Attac (Hrsg.):
Crash statt Cash.
Warum wir die globalen Finanzmärkte bändigen müssen,
ÖGB-Verlag, Wien 2008,
194 Seiten, 19,90 Euro

Ökonomin und Attac-Autorin Cornelia Staritz: "Akteure und Produkte auf den Finanzmärkten regulieren, um Spekulation zu reduzieren."

Foto: Attac

Die Finanzmärkte brechen zusammen, es ist wieder viel von "Krise" und "Katastrophe" die Rede, und die Stimmen werden lauter, die nach einer "Bändigung" der Kapitalmärkte rufen. Manche gehen aber auch schon einen Schritt weiter - in der Befürchtung, dass das alles wieder in den Hintergrund rücken werde, sobald die Krise vorüber ist.

"Diese Gefahr ist sehr groß. Jetzt sprechen noch viele Politiker und Banker davon, dass wir Regulierungen brauchen. Ich würde das aber nicht so optimistisch sehen. Es braucht massiven Druck, dass das auch umgesetzt wird", sagt Cornelia Staritz, Ökonomin und langjährige Aktivistin der globalisierungskritischen NGO Attac. "Uns ist sehr wichtig, dass es nicht bei den Hilfspaketen stehen bleibt. Weitreichende Reformen müssen eingeleitet werden."

Vorschläge für bessere Regeln für die Finanzmärkte liegen schon lange auf dem Tisch. Gesammelt sind sie nun auch in dem neuen, von Attac herausgegebenen Buch mit dem Titel "Crash statt Cash. Warum wir die globalen Finanzmärkte bändigen müssen" nachlesbar. Darin beschäftigen sich zehn Autorinnen und Autoren, mehrheitlich selbst bei Attac tätig, mit den Fehlentwicklungen und den ökonomischen und sozialen Auswirkungen aus dreißig Jahren Finanzmarktliberalisierung.

"Globale Märkte brauchen globale Regulierung"

"Es gab seit den 70er-Jahren, als die Finanzmärkte dereguliert wurden, laut Weltbank 170 Finanzkrisen. Die meisten haben in Entwicklungsländern stattgefunden - aber jetzt haben wir auch eine sehr große Krise in Industrieländern", so Staritz im Gespräch mit derStandard.at. Und: "Wir haben globale Märkte, und idealerweise bräuchten wir auch eine globale Regulierung."

Ein ganz zentraler Akteur sei da die Europäische Union, so die Ökonomin. "Die EU könnte Vorreiter sein und auf globaler Ebene diese Maßnahmen fordern, aber vor allem könnte sie innerhalb der EU einige dieser Sachen umsetzen." Den politischen Willen dazu vermisst sie jedoch.

Regeln "für Akteure und Produkte"

Die Forderungen von Attac setzen an drei Ebenen an: "Akteure und Produkte auf den Finanzmärkten zu regulieren, um Spekulation zu reduzieren", sei die erste davon. Zweiter wichtiger Punkt ist die Besteuerung der Finanzmärkte in Form von Finanztransaktionssteuern, etwa der Tobin-Steuer, die an den Devisenmärkten ansetzt. "Man kann aber auch die Transaktionen am Aktien- oder Anleihenmarkt besteuern." Als Nebeneffekt würde man so Einnahmen bekommen, "die in Krisenzeiten wie der aktuellen für den 'Bail-out' verwendet werden könnten", so Staritz.

Drittens müsse man auch "die Frage stellen, warum es so viele liquide Mittel gibt, die auf den Finanzmärkten veranlagt werden wollen". Grund dafür sei eine sehr ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen: "Gewinne und Kapitaleinkommen steigen. Die fließen aber sehr oft nicht in die Realwirtschaft, sondern werden gleich wieder direkt auf den Finanzmärkten angelegt. Daneben gehen die Löhne zurück - sowohl in den USA als auch in Europa." Weiters werden durch die Privatisierung der Pensionsvorsorgen auch andere Bevölkerungsschichten in die Finanzmärkte getrieben, was wiederum die Bildung von "Blasen" fördere.

Ein besonderes Problem erblickt die Ökonomin außerdem bei den Rating-Agenturen. "Die werden von den Finanzinstituten bezahlt, deren Produkte sie ja bewerten müssen." Attac trete deshalb sehr stark für öffentliche Rating-Agenturen ein.

