schrecklich kompliziert", betonte Fischer. Sie funktioniere, solange sie sich selbst an ihre eigenen Regeln halte. "Der Bundespräsident muss der Erste sein, der sich genau an die Spielregeln hält", betonte Fischer angesichts der Vorwürfe kritischer Jugendlicher. Denn diese forderten von ihm ein stärkeres, zumindest verbales Eingreifen in die politische Kultur. "Ich habe Bauchweh in Situationen, in denen Sonderanstalten für Asylanten eingerichtet werden oder italienische Faschisten den Wahlsieg von Parteien bejubeln, deren Wahlkampf auf Ausländerhetze basierte", erzählte Mansour-Fallah.

In solchen Zeiten wünsche sie sich, dass ein Bundespräsident die Stimme erhebe. In ihrem Geschichtsbuch werde das Amt des Präsidenten als "schlummernde Macht" bezeichnet. "Hat diese schlummernde Macht in den nächsten Wochen aufzuwachen?", fragte Mansour-Fallah. "Ich habe weder den Ehrgeiz, ein schüchterner, von seinen Kompetenzen kein Gebrauch machender Bundespräsident zu sein, noch habe ich den Ehrgeiz, mich in den Vordergrund zu drängen", konterte das Staatsoberhaupt.

Er wolle kein "Zwischenrufer" zu tagespolitischen Themen sein, sondern sich auf "wichtige Themen" konzentrieren, bei denen er "auch wirklich" gehört werde.

"Der Bundespräsident hat Kompetenzen, die so ähnlich zu verstehen sind wie die Notbremse eines Zuges", führte Fischer aus. Politologe Filzmaier brachte ein konkretes Beispiel ein, um den anwesenden Jugendlichen die Macht und Ohnmacht eines Staatsoberhaupts zu erklären. "Er darf beispielsweise, wenn er hier im Raum genug über 18-Jährige findet, diese zu Mitgliedern der Bundesregierung ernennen", meinte Filzmaier.

Doch dieser Spielraum werde unter anderem vom Parlament beschränkt. Sinn der Kompetenzen des Bundespräsidenten sei für Filzmaier vor allem, "dass er bestimmte Personen ernennen oder ablehnen kann", erinnerte der Politologe an das Eingreifen des ehemaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil bei der schwarz-blauen Regierungsbildung im Jahr 2000.

Ebenfalls begrenzt werde die Macht des Präsidenten durch politische Traditionen, sagte Fischer. So schreibe diese vor, dass er dem Spitzenkandidaten der stärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteile.

Die "politische Kultur" der letzten 18 Monate und des Wahlkampfes wurde kritisiert, was sich die Gäste von den kommenden fünf Jahren wünschen würden, fragte deshalb Moderatorin Föderl-Schmid am Ende.

Die Forderung von Schülerin Mansour-Fallah: "Einen stilvollen und moralischen Umgang mit politischer Macht von allen, sei es der Bundespräsident oder die politischen Parteien." (red/DER STANDARD, 14.10.2008)