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STANDARD: Was treibt Populismus heute an?

Heinisch: Traditionelle Institutionen und Ideologien haben an Bedeutung verloren. Gleichzeitig gibt es Prozesse, die für viele Menschen nicht nachvollziehbar sind. Experten entscheiden Dinge, die in ihrer Komplexität von den Leuten kaum verstanden werden. Populisten haben den Vorteil, dass sie einfache Lösungen für sehr konkrete Probleme anbieten. Sind sie allerdings in Regierungsverantwortung, dann werden sie gefordert und es kommt zur Entzauberung.

STANDARD: Werden die Themen komplexer oder gelingt es schlechter, sie zu kommunizieren?

Heinisch: Die Themen sind komplexer, die Präferenzen heterogener. Wenn ich heute etwas für die einen durchsetze, vergräme ich die anderen. Das erschwert es Parteien, große Würfe zu machen. Die Politik in Europa schafft es außerdem ganz schlecht, Notwendigkeiten zu vermitteln. Die wenigsten Österreicher können die Bedeutung von Wissenschaftspolitik mit ihrem Arbeitsplatz verbinden. Das hat mit den Vermittlungsmechanismen zu tun und einer Art Gemüsegarten an Angeboten. Die Leute suchen aus, was sie ohnehin glauben.

STANDARD: Viele politische Entscheidungen verlagern sich auf EU-Ebene, das lässt traditionelle Parteien noch unbeweglicher aussehen. Was lässt sich dagegen tun?

Heinisch: Es fehlt mir, dass sich ein Bundeskanzler mit Reden vor das Volk hinstellt oder das Land bereist und über Schwerpunkte versucht, Politik zu verkaufen. Politik wird nur im Wahlkampf verkauft.

STANDARD: Warum fällt es so schwer, Populisten argumentativ zu entzaubern?

Heinisch: Eine populistische Partei ist per Definition auf einen Führer zentriert, von dem sie auch neue Vorgaben erhält. Die FPÖ unter Haider hat sich von 1986 bis 1999 völlig ins Gegenteil verkehrt. Sie wandelte sich von einer vor allem im ländlich-kleinstädtischen Bereich agierenden, eher deutschnationalen, antikatholischen, mittelständischen und lose strukturierten Partei zu einer straffen Führerpartei mit Österreich-patriotischen und sogar konservativ-katholischen Elementen, deren Stärke im städtischen Arbeitermilieu zu finden war. Das wäre bei einer institutionalisierten Partei nie möglich. (Alexandra Riegler/DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2008)