Das nun vom US-Senat verabschiedete, 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket sei "in dieser Situation notwendig", so Staritz weiter. "Es müssen daran aber gewisse Bedingungen geknüpft werden." Wichtig sei etwa, dass auch die Hausbesitzer gerettet werden und die Realwirtschaft unterstützt werde. "Ein dritter Punkt ist: Wer zahlt das alles?" Gemeinsam mit dem EU-Paket mache das Rettungspaket schon über eine Billion Dollar aus, "und da springen jetzt die Steuerzahler ein. Vorschläge, auch diejenigen zur Kasse zu bitten, die von dem Boom in den letzten Jahren profitiert haben, gibt es bereits zur Genüge." Die erhöhte Besteuerung von Kapitalerträgen oder auch von sehr hohen Einkommen sei vorstellbar, oder auch die Schließung von Steueroasen. "Und es muss auch diskutiert werden, ob es nicht zu Rückzahlungen kommen sollte" - schließlich seien noch bis vor wenigen Wochen im US-Finanzsektor sehr hohe Gehälter und Boni ausbezahlt worden, so Staritz.

"Kreditvergabe unter neoliberalen Bedingungen"

Die Ökonomin gibt in ihrem gemeinsam mit Karin Küblböck verfassten Buch-Beitrag einen Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Finanzkrisen in Industrie- und Schwellenländern. Insbesondere beleuchten die beiden Autorinnen die Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank - die dabei gar nicht gut wegkommen. "IWF und Weltbank sehen vor allem seit der Finanzkrise von 1982 ihre Rolle darin, sicherzustellen, dass die Schulden der Entwicklungsländer zurückgezahlt werden können. Die vergeben Kredite unter sehr strengen, neoliberalen Bedingungen, und diese beinhalten fast immer Punkte wie die Liberalisierung der Finanzmärkte und des Handels, Privatisierungen und ausgeglichene Budgets."

Insbesondere der IWF habe zuletzt eine sehr negative Rolle gespielt. "Ein großes Problem ist die undemokratische Stimmrechtsverteilung. Die USA können in beiden Gremien ein Veto einlegen", so Staritz, die aber auch die Hoffnung hat, dass ein Präsidenten-Wechsel von Bush zu Obama hier "schon was verändern" könnte.

Schieflagen und Mechaniken

Dass sich schon mit dem Buch allein etwas bewegen lässt, darf wohl bezweifelt werden - einen guten Einstieg in die Thematik, zugegebenermaßen aus einer politisch linken Sichtweise heraus, bietet es aber allemal. Die Attac-Steuerexperten Christian Schoder und Sybille Pirklbauer legen in ihrem Beitrag "die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Schieflagen aus dreißig Jahren neoliberaler Finanzmärkte" dar und weisen dabei vor allem darauf hin, dass diese Krisen kein neues Phänomen seien, sondern mittlerweile vielmehr ein Strukturmerkmal der Finanzmärkte.

Ruth Picker beschreibt in ihrem Beitrag Ansätze zur Regulierung von Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds in Europa, Frederic Lordon geht auf die "Mechanik der Immobilienkrise" ein. Jürgen Kädtler erläutert den Zusammenhang von Finanzmarktöffentlichkeit und börsennotierten Unternehmen, David Mum geht auf die "Pensionssysteme im Wandel" ein.

"Nicht Gegner, nur Kritiker" der Globalisierung

Vor dem abschließenden kurzen "Geld- und Finanzmarkt-Glossar" zeigen Pirklbauer und Schoder noch "Wege aus der Krise" und "Alternativen zur herrschenden Politik" auf. Ein Verbot von Stock-Options ist dabei ein Punkt, oder auch die gleich hohe Besteuerung von Arbeit und Kapital. Selbstverständlich darf auch die "Tobin-Tax", eine langjährige Forderung von Attac, nicht fehlen. Weil der Devisenhandel auf wenige Handelsplätze beschränkt sei und die EU mit London und Frankfurt hier eine zentrale Stellung einnehme, könnte die EU die Tobin-Steuer einführen, ohne den Finanzplatz zu gefährden - davon sind die Autoren überzeugt. Denn grundsätzlich sei Attac nicht Globalisierungsgegner, erklärt Staritz: "Wir sind nur Kritiker der Globalisierung, so wie sie jetzt läuft." (map, derStandard.at, 2.10.2008)