Das Angebot ist groß, der Preis meist niedrig. Türkische Supermärkte versuchen Kunden aller Nationen anzusprechen. Die Branche ist im Umbruch.

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Sie sind dort, wo Rewe und Spar nicht sind: Aus kleinen türkischen Händlern wurden professionelle Supermarktketten. Sie sehen den Wiener Markt gesättigt. Einzelkämpfer sperren zu.

Yasar Ünal ärgern Klischees. Etwa, dass türkische Lebensmittelmärkte in einen Topf mit Kebab-Buden geworfen würden. Oder dass Berichte über sie Fotos von Preisschildern begleiten, die vor Rechtschreibfehlern nur so strotzen. Aus den kleinen türkischen Greißlern von einst sind mittlerweile professionell geführte Supermärkte geworden, sagt der Betriebswirt, und ihre Kunden kämen aus allen Nationen.

Ünal ist 27 und führt in Wien mit seiner Familie die Handelskette Etsan. Sein Vater ist Ende der 70erJahre als Gastarbeiter nach Österreich gekommen, hat am Bau begonnen und 1987 mit Partnern seinen ersten Lebensmittelladen eröffnet. Heute betreibt seine Familie sechs Filialen, ist einer der zwei führenden Großhändler der Branche und setzt mit 100 Mitarbeitern 35 Mio. Euro um. Sieben weitere Filialen gehören seinen Brüdern.

Türkische Unternehmer sind die neue Generation der Greißler. Die Zeiten, in denen in Bezirken mit hohem Immigrantenanteil an jeder Ecke ein kleiner Laden sein Glück versuchte, sind jedoch vorbei. Der Markt konsolidiert sich, folgt den Mustern des konventionellen Handels. Und immer mehr Kleine weichen den sogenannten Ethnoketten. Die türkische Aycan-Gruppe etwa zählt bereits neun Standorte, Hür Pas kommt auf acht Märkte.

"Die großen Anbieter formieren sich, die ersten Kleinbetriebe sperren zu", bestätigen Klaus Puza und Hannes Mraz, Handelsexperten in der Wirtschaftskammer. Auch Yaºar Ünal sieht den Markt gesättigt. Denn die Immigranten würden weniger, und die ihnen nachfolgende Generation fühle sich auch bei Rewe, Spar und Hofer zu Hause.

Etsan baute daher Sortiment und Service aus und modernisierte den Ladenbau. Der Unterschied zu traditionellen Supermärkten: Das Angebot an Fleisch ist breiter und für Muslime zulässig. Statt Markenware sind Großverpackungen gefragt. Zwei Drittel der Produkte sind in österreichischen Ketten nicht erhältlich. Er habe versucht, mehr österreichische Kunden anzusprechen, sagt Ünal, aber das sei bisher nicht wirklich gelungen. Ihr Anteil liege bei nur zehn Prozent.

Die Handelsbranche zollt jedenfalls Respekt. Die türkischen Ketten seien eine Bereicherung, meint Rewe-Chef Frank Hensel. "Sie bedienen eine Nische, die wir selbst nicht füllen können." Viele hätten die Rolle der Nahversorger am urbanen Markt übernommen, ergänzt Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands.

Ünal sieht einen Grund für den stärkeren Unternehmergeist seiner Landsleute in den bescheideneren finanziellen Ansprüchen, nach der Devise: besser für wenig Geld sein eigener Herr als schlecht bezahlte Arbeit für andere. Eine Stärke seien auch enge Familienbande, die vielen den Gang zur Bank ersparten. "In Zeiten der Krise legen Verwandte und Freunde eben zusammen." Die Kehrseite sei, dass zig Immigranten als Unternehmer im Handel scheiterten, weil ihnen die entsprechende Ausbildung fehle.

Sein Vater hat das Handelsgeschäft aufgebaut, Ünal arbeitet seit 2002 an einem zweiten Standbein: Energy-Drinks. Seine Marke "Wild Dragon" sorgt mittlerweile für rund 15 Prozent des Familienumsatzes, erzählt er. Abgefüllt wird in Österreich, heuer will er zehn Mio. Dosen verkaufen. Auf dem Markt sei der Drink in der Türkei, zudem in Ländern wie den USA, Nigeria, Paraguay. Früher oder später will er auch den Schritt in österreichische Lebensmittelketten wagen. (Verena Kainrath , DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.10.2008)