Bild nicht mehr verfügbar.

Wann übergibt Alexander Van der Bellen an Eva Glawischnig?

Foto: Reuters/Foeger

Bild nicht mehr verfügbar.

Christoph Chorherr: "Ohne Van der Bellen hätten wir noch weniger Stimmen gemacht. Er ist nach wie vor unbestrittener Chef."

Foto: APA

Martin Margulies: "Wir brauchen eine relativ schnelle Entscheidung für erneuerte Grüne."

Foto: Standard/Corn

Johannes Voggenhuber: "Man soll die drei Monate während sich die anderen Parteien in Regierungsverhandlungen befinden, nützen, um über personelle Neuerungen nachzudenken."

Foto: Standard/Hendrich

Politologe Peter Gerlich: "Van der Bellen wirkt nicht mehr wahnsinnig enthusiastisch, aber er hat das Verantwortungsbewusstsein."

Foto: Standard/Corn

Nach der Wahlniederlage am Sonntag hat die ÖVP die Konsequenzen gezogen. Parteichef Wilhelm Molterer ist zurückgetreten, er hat das Feld für seinen Nachfolger Josef Pröll geräumt. Bei den Grünen, die ebenfalls hinter den Erwartungen geblieben sind, ist ein ähnlicher Generationenwechsel noch nicht vollzogen worden. "Es sei durchaus üblich länger nachzudenken", heißt es aus der Partei. Doch wann ist es bei den Grünen Zeit für personelle Neuerungen?

Christoph Chorherr, grüner Gemeinderat in Wien, sagt: "Ich bin sehr froh, dass eine Krise wahrgenommen wird, aber die wird nicht gelöst, indem Van der Bellen zurücktritt." Es müsse aber eine "ziemliche Veränderung" und ein "Umbau" bei den Grünen stattfinden.

"Ohne Van der Bellen noch weniger Stimmen"

Als Grund, warum Van der Bellen noch nicht abgetreten sei, nennt er folgenden: "Ohne ihn hätten wir noch weniger Stimmen gemacht. Er ist nach wie vor unbestrittener Chef. Trotzdem werden wir ihn nicht konservieren, bis er 110 Jahre alt ist."

Der "Umbau" müsse folgendermaßen ausschauen: Die "extrem traditionelle Parteiorganisation" soll die Distanz zum Bürger verringern. Laut Chorherr liegt die Lösung dafür in den neuen Medien. Durch sie könnten potenzielle Wähler besser in den Diskussionsprozess eingebunden werden und dieser könnte geöffnet und verbreitert werden.

Für die Zukunft appelliert er an eine mögliche neue Führung: "Es muss der Mut da sein, Diskussion zuzulassen. Wir sind eine vielfältige Partei, es ist die Aufgabe einer neuen Führung, dass das auch so bleibt."

Sein Kollege im Wiener Gemeinderat, Martin Margulies, sagt: "Niemand stellt einen Neuerungsprozess in Frage. Je nachdem, was dabei herauskommt wird es auch personelle Neuerungen geben." Ingesamt müssten die Grünen angriffiger und die Sprache verständlicher werden. Und: "Wir müssen den Menschen klar machen, wie sie persönlich Nutzen ziehen können, wenn sie die Grünen wählen."

"Relativ schnelle Entscheidung"

Margulies ist für eine "relativ schnelle Entscheidung für erneuerte Grüne" und er wäre dafür, dass die schon seit Jahren als "Kronprinzessin" gehandelte Eva Glawischnig die Rolle der neuen Parteivorsitzenden übernimmt. Aber es reiche nicht, wenn man allein die Spitze austausche, sagt Margulies, auch in der gesamten Parteizentrale solle frischer Wind wehen.

Johannes Voggenhuber, grüner Abgeordneter im Europaparlament, sagt, bevor man über einen neuen Vorsitzenden diskutiere, sei es wichtig, sich die Niederlage einzugestehen, denn die Grünen hätten das noch nicht getan. Es sei an der Zeit, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass das "noch nie dagewesene Potenzial" und die "historische Chance" für die Grünen nicht genutzt worden seien. Doch statt dass man sich damit auseinandersetze, würde über Regierungsbeteiligungen in einer rot-schwarz-grünen Koalition "gebuhlt".

"Zeit der Regierungsbildung nützen"

Die Grünen sollten thematisch in die Breite gehen und die großen Fragen der Zukunft wie etwa Bildung und Gesundheitspolitik ins Zentrum rücken, fordert Voggenhuber. Er plädiert außerdem dafür, die "demokratiepolitische Verengung" innerhalb der Partei aufzuheben. Momentan sei es so, dass mit Van der Bellen und Glawischnig nur zwei Köpfe in der Öffentlichkeit etwas zu sagen hätten.

Man solle die drei Monate während sich die anderen Parteien in Regierungsverhandlungen befinden, nützen, um über personelle Neuerungen nachzudenken: "Das wäre eine gute Gelegenheit um sich neu aufzustellen."

"Nicht mehr wahnsinnig enthusiastisch"

Politologe Peter Gerlich sagt zu einer möglichen Erneuerung der Grünen: "Es muss sich etwas ändern, nachdem die jungen Wähler weglaufen." Es gebe zu wenige jugendliche Gesichter innerhalb der Partei. Zwar sei diese Aussage in Hinblick auf Van der Bellen "nicht fair", aber die jungen WählerInnen würden sich nun mal an jungen PolitikerInnen orientieren.

Auf die Frage, warum Van der Bellen noch nicht zurückgetreten sei, sagt Gerlich: "Der Verlust ist nicht vergleichbar mit dem der ÖVP. Molterer hat schon am Wahlabend abgeschlossen, Van der Bellen nicht." Obwohl auch Van der Bellen nicht mehr "wahnsinnig enthusiastisch" wirke, "aber er hat das Verantwortungsbewusstsein."

Wenn man Glawischnig am Anfang des Wahlkampfes als Spitzenkandidatin präsentiert hätte, wäre das vielleicht besser gewesen, sagt Gerlich. Sie wirke dynamischer. Aber Auswechslung alleine bringe auch nichts. Das habe man bei der SPÖ gesehen: "Die SPÖ hatte immerhin die Kronen Zeitung hinter sich und hat nur deshalb gewonnen. Eigentlich müsste Faymann zurücktreten."

Kampfabstimmung um Nachfolge

Er glaubt, dass Glawischnig die einzige in Frage kommende Nachfolgerin Van der Bellens ist: "Sie scheint ziemlich unumstritten zu sein." Trotzdem findet er, dass es für die Partei nicht schlecht wäre, wenn es eine "Kampfabstimmung" um die Nachfolge Van der Bellens geben würde. "Solche Diskussionen sind zwar schmerzhaft, aber es gibt Beispiele, wo Parteien danach erfolgreicher waren. Auseinandersetzungen können gut tun." (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 1.10.2008)