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Die Bilder, die Mitteuropa in den vergangenen Wochen und Monaten aus Thailand erreichen, ähneln sich. Chaos auf den Straßen Bangkoks, wütende Demonstranten, martialisch gewandete Polizisten, die Tränengasgranaten zur Explosion bringen, gelbe Stirnbänder, durch die Demonstranten ihre Königstreue zum Ausdruck bringen. Was sich geändert hat, sind die Inhalte, die von den Demonstranten auf die Straße gebracht werden.

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Diesmal geht es nicht gegen die Militärjunta, die 2006 den Milliardär und Premierminister Thaksin Shinawatra aus dem Amt gejagt hat, sondern gegen die amtierende Regierung, die von Thaksins Schwager Somchai geführt wird. Die außerparlamentarische Volksallianz für Demokratie (PAD) will den Premier, der von der pro-Thaksin-Partei der Volksmacht (PPP) gestellt wird, aus dem Amt entfernen und das von den Militärs reinstallierte demokratische System, dem sie übermäßige Anfälligkeit für Korruption vorwerfen, ersetzen.

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Die PAD stehe für eine neue Art von "Thai-style People's Democracy", sagt der deutsche Politologe und Thailand-Experte Michael H. Nelson, der an der Bangkoker an der Chulalongkorn-Universität lehrt. "Die PAD glaubt, dass das repräsentative System in Thailand fehlgeschlagen sei, weil die Politiker nur über Geld ins Parlament kämen." Die "alte Politik" solle nach dem Willen der PAD durch eine „neue Politik" ersetzt werden, worin diese bestehe, sei völlig unklar, sagt Nelson, der sich in der PAD an „eine Art leninistischer Avantgarde" erinnert fühlt.  

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Was die PAD unter Demokratie versteht, wird aber durch einen neuen Vorschlag deutlich, der vorsieht, dass die Hälfte der Parlamentarier gewählt, die andere durch Berufsorganisationen ernannt werden sollten. Neben dem Haus und dem Senat solle es in Thailand künftig eine dritte Kammer der Parlaments geben, die so genannte Volksversammlung, in die sich Vertreter der dörflichen Gemeinschaften wählen lassen können.

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Nachdem die PAD Schützenhilfe durch einen Teil der Bangkoker Intelligenz verspürte, ging sie in den vergangenen Wochen noch einen Schritt weiter und dachte öffentlich über einen noch drastischeren Systemwechsel in der traditionellen Monarchie nach, in der öffentliche Kritik an König Bhumipol nach wie vor nicht artikuliert wird.

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Ein direkt gewählter und vom König bestätigter Premierminister solle künftig für mehr Transparenz und weniger Korruption sorgen. Was die PAD von anderen Protestbewegungen unterscheidet, ist nach Ansicht von Michael H. Nelson ihre enorme mediale Hausmacht. Sondhi Limthongkul, Medientycoon und Gegenspieler des gestürzten Premiers Thaksin, unterstützt die Antiregierungsproteste nicht nur mit einer eigenen Zeitung, sondern auch mit dem Satelliten-TV-Sender ASTV, der von Hongkong aus gegen die Regierung Somchai agitiert.

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„Dieser Sender hat im Moment den einzigen Zweck, die Proteste in Bangkok 24 Stunden pro Tag zu übertragen und Hass auf die Regierung zu schüren", sagt Nelson, der davon spricht, dass ASTV 400 Mitarbeiter extra dafür abgestellt habe. Propagandistisch derart aufgerüstet, war es für die PAD ein Leichtes, Demonstranten zur Blockade und Stürmung des Regierungsgebäudes im Zentrum Bangkoks aufzurufen. „Die PAD will mehr als bloß Neuwahlen, aus denen die PPP womöglich abermals als stärkste Kraft hervorgeht", sagt Thailand-Experte Nelson.

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"Wenn das Parlament aufgelöst wird, müsse demnach ein Premier aus den Reihen der PAD an die Macht gelangen. Die Hauptstoßrichtung der PAD ist, das ‚System Thaksin' zu eliminieren." Dabei könnten ihr die Verbindungen zur Armee und zu Mitgliedern der Junta von 2006 dienlich sein, so Nelson. Warum sich die Volksallianz nicht schon in der Zeit der Militärregierung für eine Reform des thailändischen Staates in ihrem Sinne stark gemacht hat, begründet Politologe Nelson so: "Diese Ideen sind offenbar erst in den letzten Wochen entstanden, 2006 war von Veränderungen etwa im Wahlsystem noch keine Rede."

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Dass der gestürzte, in weiten Teilen der Landbevölkerung aber überaus populäre Premier Thaksin ein ganzes System der Macht hinterlassen hat, dessen sich die Putschisten nicht entledigen konnten oder wollten, sei der PAD offenbar nicht bewusst gewesen. "Das Interessante ist eigentlich, wie es eine relativ kleine Bewegung schafft, durch ihre Entschlossenheit gepaart mit der Macht von Fernsehstationen diese Wirkung erzielen kann", meint Nelson. „Und das liegt hauptsächlich daran, dass sich die PAD an keinerlei Regeln gebunden fühlt, etwa, indem sie zehntausende Menschen dazu bringt, das Regierungsgebäude anzugreifen."

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Die Opposition habe es aber auch geschafft, mithilfe regierungskritischer Zeitungen das Meinungsklima in ihre Richtung zu drehen. "Wenn die Polizei völlig legitimerweise versucht, Demonstranten vom Regierungssitz abzudrängen, wird es in den Medien sofort als empörende, übertriebene Gewaltanwendung betrachtet. Das macht es der Regierung so schwer, angemessene Mittel gegen die Demonstrationen einzusetzen."(flon/derStandard.at, 7.10.2008) Weiterlesen: Premier flüchtet mit Hubschrauber, Vizepremier zurückgetreten