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Educult, ein Institut für Kultur und Bildung, hat zum Europäischen Jahr des Interkulturellen Dialogs die Studie "Kunst, Kultur und interkultureller Dialog erstellt." Geschäftsführer Michael Wimmer berichtet im derStandard.at-Interview von Förderungen, Förderstellen und deren Sinnhaftigkeit für MigrantInnen-Vereine.

derStandard.at: Was raten Sie MigrantInnen-Vereinen, die um Förderung für ihre kulturelle Tätigkeiten ansuchen wollen?

Michael Wimmer: Wichtig ist es, die richtigen Ansprechpartner zu finden und ob man überhaupt in diesem Förderungszusammenhang anerkannt wird. Folklore, Blasmusik, Volkstanzgruppen werden im regionalen und lokalen Kontext durchaus gefördert. Für MigrantInnen-Gruppen ist es oft wesentlich schwieriger.

Die Förderstellen sind oft nicht dafür gerüstet, wie sie damit umgehen sollen. Das liegt zum einen an Sprachbarrieren und zum anderen daran, dass die Orientierung im "Förderdschungel" nicht so leicht fällt. Daneben kommt es oft zu einer Art Instrumentalisierung: Einige Gruppen haben geklagt, dass sie im Jahr des interkulturellen Dialogs nicht nur als exotische "Herzeigeobjekte" gebraucht werden wollen, die kochen und tanzen dürfen. Aber das ist es dann im Wesentlichen. Das ist fast ein spät-kolonialistischer Ansatz. Aber das hat mit den realen Lebens- und Arbeitsverhältnissen nur ganz wenig zu tun.

derStandard.at: Reagieren die Behörden zu spät auf die signifikante Änderung der demographischen Eckdaten, auch in der kulturellen Förderung?

Wimmer: Unsere Erfahrung laufen darauf hinaus, dass immer, wenn der Begriff „interkulturell" vorkommt, wir von der MA 17, die für Integrations- und Diversitätsangelegenheiten zuständig ist, an die MA 7, die Kulturabteilung, verwiesen werden. Gerade bei der Wiener Gebietskörperschaft gibt es eine rigide Trennung zwischen Integrations- und Kulturfragen. Was eigentlich der Idee von einem interkulturellen Dialog widerspricht.

In der Stadt Wien macht das gesamte Kulturbudget weit über 100 Millionen aus, aber gerade einmal 700.000 Euro werden von der Magistratsabteilung 17 verwaltet. Das hat eine gewisse Wertigkeit und macht eine schiefe Optik. Unsere Studie ist ein Plädoyer dafür, wie man dem demographischen Wandel in Österreich auch kulturpolitisch Rechnung tragen kann. Wir haben versucht, dem auf verschiedenen Ebenen Rechnung zu tragen.

derStandard.at: Wie sollen MigrantInnen-Vereine am besten vogehen, um eine Förderung zu bekommen?

Wimmer: In anderen europäischen Ländern ist es möglich, dass MigrantInnen auch in höhere Positionen des Kunst- und Kulturbetriebs kommen. Wobei ich in Österreich den Eindruck habe, man findet MigrantInnen - ungeachtet ihrer Qualifikation - vor allem im Bereich der niedrigeren Dienstleistungen. Währenddessen sie als Identifikationsfiguren, etwa als Politiker, Kulturmanager und Mitentscheidende und damit bei strategischen Entscheidungen zu Weiterentwicklung des Kunst- und Kulturbetriebes, kaum eine Rolle spielen.

Da beginnt eine schwierige Fragestellung: Warum wird überhaupt gefördert. Da gibt es einmal die Auffassung, dass es nur eine einzige Entscheidung gibt und zwar die der künstlerischen Qualität. Die Herkunft der geförderten KünstlerInnen sollte egal sein. Denn entweder sie sind künstlerisch gut, oder sie sind es nicht. Dem gegenüber steht der Anspruch auf kulturelle Vielfalt. Da spielt die unmittelbare ästhetische Frage eine untergeordnete Rolle. Da sehe ich Prallelen zur Brauchtumsförderung in anderen Bundesländern. Ob eine Blasmusikkapelle jetzt aller erster Güte ist, oder eine Volkstanzgruppe - darum geht es nicht, da geht es um die Sicherung kultureller Vielfalt

derStandard.at: In welchen Bereichen der Kulturpolitik besteht ihrer Meinung nach Aufholbedarf?

Wimmer: In anderen europäischen Ländern ist es möglich, dass MigrantInnen auch in höhere Positionen kommen. Wobei ich in Österreich den Eindruck habe, man findet MigrantInnen vor allem in den niedrigeren Dienstleistungen. Währenddessen sie als Identifikationsfiguren, etwa als Politiker, Kulturmanager und Mitentscheidende bei strategischen Entscheidungen zu Weiterentwicklung des Kunst- und Kulturbetriebes, kaum eine Rolle spielen.

derStandard.at: Denken Sie, dass eine Aktion wie das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs dazu beitragen kann, diese Menschen und ihre kulturellen Aktivitäten sichtbarer zu machen?

Wimmer: MigrantInnen kommen oft nur vor, wenn sie auffällig werden. Oder wenn die Polizei ihnen gegenüber auffällig wird. Die mediale Berücksichtigung ist also eher eine negative. Konstruktive und positive Beiträge bleiben weitgehend ausgeklammert. So ein Jahr ist eine Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass es vielfältige Initiativen gibt.

derStandard.at: Lässt sich die aktuelle Fremdenrechtslage mit der Freiheit von Kunst und Wissenschaft vereinbaren?

Wimmer: Der Ausgangspunkt ist, dass es keinen Dialog geben kann, wenn Menschen sich nicht auf gleicher Augenhöhe begegnen. Migrantische KünstlerInnen haben große Nachteile in Bezug auf das novellierte Fremden- und Aufenthaltsrecht. Kunst in Österreich zu studieren ist für Menschen aus Drittländern meist unglaublich schwierig. Der Verwaltungsaufwand ist gigantisch. Auch sehr begabte KünstlerInnen haben Probleme, nach Österreich zu kommen und hier studieren zu können.

Für gestandene KünstlerInnen ist es ebenfalls zunehmend schwieriger geworden. Ich habe den Eindruck, dass das für Österreich kontraproduktiv ist und einen Verlust darstellt. KünstlerInnen versuchen nach Möglichkeit Österreich zu vermeiden und gehen lieber nach Kanada, Australien oder Neuseeland. Es ist schon interessant, wie man dort auf die Qualifikationen, Fähigkeiten und das Know-how von Zuwanderern Wert legt und wie man das auch deutlich ausdrückt. Bei uns ist das ein Bittstellertum und ein unglaublicher Verwaltungsaufwand. (jus, derStandard.at, Oktober 2008)