Im 21. Bezirk zahlt ein Privatverein für die Erhaltung des Kriegerdenkmals.

Rudolf Semotan

Zusatztafel mit der Aufforderung zur kritischen Reflexion.

Gymnasium Henriettenplatz

Wien - Seit 1935 prangt der aus rotem Marmor gemeißelte Racheengel samt Flügeln und Schwert an der Wand der Aula im Gymnasium Henriettenplatz im 15. Bezirk. Ins Podest, auf dem er steht, sind die Worte "Den im Weltkrieg gefallenen Helden" eingraviert.

Schulintern war das Relikt aus der Zeit des Austrofaschismus zwar schon länger umstritten, so richtig in Gang kam die Diskussion aber erst, nachdem der Zeichenlehrer Helmut Kraus in Eigenregie Zusatztafeln mit Zitaten von Karl Kraus und Stefan Zweig anbrachte. Der Direktor der Schule drohte ihm daraufhin ein Disziplinarverfahren an. Einige Medienberichte später kam man überein, dass der Racheengel des Gymnasiums am Henriettenplatz nicht länger unkommentiert stehen bleiben darf.

Eigentlich sollte der Marmorstatue schon im Herbst 2007 eine Glasverkleidung verpasst werden, die Umsetzung verzögerte sich allerdings um ein gutes Jahr. "Es war einfach ein sehr langer Diskussionsprozess", sagt Oskar Achs, Direktor des Abendgymnasiums, das sich das Gebäude mit einer regulären AHS teilt. Neben Lehrern, Schülern und Eltern redeten nämlich auch Stadtschulrat, Landesschulinspektor und Unterrichtsministerium mit. Gut 8000 Euro kostete das Projekt insgesamt. "Jeder stellte sich etwas anderes vor", sagt Alexander Gamper, Geschäftsführer des Designbüros Projekt21, das mit der Umsetzung beauftragt war. "Und viele wollten sich profilieren. Gleichzeitig wollte lange keiner wirklich hingreifen."

Privatdenkmal

Ganz anders im 21. Bezirk: Dort steht an der Ecke Strebersdorfer Straße und Jedleseer Straße seit 1920 ein Kriegerdenkmal mit der Aufschrift "Den Helden. In deutscher Treue zum ehrenden Gedenken". Nach dem zweiten Weltkrieg fügte man dann noch die Worte "Zum Gedenken an die Opfer des zweiten Weltkrieges" hinzu. Außer den Bezirks-Grünen, die nach der Renovierung des Denkmals eine Anfrage bezüglich der Finanzierung stellten, stößt sich in Großjedlersdorf kaum jemand daran. "Die Renovierung hat ein privater Verein, zu dem sich Großjedlersdorfer Familien zusammengeschlossen haben, finanziert", sagt der rote Bezirksvorsteher Heinz Lehner. "Da das Denkmal nichts mit Nationalsozialismus zu tun hat, sehe ich auch keine Veranlassung, es irgendwie zu verändern."

Rund 5000 Kriegerdenkmäler gibt es in Österreich. Das Denkmalschutzgesetz aus dem Jahr 1923 besagt, dass Denkmäler in öffentlichem Besitz per se geschützt sind. "2010 tritt allerdings eine Novelle in Kraft", sagt Andreas Lehne, Leiter der Abteilung Denkmalforschung im Bundesdenkmalamt. Bis dahin müssen alle geschützten Objekte neu eingestuft werden. "Es wird sicher nicht die Erhaltung jedes Kriegerdenkmals im öffentlichen Interesse liegen." Viele seien "Massenware", die in der 1920erJahren quasi am Fließband hergestellt wurde. "Die meisten Gemeinden kümmern sich darum", sagt Lehne. Theoretisch könnten dann einige Kriegerdenkmäler entfernt werden.

"Bei aller Naivität der Texte sind Kriegerdenkmäler auch ein Zeitdokument", sagt Reinhold Gärtner, Poltikwissenschafter an der Uni Innsbruck. Gärtner hat in den 90er-Jahren eine Studie über Kriegerdenkmäler gemacht. Seit damals habe sich einiges getan. "Es sind auch viele Mahnmale für die NS-Opfer errichtet worden." "Die Auseinandersetzung ist entscheidend", sagt die Wiener Historikerin Eva Blimlinger. Eine Zusatztafel allein ändere oft wenig. So habe es im Falle des Siegfriedkopfes nichts gebracht, dass er von der Aula der Uni-Wien in den Arkadenhof verlegt und unter Glas gestellt wurde. Noch immer versammeln sich Burschenschafter dort. (Bettina Fernsebner-Kokert, Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe, 02.10.2008)