Edward Hopper: "Study for Rooms for Tourists", 1945

Foto: Whitney Museum of American Art, New York

Edward Hopper: "A Woman in the Sun" , 1961.

Foto: Whitney Museum of American Art, New York

Wie kein anderer hat Hopper festgelegt, wie man sich stilvoll der Melancholie ergibt.

Wien - Gerade jetzt, wo der Finanzmarkt auch nicht mehr so sicher scheint wie einem selbst die Banken des innigsten Vertrauens immer weismachen wollten und viele ängstlich nach möglichen Auswirkungen der aufziehenden Krise auf den Kunstmarkt fragen, sei festgehalten: Edward Hoppers Aufstieg fällt mit der Weltwirtschaftskrise zusammen.

Just 1929 konnte er ein karrieretechnisch entscheidendes Konvolut an Bildern und Grafiken absetzen. Und knapp vier Jahre später lag es dann schon am New Yorker Museum of Modern Art, ihm eine erste große Retrospektive auszurichten. Die Hoffnung lebt bekanntlich immer. Man muss bloß den Nerv treffen. Wie soll man sich schon fühlen, wenn ringsum alles den Bach runtergeht, plötzlich wertlos ist, was vor Monaten noch überbewertet war: einsam. Eben! Die Welt ist böse; und ehe noch Selbsterkenntnis dämmert, ist man auch schon zum Solitär geworden, steht isoliert in der Landschaft herum und fühlt sich so gesellig wie ein Leuchtturm oder hängt so fortgeschritten in einer Bar ab, dass selbst deren Keeper seine Ruhe hat oder starrt sonst wo dekorativ vor sich hin.

Caspar David Friedrich musste diesen speziellen Seinszustand seinerzeit noch mit dramatisch überworfenen Eisschollen illustrieren, dem Amerikaner Edward Hopper reicht das engere Umfeld: das Neonlicht im Diner um die Ecke, die Tristesse eines Motel-Rooms, ein Dutzendhaus in einer Dutzendlandschaft. Anonymfühlen ist schlecht fürs Selbstbewusstsein. Immer und überall. Und also hat Hopper, mit ein klein wenig Übertreibung, was die Lichtregie betrifft, auf Generationen hin festgelegt, wie man mit Stil traurig, wie Alltagstrott zu inszenieren, wie Melancholie ins rechte Licht zu setzen ist.

Und an den Konventionen in der Darstellung gepflegter Tristesse hat sich auch 40 Jahre nach seinem Tod nichts geändert. Immer noch werden Künstler nicht müde, mehr oder wenig hyperrealistisch ins Bild zu setzen, was sich eben nicht ereignet. Oder dauernd wiederholt. Oder einer gemeinen fremden Macht wie dem Schicksal zuzuschreiben ist. Oder unbeirrt vorbeifließt, egal, was dagegen zu unternehmen einem auch einfallen mag. Markus Schinwalds Marionetten greifen dieses Selbstverlorensein in der Fremdbestimmung ebenso auf wie Tim Eitels der reinen Form verpflichtete Protagonisten. Ed Ruscha reiht so lange Building für Building am Sunset Strip aneinander, bis sich endlich sein Konzept erfüllt, alle Gebäude aufzulisten. Allen gemein ist ein Grundsatz: nur nichts Dramatisches, keine Handlung, die die so kunstvoll gesetzten Schatten durcheinanderbringen könnte.

Der stilvolle Blick auf die Welt muss vor allem eines bestätigen: wie skurril auch immer, es ist doch alles banal, egal was passiert ist oder noch vor sich geht. Haltung bewahren, die Zerrüttung ist privat, darf keinesfalls die Hülle, den feinen Anzug, die Frisur erschüttern. Die Endzeit ist ein Dauerzustand, den es mit Würde zu ertragen gilt, auch dann, wenn Filmer wie Jim Jarmusch sich darüber lustig machen oder keck behaupten, sie würden die Illusionsmaschine dekonstruieren. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.10.2008)