Die einen beschimpfen ihn hinter vorgehaltener Hand als Nazi, für die anderen ist er ein netter älterer Herr mit sehr konservativer Einstellung. Der FPÖ-Abgeordnete Martin Graf ist bekennender Deutschnationaler, er ist Mitglied einer schlagenden Burschenschaft, die man als rechtsextrem bezeichnen kann, er findet, dass man über das NS-Verbotsgesetz diskutieren sollte. Graf steht rechts, bekennt sich dazu, und damit braucht man kein Problem haben, solange er gegen keine Gesetze verstößt. Und das tut er nicht, schließlich ist Graf Rechtsanwalt und schlau genug.

Graf ist ein ganz normaler FPÖ-Abgeordneter. Und dort bei weitem nicht der Einzige, der meint, das NS-Verbotsgesetz gehöre abgeschafft. Das Problem daran: Graf soll jetzt Dritter Nationalratspräsident werden, dazu muss er von einer Mehrheit im Parlament gewählt werden. Er braucht also die Stimmen von SPÖ und ÖVP. Die werden ihn aller Voraussicht nach auch wählen - allerdings mit Bauchweh. Vor allem die SPÖ ist im Zwiespalt, wie es etwa ihre Nationalratspräsident Barbara Prammer ausdrückt. Die Frage ist, ob sich Graf ausreichend von nationalsozialistischem Gedankengut distanziert hat. Mittlerweile hat er das mehrfach getan. Die Frage ist nur noch, ob man ihm das auch glaubt.

Der Umgang mit den Rechten ist schwierig. SPÖ und ÖVP verbiegen sich, so weit sie können: Der Umgang mit FPÖ und BZÖ wird immer auch von dem Kalkül getragen, dass man sie ja noch brauchen könnte - bei Abstimmungen im Parlament, zur Stützung einer Minderheitsregierung, zur Bildung einer gemeinsamen Regierung. Und vor allem ihre Wähler will man nicht ausgrenzen.

Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat das Dilemma der SPÖ offengelegt: Ihr sei es ein persönliches Anliegen, dass die Wähler von FPÖ und BZÖ nicht ins „rechte Eck" gestellt werden. (Weil sie sie selbst gerne hätte.) Und sie ist grundsätzlich dagegen, eine politische Kraft auszuschließen. Die Möglichkeit einer Regierungszusammenarbeit sieht sie allerdings nicht. Also: nicht ganz ausgrenzen, aber ein bisschen doch. Typisch SPÖ.

Es ist klar, dass die Stimmengewinne von FPÖ und BZÖ nicht darauf zurückzuführen sind, dass es in Österreich plötzlich so viele Nazis gibt. Vor allem die vielen Jungwähler haben den Rechtsparteien ihre Stimme aus Protest gegeben - völlig ideologiefrei. FPÖ und BZÖ ist es im Wahlkampf wenigstens gelungen, den Leuten das Gefühl zu vermitteln, sie würden sie verstehen - wenn sie auch keine Lösungen für ihre Probleme anzubieten haben. Selbst davon sind SPÖ und ÖVP meilenweit entfernt - und die Grünen leben sowieso in ihrer eigenen Welt.

Wenn SPÖ und ÖVP mit den Rechtsparteien etwas gemeinsam machen wollen, Beschlüsse fassen, Regierung bilden, dann sollten sie das nicht mit zugehaltener Nase tun, sondern die Deutschtümelei offen ansprechen und Klarheit in der Positionierung zum Nationalsozialismus einfordern. Wenn sie darauf eine zufriedenstellende Antwort bekommen, die sie auch für glaubwürdig erachten, dann steht einem Handschlag nichts im Wege. Wenn die Analyse allerdings ergibt, dass zwar nicht die Wähler, aber jene, die sie aus Protest in den Nationalrat gewählt haben, zu rechts und zu extrem sind, dann muss es auch eine klare Festlegung geben: Finger weg.

(Michael Völker/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.10.2008)