Die Übernahme von unabhängigen Stromnetzbetreibern wird erschwert.

Foto: Standard

Die EU-Energieminister haben sich am Freitag nach langwierigen Verhandlungen auf die
Rahmenbedingungen für den Energie-Binnenmarkt geeinigt. Bis zuletzt wurde um Bestimmungen für Übernahmen gefeilscht.

Luxemburg/Brüssel – Die EU-Energieminister haben bei ihrem Treffen am Freitag in Luxemburg einen Kompromiss über die letzten Details zur nächsten Reform der Strom- und Gasmärkte gefunden. "Wir haben eine Einigung erzielt, und zwar in allen Punkten" , sagte der französische Energieminister und amtierend Ratsvorsitzende Jean-Louis Borloo. Nun müsste noch eine Einigung mit dem EU-Parlament erzielt werden, und das sollte im ersten Halbjahr 2009 unter tschechischer Präsidentschaft gelingen.

Bis zuletzt rangen die Minister um eine Klausel für stärkeren Übernahmeschutz von Unternehmen in EU-Staaten, in denen Produktion und Übertragungsnetze bereits völlig getrennt sind. Dies hatte eine Gruppe von Ländern um die Niederlande gefordert. Dem Kompromiss zufolge darf nun ein Versorger wie der heimische Verbund zwar in den Niederlanden keinen Netzbetreiber kaufen, aber einen anderen Kraftwerksbetreiber. Der jeweilige nationale Regulator kann das verhindern, muss das aber von der EU-Kommission genehmigen lassen.

Mit dem Gesetzespaket soll der grenzüberschreitende Wettbewerb in den europä-ischen Strom- und Gasmärkten angekurbelt werden. Kernstück des Pakets ist die stärkere Trennung zwischen Energieproduktion und Netzbetrieb. Weiters soll eine neue Energie-Agentur nationale Abschottungsversuche unterbinden.

Die Energieminister haben sich im Juni auf Druck von Deutschland, Frankreich, Österreich, Griechenland, Bulgarien, Luxemburg, Lettland, Slowakei und Tschechien darauf geeinigt, dass Strom- und Gaskonzerne unter strengen Bedingungen ihre Überleitungsnetze behalten dürfen, wenn sie das wollen. Die Kommission hatte nur den Verkauf der Netze oder die Auslagerung in einen unabhängigen Netzbetreiber vorgesehen.

In der Diskussion um die Klimaziele forderte Österreichs Energieminister Martin Bartenstein angesichts der Zuspitzung der Lage auf den Finanzmärkten zwar keine Verschiebung der EU-Klimaschutzauflagen, drängte aber auf rasche Ausnahmen für die energieintensive Industrien. Sollte es zu keiner Gratiszuteilung von CO2-Zertifikaten kommen, wären energieintensiven Industrien und "etliche hunderttausend Arbeitsplätze effektiv gefährdet", sagte er.

Er erwarte nun ein "deutliches Signal" beim EU-Gipfel nächste Woche.
Die Beschlüsse des Europaparlaments seien "alles anderer als nachvollziehbar" und die Haltung der Sozialdemokraten und Liberalen "standortschädigend und diametral gegen die Interessen europäischer Arbeitsplätze gerichtet" , sagte Bartenstein.

Nach dem Industrieausschuss hatte sich auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments für strenge Klimaschutzvorgaben für die Industrie ausgesprochen. (APA, mimo, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.10.2008)