Selbsthilfegruppen haben eine wichtige Funktion, der Grat zwischen Aufklärung und Instrumentalisierung ist schmal.

Foto: Diller/Dt. Rheuma-Liga

Die Anzeigenkampagne der Pharmafirma Wyeth "Awareness für rheumatoide Arthritis"

Foto: Welldone
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Frage-Antwort-Beispiel

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"Viele halten Rheuma für ein Wehwehchen alter Leute", klagt Daniela Loisl, Präsidentin der Rheumaliga Österreich. Dass dieses tückische Leiden Tausende in Österreich schon zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr trifft, wüssten zu wenige. Und genau das war für die Rheumaliga auch der Anlass, eine Anzeigen-Kampagne für mehr Awareness zu starten.

Sie sah wie folgt aus: In einer ersten Etappe wurde in sechs österreichischen Medien die kryptische Frage "Wie sieht ihre Lösung dafür aus, Herr ...?" an sechs verschiedene Meinungsführer im österreichischen Gesundheitssystems in Form eines Inserates gerichtet. Konkret adressiert waren Franz Bittner, Chef der Wiener Gebietskrankenkasse im Kurier, Ärztekammerpräsident Walter Dorner in der Presse, Gewerkschaftschef Rudolf Hundstorfer in der Krone, SPÖ- Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser in der Ganzen Woche und Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer; in der Anzeige des Standard wurde Rheuma-Experte Josef Smolen angesprochen.

Kein Wissen darüber

In der zweiten Anzeigenwelle eine Woche später wurden die Statements der Befragten publiziert: Diesmal aber prangte auf den Anzeigen plötzlich der Auftraggeber der Kampagne, die Pharmafirma Wyeth, die sich diese Art der Awareness 300.000 Euro hatte kosten lassen.

Sabine Oberhauser zum Beispiel wusste nicht einmal, dass eine Pharmafirma dahintersteckte, als sie ihre Antwort schickte. Sie glaubte an eine uneigennützige Kampagne, als sie ihr Statement schickte. Im Inserat wirkt ihre Stellungnahme so, als befürworte sie den uneingeschränkten Einsatz neuer Antirheumatika. Auf Nachfrage des Standard will es die SPÖ-Gesundheitssprecherin ganz anders verstanden wissen, nämlich als Plädoyer für eine seriöse Bewertung aller verfügbaren Therapieoptionen.

Orientierung an Leitlinien


Auch die Antwort von Franz Bittner, Chef der Gebietskrankenkassen, musste in einer Wyeth-Kampagne verwundern. Er plädiert für den "möglichst frühen Einsatz moderner Medikamente". Auf Nachfragen rückt er sein Statement ins rechte Licht und beruft sich auf geltende Leitlinien zur Behandlung von rheumatoider Arthritis. Dort ist genau festgelegt, "dass ein Biologikum erst dann verschrieben werden kann, wenn zwei Basistherapeutika versagt haben", so Bittner.

Wie also ist die Geschichte gelaufen?

Im Rückblick gesteht Daniela Loisl einen "Denkfehler" ein. Denn dass Wyeth in der ersten Anzeigenwelle nicht genannt war, habe sie ursprünglich richtig gefunden. Niemand sollte vom Namen der Firma auf den des Medikaments schließen. Das wäre ja verbotene Laienwerbung, viele fragten sich aber schnell, warum die Rheumaliga sich so großformatige Inserate leisten konnte.

Als Absender der Anzeigen war neben der Rheumaliga allerdings auch "Der Österreichische Patient" genannt. Dabei handelt es sich um einen Verein, der nichts weiter tut, als eine Website zu unterhalten, die Gesundheitskampagnen begleitet. Im Impressum sind als Verantwortliche der Allgemeinmediziner Erwin Rebhandl und die Sozialmedizinerin Anita Rieder genannt. Die Nachfrage, wer über die Inhalte der Website entscheide und welchen Anteil sie daran habe, will Rieder auf Anfrage des Standard "nicht zwischen Tür und Angel" beantworten. Rebhandl gibt sich auskunftsfreudiger: Im Fall der rheumatoiden Athritis war es Robert Riedl.

PR-Agentur und Lobbyingbüro

Riedl ist Inhaber der auf Gesundheitsthemen spezialisierten PR-Agentur Welldone und des Lobbyingbüros Peri Consulting. Er hat ein dichtes Netzwerk von Pharmafirmen über Ärztevertreter bis hin zu den Vorständen der Sozialversicherungen geknüpft. Für die Wyeth-Kampagne spielte Riedl seine wertvollsten Kontakte aus.

Hintergründe

An die 10.000 Österreicher und Österreicherinnen sind wegen einer aggressiven rheumatoiden Arthritis in Behandlung. Etwa 4500 von ihnen werden bereits, weil Standardmedikamente bei ihnen versagen oder zu starke Nebenwirkungen haben, mit Biologika therapiert, was im Jahr pro Patient 12.000 Euro kostet. Die anderen werden mit Standardmedikamenten wie Methotrexat zu einem Jahrespreis unter 200 Euro versorgt. Auf diese Patientengruppe hat es Wyeth, in Lizenz Hersteller des Wirkstoffs Etanacerpt, abgesehen. Die Zeit drängt nicht nur, weil Patente ein Ablaufdatum haben, sondern auch deshalb, weil mit Tocilizumab von Roche ein potentes Konkurrenzpräparat unmittelbar vor der Zulassung steht. Daneben sind vier weitere Biologika für rheumatoide Arthritis an Patienten im Einsatz.

Plattform "Der Österreichische Patient"

Werden Biologika zur Basistherapie bei aggressiv verlaufender rheumatoider Arthritis, steigen die Arzneimittelausgaben in Österreich um fünfzig Millionen Euro. Wyeth-Sprecher Michael Oberreiter kann am Vorschieben der Rheumaliga und der Plattform "Der Österreichische Patient" nichts Anstößiges erkennen, es sei der Medikamentenname schließlich nicht erwähnt worden. Wyeths PR-Partner Riedl hat indes die Flucht nach vorn angetreten: Am 21.Oktober lädt er zur Podiumsdiskussion ins Museumsquartier: "Aware-nesskampagnen - Fluch oder Segen". Vier, die seiner Kampagne nahestehen, hat Riedl schon. Ein Kritiker wird noch gesucht.
(Stefan Löffler, DERSTANDARD, Printausgabe, 13.10.2008)