Die Teilnehmerinnen des Projekts "Berufliche Weiterbildung für junge Frauen im Kosovo" der Volkshilfe Österreich, unter ihnen auch Mirlinda Maksutaj (2.v.l.) erhoffen sich vom Kurs bessere Chancen am Arbeitsmarkt im Kososvo.

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v.l.n.r.: Gundi Dick (Volkshilfe Österreich), Mirlinda Maksutaj und Dolmetscherin Brikena Keco

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Neben der aktuell wieder aufkeimenden Frage nach der Unabhängigkeit des Kosovo stellt die wirtschaftliche Entwicklung die größte Herausforderung für die weitere Zukunft des Landes dar. Rund zwei Flugstunden von Wien entfernt ist die schwelende Finanzkrise wohl nur ein Detail am Rande. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner lag im Jahr 2006 bei gerade mal bei 1.100 Euro. Gut die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Das drückendste Problem ist aber die Arbeitslosigkeit. 2008 waren cirka 43 Prozent der Bevölkerung ohne Arbeit. Bei den 16 bis 24-jährigen ist die Rate noch höher und liegt bei rund 60 Prozent. Besonders stark betroffen sind junge Frauen.

Waren nach dem Kosovo-Krieg 1999 vor allem finanzielle Hilfestellung und Hilfslieferungen nötig, sind Hilfe zur Selbsthilfe nun adäquatere Mittel, um im und für das Land die nötigen Weichen zu stellen. Die Volkshilfe Österreich hat im Frühjahr dieses Jahres mit Partnern vor Ort ein Projekt zur beruflichen Weiterbildung junger Frauen im Kosovo ins Leben gerufen. Mit den rund 30.000 Euro, die zu einem Großteil von der Abteilung für Auslandsbeziehungen der Stadt Wien stammen, erhalten junge Frauen in den Gemeinden Orahovac und Suva Reka eine Ausbildung im Bereich der Feinbäckerei sowie Schulungen, die sich mit Fragen der Jobsuche, Selbstständigkeit und Gründung von Kleinbetrieben befassen.

Mirlinda Maksutaj ist eine der Teilnehmerinnen. Spots in Radio und Fernsehen machten sie auf den Kurs aufmerksam und sie sei gleich begeistert gewesen, erklärt sie im Gespräch mit derStandard.at in Wien, bei dem Dolmetscherin Brikena Keco aus dem Albanischen übersetzte.

Die 27-Jährige Maksutaj lebt mit ihren beiden jüngeren Geschwistern im Elternhaus. Der Vater ist krank, die Mutter war immer Hausfrau, eine geregelte Arbeit hat niemand in der fünfköpfigen Familie. Mit der Unterstützung vom Staat - 65 Euro im Monat - ist kein zufrieden stellendes Auskommen zu sichern. "Es ist schwierig, überhaupt einen Job zu finden. Aber ich hoffe, dass sich meine Chancen durch den Kurs verbessert haben", erzählt Mirlinda Maksutaj.

Veränderung

Mit einem Job würde sich vieles verändern, glaubt Maksutaj. "Ich könnte meine Familie finanziell unterstützen, außerdem hätte ich einen regelmäßigen Tagesablauf. Denn es ist schwierig, wenn man in der früh aufwacht und nicht weiß, wie es weiter geht."

Die Probleme sind allgegenwärtig. In Papaz, dem 300-Seelendorf aus dem Maksutaj stammt, gibt es nur drei bis vier Frauen, die einen Job haben, erzählt sie. Sie habe schon das Gefühl, dass es Männer leichter hätten. "Wahrscheinlich weil die Männer eine bessere Ausbildung haben. Viele Frauen können es sich nicht leisten, in die Schule oder an die Universität zu gehen." Mirlinda Maksutaj selbst hat die Schule bis zu ihrem 15. Lebensjahr besucht. Seitdem hat sie noch keinen Job gehabt.

Papaz liegt ungefähr 15 Kilometer von Suva Reka entfernt, die Fahrt aber dauert "40 Minuten mit dem Bus". Nicht nur die Auswirkungen des Krieges liegen schwer auf den Schultern des Kosovo. Schon zu den Zeiten, als der Kosovo noch eine autonome Provinz in der Republik Jugoslawien war, war die Infrastruktur nur schlecht entwickelt. In den 1990er Jahren verfiel sie zusehends weiter, der Krieg 1999 trug sein Übriges dazu bei. Der Grad der Zerstörung ist hoch. "Mein Dorf war völlig zerstört, alles war dem Erdboden gleichgemacht", erzählt Maksutaj. Mit Hilfe von der Caritas Österreich wurde das Dorf bis zum Jahr 2000 wieder aufgebaut.

Träume

An den Kurs knüpft Mirlinda Maksutaj die Hoffnung auf eine bessere Zukunft: "Ich würde gerne einmal ein eigenes Restaurant eröffnen, wo ich viele Menschen bewirten kann. Und ich würde dann auch gerne mit den Teilnehmerinnen des Kurses zusammenarbeiten oder ihnen Jobs anbieten." Dass das nicht ganz einfach wird, weiß sie sehr genau. Es sei schwierig, Kredite zu bekommen, da die Banken zu viele Sicherheiten verlangen. Mikrokredite stellen hier vielleicht eine Möglichkeit dar, davon hat sie aber bisher noch nichts gehört.

Im Zuge des Kurses werden einerseits auch Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern hergestellt, andererseits erhalten die Teilnehmerinnen auch Unterstützung zur Selbstständigkeit. "Vor Start des Projektes wurde als Ziel definiert, dass die Hälfte der 25 Teilnehmerinnen nach Projektende einen Job finden und rund ein Drittel sich selbständig machen. Der Kurs läuft im Dezember 2008 aus, danach soll noch ein Trainingstool folgen, das den Weg in die Selbständigkeit erleichtern soll", erklärt Gundi Dick von der Volkshilfe Österreich.

Im Projekt selbst sei eine Mikrofinanzierung nicht vorgesehen, ergänzt Dick. "Geplant ist, dass die Küchengeräte und -utensilien, die für die Lehrküche angeschafft wurden, auf die Gruppe bzw. einzelne in der Gruppe übergehen sollen, als Starthilfe." Zusätzlich werden Möglichkeiten überlegt, um die Nachhaltigkeit zu sichern, so Gundi Dick.

Derzeit steht der Kosovo vor der Aufgabe, sich der EU auf allen Ebenen anzunähern. Viele EU-Mittel fließen in das Land, in erster Linie zum Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen. Der Minderheiten-Konflikt steht außerdem im Blickpunkt. Gundi Dick hofft, dass das Land die Möglichkeit erhält, seine eigenen Potenziale zu erforschen und für die Zukunft gewinnbringend umzusetzen. Die Menschen im Kosovo hätten bisher nie die Möglichkeit gehabt, eine eigene Regierung zu gründen und somit auch die Geschicke des Landes selber zu steuern, meint Mirlinda Maksutaj. Sie glaubt, es werde noch lange dauern, bis sich die Lage tatsächlich verbessert. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt die junge Frau. (Daniela Rom, derStandard.at, 9.10.2008)